OÖ. Heimatblätter 1975, 29. Jahrgang, Heft 1/2

ca. 1300 Jahre unter der Walderde lagen und in dieser langen Zeit alle Feuchtigkeits- und Frostangriffe mitmachen mußten. Trotzdem gaben sie sofort nach dem Ausgraben einen metallischen Klang. Die Ziegel waren auch sehr gleichmäßig gebrannt und sehr selten zuwenig oder zuviel gebrannt. Von den Erzeugnissen sind besonders zwei mit Schrift- und merkwürdigen Zeichen bedeckte Kämpferplatten interessant. Rath vermutete neben römischer Kursive germanische Runenzeichen. Aber Professor Dr. Gaheis6 hielt es für ausgeschlossen, daß sich ein römischer Offizier neben einen germanischen Söldner hinhockt, um einen zum Trocknen ausgelegten Lehmziegel zu bekritzeln. Die Übersetzung der lateinischen Kursive lautet: ,,Dem Herrn Wurstmacher Vic-torianus einen Gruß! Bald wirst Du meinen Brief erhalten, wie wir beschlossen haben. Du wirst meinen Brief hinnehmen zu Deinem Glück und dann wirst Du samt der Livia verrecken!" Nach diesem Inhalt ist Gaheis sicher, daß es sich hier um eine Fluchtafel in Form eines Fluchbriefes handelt, den der Schreiber an den Wurstmacher und seine ungetreue Livia richtete und darunter magische Zeichen setzte, welche die beiden den Dämonen des Feuers ausliefern sollten, da ja auch der getrocknete Ziegel gebrannt werden mußte. Daß es sich bei den vermuteten Runen nicht um lesbare Schriftzeichen handelt, zeigen schon vier gleichartige Zeichen nebenein62 ander, weil es keine Sprache gibt, in der vier gleiche Laute aufeinanderfolgen. Drei weitere Ziegel zeigten auch Fragmente der VRSICINUS-Marke (siehe Abb. 3), wodurch erwiesen ist, daß das Kastell und der Ziegelofen zum Kommandobereich des Dux Pannoniae primae et Norici ripensis (Heerführer von Pannonien I und Ufernoricum) gehörte. Und der Heerführer unter Valentinian 1. hieß Ursicinus. Die Lage des Kastelles gestattete es übrigens, sich in die optische Signallinie (bei Tag Rauchzeichen, bei Nacht Feuerzeichen) zur Überwachung des Donaulimes einzubinden, weil das Kastell Sicht zur Signalstation Ottensheim hatte, von wo Verbindung mit dem Burgstall bei Pösting donauaufwärts und mit der Specula im Kürnberg donauabwärts bestand. Ein Gipsmodell des Ziegelofens kam in das Landesmuseum. Das Kastell scheint auch nach dem Abzug der Römer noch benützt worden zu sein, weil ein völkerwanderungszeitlicher Backofen an der Nordwestecke des Kastells bei der Ausgrabung festgestellt werden konnte, wie auf Abb. 4 ersichtlich. Die Grabungsstelle wurde im Spätherbst 1935 wieder zugeschüttet. 6 Alexander Gaheis: Ein antiker Zauberbrief; Tagespost v. 10. August 1939.

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