OÖ. Heimatblätter 1975, 29. Jahrgang, Heft 1/2

1945 - Oberösterreich eine Woche Kriegsschauplatz Von Harry S 1a p nii c k a Mit 1 Kartenskizze Nachdem Oberösterreich zw~schen dem 25. Juli 1944 und dem 27. April 1945 Kriegisschauplatz im Rahmen des Luftkrieges geworden. war1 und vor allem die Städte, Eiisenbahnknotenpunkte und die Industrieanlagen schwer in Mit1eidenschaft gezogen werden, beginnt zwei Tage nach dem letzten Luftangriff auf Linz der Krieg zu Lande, der eine Woche später, am 6. Mai 1945 mit der Besetzung von 9/10 von Oberösterreich endet. Lediglich Tei'le des unter,en Mühlviertels werden bis zum Inkrafttreten des Waffenstillstandes am 9. Mai um 1 Uhr weder von Amerikanern noch von Russen betreten. Russische Truppen besetzen zu di.esem Ze~tpunkt kein oberösterreichisches Gebiet. Man muß sich jedoch vergegenwärtigen, daß diese militärische Besetzung Oberöstenieichs zu einem Zeitpunkt erfolgt, da der Zweite Weltkrieg in seine allerletzte Phase tritt und daß prakti.sch auch schon ganz Deutschland .iin den Grenzen vor 1938 besetzt ist. Am 4. April war im Osten Preßburg und im Westen Karlsruhe gefallen, wenig später beginnt der russische Angriff gegen W1en, der am 13. April abgeschlossen ist. Zwei Tage ·später ist St. Pölten in russischer Hand und am 16. April beginnt die russische GroßoffenS'ive gegen Berlin, das ab dem 25. April vollkommen eingeschlossen ist und am 2. Mai kapituliert - vor dem eingeschlos,senen Breslau übrigens, das erst am 6. Mai die Waffen streckt. Inzwi-schen hatten die Amerikaner am 18. April Magdeburg erreicht, die Engländer am 19. Apriil die Elbe bei Lauenburg. Am selben Tag waren die Amerikaner in Leipzig, am darauffolgenden in Nürnberg eingezogen. Am 25. April hatten -sich Amerikaner und Russen bei Torgau die Hände gereicht, am 26. April di-e Russen Brünn, die Engländer Bremen genommen2 . Das also rst der fast aLs apokalyptisch anmutende Hintergrund, vor dem der Angriff gegen Oberösterreich erfolgt. Es gibt aber weitere gewichtige Erscheinungen, die das nahe Kriegsende unweigerlich erscheinen lass,en: am 27. April war in Wien die provisorische österreichi!sche Regierung gebildet worden3 ; am Tag, da die Amerikaner das Mühlviertel betraten, war in Norditalien Mussolini erschossen worden. Am selben Tag kapitulierten die 25 DiVlis10nen der Heeresgruppe C in ItaHen. Am 30. April hatte Hitler Selbstmord begangen und Großadmiral Dönitz wird für einige Tage Staatschef. Am 3. Mai trafen sich am Brenner aus Italien und aus Tirol kommende Amerikaner, am 4. Mai kapitulierten die deutschen Streitkräfte in den Niederlanden und in Norddeutschland, dann auch d1e Heeresgruppe G (Nordalpen) in Haar bei München. Am 5. Mai, am Tag, da die Amerikaner Linz betraten, beginnt der Volkisaufstand in Prag und Dönitz befiehlt die Ei.nistellung des U-Boot-Krieges. Am 6. Mai, als dre Besetzung Oberösterreichs zu Ende geht, beginnt der russische Großangriff gegen General Schörnel"S Heeresgruppe Mitte, die auf Böhmen und Teile Mährens zusammengedrängt ist. Am •selben Tag bes·etzen die Russen Olmütz, d!ie Amerikaner Pilsen. Auch fällt, Wie schon erwähnt, Bresfau. Am 7. Mai folgt dann die Gesamtkapitulation der deutschen Wehrmacht. überraschender Vorstoß nach Linz Wenn auch der Vorstoß der Amerikaner nach Oberös•terreich im großen und ganzen in ähnlicher Weise und in gleichen Stroßrichtungen erfolgt, wie der der Franzosen 1800 oder 1804 oder der der deutschen Wehrmacht bei ihrem Einmarsch in Österreich im März 1938, in einer Variante unterscheidet er sich deutlich: der erste und rascheste Vors,toß - gewiß nicht der stärkste - erfolgt über und quer durch das Mühlvi·ertel. In den letzten März-Tagen des Jahres 1945 stellt Eisenhower, der über die Spannungen innerhalb der Alliierten nach der Konferenz von Jalta nicht informiert ist, seine militärische Planung für die letzte Phase des Krieges in Europa fertig: rascher Vorstoß in genau ostwärtiger Richtung, also etwa von Frankfurt bis Leipzig, um das Res•tDeutschland in zwei Teile zu zerreißen; dann 1 Richard Kutschera, Die Fliegerangri.ffe auf Linz im zweiten Weltkrieg. Hist. Jb. der Stadt Linz 1966, Linz 1967, 199- 348. - Johann Ulrich, Der Luftkrieg über Österreich 1939-1945, Wien 1967. 2 Andl'eas Hillgruber u. Gerhard Hümmelchen, Chronik des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt 1966. 3 Ludwig ]edlicka, Die letzte Kriegsphase. In: Österreich - Die Zweite Republik. Band 1, Wien 1972, 129-145. 83

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