Lassen wir nun die Bauernaufstände, von der uns die Geschichte erzählt, in aller Kürze Revue passieren. Ein düsteres Vorspiel für die lange Reihe der Revolten im Abendland: die Sklavenkriege der Antike (135—132 v. Chr. und 103—99 v. Chr.). Schauplatz: Sizilien und Süditalien. Hier handelte es sich freilich nicht um Bauernaufstände im engeren Sinn. Das Bauerntum war in jenen Ge genden längst durch die Latifundien erdrückt worden, es war, an Kriegsdiensten ausgeblutet xmd entnervt, schließlich vom Lande weg und in die Metropole abgewandert, wo seine Nach fahren jene unruhige, entwurzelte und unver schämte Masse bildeten, die — für jede Partei käuflich geworden — nur noch durch Geschenke, pane et circensibus, im Schach zu halten war. Auf den verwaisten Äckern waren nun andere tätig: die zahllosen Kriegsgefangenen, die Rom in aller Welt gemacht hatte, und deren Kinder und Kindeskinder, wahre Verdammte dieser Erde, Sklaven, die nur als Sache gehandelt und behandelt wurden. Sie hatten in ihren Quartieren oft zu Tausenden zusammengepfercht, nicht sel ten in Ketten ihre Arbeit zu leisten, d. h. die ungeheuren Güter der Reichen und Reichsten zu bearbeiten. Ethnisch müssen sie aus einem selt samen Gemisch aller jener Nationen bestanden haben, mit denen Rom in kriegerische Konflikte verwickelt war, also aus der gesamten damals bekannten Welt. Explosionsartig entlud sich ihre Verzweiflung. Rudelweise entliefen sie plötzlich ihren Herren, wählten Anführer, sogenannte „Könige" aus ihren Reihen, schwollen zu einer Lawine an und ergossen sich verheerend über ganz Sizilien. Ihr Schicksal war freilich von vorn herein besiegelt. Gegen die geübten und diszipli nierten Legionen der Staatsmacht konnten die wilden Haufen nichts ausrichten. Sie wurden ge schlagen und ausgetilgt. Fünfzig Jahre später (73 v. Chr.) brach ein neuer und bei weitem gefährlicherer Aufstand aus. Seinen Anfang nahm er in der Gladiatorenschule von Capua, wo sich in einem hochspezialisierten, körperlich hochtrainierten Kader unter der Füh rerschaft des berühmten Spartacus eine seltsame Heilslehre gebildet hatte. Die Kunde von einem getischen Großreidi jenseits der Adria und des Balkangebirges (etwa im Raum des heutigen Banat), von einem gerechten König mit Namen Boerebista (90—44), von der moralischen Erhebimg und Wiedergeburt des bei den Geten gepflogenen Zalmenoxyskultes, diese zum Teil sicherlich rich tigen, zum Teil aber phantastisch ausgeschmück ten Berichte mußten unter den Gladiatoren eine ungeheure erwartungsvolle Erregung hervorgeru fen haben. So beschlossen sie, der herrschenden Ordnung, die sie ja doch nur auf schnellen Ver schleiß vor der sensationsgierigen Menge, auf frühen Tod und sinnloses Verderben program miert hatte, in einem heroischen Ausbruch zu entkommen. An Zulauf fehlte es ihnen nicht. Sie setzten sich vorerst am Fuße des Vesuvs fest, nahmen dann Lukanien ein, erfochten etliche erstaunliche Siege gegen die römischen Heere und hatten schließlich 70.000 Menschen zum lan gen Marsch in das Reich des Boerebista gesam melt. Doch — wie so oft in solchen Fällen — gereichte ihnen eben ihre Massenhaftigkeit zum Verderben. Sie liefen in die ihnen aufgerichteten Fallen, erlagen den Strapazen und wurden schließlich von Pompeius in einem gräßlichen Strafgericht vernichtet (71 v. Chr.). Zwei oder drei Menschenalter später (und nadi dem Maßstab, nach dem wir in diesem Versuch Geschichte behandeln müssen), also fast zu glei cher Zeit, wird aus einem ganz anderen Teil der Welt eine revolutionäre Bewegung gemeldet, aus China. Hier liegt die Macht in den Händen der WangDynastie. Sie ist noch nicht lange am Ruder. Ihr bedeutendster Vertreter Wang-Meng versucht, der allgemeinen sozialen Notlage Herr zu wer den. Er führt Reformen ein, die die Verschuldung der Bauernschaft an den Feudaladel und Groß grundbesitz lindern sollen; er sucht den Einfluß der lokalen Herren zu brechen, indem er für Salz, Wein und eiserne Geräte ein Staatsmonopol er richtet. Er gibt auch neue Münzen zu Gunsten der Armen, zu Lasten der Reichen heraus. Doch das System bewährt sich nicht. An die Stelle der Ausbeutung durch die einzelnen Grundherren — eine Ausbeutung, die sicher örtlich schwankte —
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