6. Februar 1934 zu einer Abordnung der Heimwehr, die der Ansicht huldigte, für solche Bedenken sei nicht der rechte Zeitpunkt. Der Rezensent hat jene furchtbaren Monate und Jahre auf einem ausgezeichneten Beobachtungsposten mit erlebt. Die heutige Generation sieht einseitig den — reichlich ungeschickt geführten — Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus und übersieht den Mehrfronten krieg der österreichischen Innenpolitik in einer Zeit, die des Zusammenhalts aller Kräfte dringendst bedurft hätte. In Wirklichkeit tobte ein bellum omnium contra omnes. Gegen Schlegel rennen linke Sozialisten, Heim wehr, Nationalsozialisten und die oberste Leitung der katholischen Kirche an. Der Katholische Volksverein, eine der innerlich stärksten Körperschaften, über welche die katholisch-christlichsoziale Gesinnungsgemeinschaft Oberösterreich je verfügte, wird von oberster kirch licher Seite aufgelöst, sein beispiellos verdienstvoller Führer Dr. Josef Aigner wird in die Wüste geschickt; wie er selber sagte, keine Kuhdirn würde in dieser Form entlassen. Sehr interessant ist das Kapitel über die Verfügung der österreichischen Bischöfe vom 30. November 1933, wo nach alle Priester ihre politischen Mandate niederzule gen hatten; zur Beantwortung der immer noch nicht ein deutig geklärten Frage, ob diese Entscheidung Anerken nung für die Regierung Dollfuß oder Distanzierung von ihr bedeutete, zitiert Slapnicka den Rezensenten, der den Doppelsinn in jenen Tagen am eigenen Leibe zu spüren bekam. Daß die österreichische Innenpolitik durch den Auszug der Priester einen schweren Verlust erlitt, darin bestand Einigkeit bei den Besonnenen aus allen drei Lagern — Kunschak, Dr. Jetzinger, Langoth. Der Kampf der Draufgänger gegen die Klugen war links nicht besser als rechts. Daß der unselige Richard Bernascheck am 12. Februar 1934 die klar sehende Führung der SPÖ — voran Karl Seitz und Otto Bauer — zu Taten zwin gen wollte, geht aus einem vom Autor zitierten Briefe Bernascheks eindeutig hervor. Geschlagen wurde in jenen Tagen nicht allein die SPÖ, auf dem Schlacht felde blieb die österreichische Demokratie mit ihrem edlen Repräsentanten Dr. Josef Schlegel, der erst 1947 wieder in ein hohes Staatsamt, das Präsidium des Rechnungshofes, berufen wurde. 1955 ist er 86jährig gestorben. Die ersten Jahre unter Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner können am Schicksal des Landes nichts mehr ändern; daß die Wirtschaft unmittelbar vor 1938 sich langsam, aber beständig erholte, ist eindeutig nachge wiesen. Der Abschnitt über den deutschen Einmarsch liest sich wie ein Kapitel aus der Apokalypse. Der Band ist auf 226 Seiten Text, 92 Seiten Zeittafel, 46 Seiten Nachweise, ebenso viele Seiten Personenregi ster, das zugleich wertvolle Kurzbiographien einschließt, und 66 Lichtbilder angewachsen. In Vorbereitung sind vier weitere Bände: 330 Biographien oberösterreichischer Mandatare, „Oberösterreich, als es nur Oberdonau heißen durfte" (1938 — 1945), „Zehn Jahre besetztes Land" (1945 — 1955), „Oberösterreich in den letzten sechzig Jahren der Monarchie", wobei ein volles Jahr hundert Landesgeschichte vor der Mit- und Nachwelt offengelegt sein wird. Hans Huebmer Johann BlöM: Meine Lebenserinnerungen. Linz (Oö. Lan desverlag) 1975, 284 Seiten Text, 32 Bildseiten, Ln. S 198.—. Das Erscheinen des Buches fiel mit den Feiern zur Vollendung des 80. Lebensjahres des Verfassers zusam men. Es ist zwar üblich, zu solchen Anlässen dem Jubilar ein Geschenk zu machen, Blöchl jedoch be schenkte mit diesem Buch alle, die ihn kennen, seine Arbeit verfolgten und Interesse für die Entwicklung des bäuerlichen Berufsstandes haben. In recht lebendigen Worten schildert er sein Leben als Bauer, Familien vater, Agrarpolitiker und „Vater des Mühlviertels'L Das Buch ist in vier Abschnitte gegliedert: Im ersten Teil erinnert sich Blöchl zurück an seine Jugend und schildert das Leben auf dem Bauernhof in der „guten alten Zeit." Der Erste Weltkrieg reißt ihn aus dem geordneten Leben am Hof und läßt ihn die Härten des Stellungskrieges an der Südfront durchmachen. Zurück kommt ein gereifter Mann, der sich voll seinem Beruf und seiner neugegründeten Familie widmet. Bald über nimmt Blöchl Funktionen in der Raiffeisenkasse, im Bezirksschulrat, er gründet eine Krankenkasse und tritt damit in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Ein Platz auf der Nationalrats- und Landtagsliste sind die Folge. Der "junge Mühlviertler" erlebt die bitteren dreißiger Jahre der Ersten Republik als engagierter Agrarpolitiker und Vertreter des Mühlviertels im Nationalrat. Diese Zeit wird im zweiten Abschnitt des Buches beschrieben. Mit dem Umsturz 1938 beginnen für Blöchl und seine Familie schwere Jahre mit Kerkerhaft und Unsicherheit. In diesem dritten Abschnitt schildert er auch das Kriegs ende, den Zusammenbruch und die leidvolle Zeit der russischen Besetzung. An Beispielen wird so richtig vor Augen gestellt, wie sehr die Bevölkerung des Mühl viertels unter Willkür und Grausamkeit zu leiden hatte. Obwohl Blöchl sich 1938 fest entschlossen hatte, nie mehr in der Politik aktiv zu werden und seine Familie jemals wieder allein zu lassen, entzog er sich nicht der Verantwortung, als man ihn eindringlich ersuchte, das Amt eines Staatsbeauftragten für das Mühlviertel zu übernehmen. Erstes Ziel der Zivilverwaltung war, die Sicherheit wieder herzustellen. Viele Anekdoten wissen von den Verhandlungen Blöchls mit der russischen Besatzungsmacht zu erzählen. Aus seinem Buch erfährt man mehr die Ereignisse, wenngleich da und dort auch sein trockener Humor spürbar wird. Über den Aufbau, die ständigen Bemühungen und Schritte zur Zusam menführung des oberösterreichischen Landes nördlich und südlich der Donau erfährt man in den ersten Kapiteln des vierten Abschnittes. Im weiteren schildert er seine Arbeit als Agrarreferent und Landwirtschafts kammerpräsident. Eine kritische Auseinandersetzung mit der jüngsten Entwicklung der Landwirtschaft beschließt das Buch.
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