OÖ. Heimatblätter 1975, 29. Jahrgang, Heft 1/2

Göllerichs. Sehr bald stellte er als erster ein Werkverzeichnis Liszts zusammen, das ihm vor allem seitens der Fürstin Wittgenstein und Cosima Wagners gedankt wurde. 1887 ging Göllerich auf Einladung des russischen Gutsbesitzers und Mäzens Pavel Sorokoumowsky nach Moskau26 . Noch hatte er seinen eigentlichen Weg nicht gefunden, noch tastete er zwischen Virtuosenlaufbahn, Musikschriftstellertum und Musikpädagogik. Zwar schrieb er für Philipp Reclam jun. den zweiten Teil der von Ludwig Nohl begonnenen Liszt-Biographie27 , aber gleichzeitig reiste er nach Rußland und konzertierte in einigen Städten. 1888 kehrte er von Moskau nach Wien zurück und stieß endgültig zum Freundeskreis Anton Bruckners. An dieser Stelle sei auf die enge menschliche und künstlerische Bindung Göllerichs zu Bruckner hingewiesen, die aus Briefen Bruckners an Göllerich ersichtlich ist28 . Diese Beziehung war durch das freundschaftliche Verhältnis Göllerichs sen. zum Florianer Meister vorbereitet worden. Hieraus ist wohl auch zu erklären, daß Bruckner Göllerich zu seinem ersten Biographen bestimmte. Dies entnehmen wir einem Brief Bruckners an Göllerich (Wien, 11. Mai 1891)29 , in dem er schreibt: 11 • •• daß du mein berufener authorisierter Biograf bist, versteht sich ja von selbst." Daß Bruckner Göllerich sehr ins Herz geschlossen hatte, vermittelt uns ein anderer Brief aus dem Jahr 1891, an August Göllerich in Nürnberg gerichtet. Dieser Brief (bei Göllerich, Bd. I, S. 35, abgedruckt) kam im Original erst vor kurzer Zeit zum Vorschein, von seinem Besitzer, Dr. Rudolf Ernst (Linz/Urfahr), dem Verfasser zur Verfügung gestellt. Genauso wie Göllerich sich um die Verbreitung und das Verständnis der Werke Liszts bemühte, setzte er sich auch für Anton Bruckner schon zu dessen Lebzeiten ein, so daß Ernst Kurth in seiner Bruckner-Biographie urteilte: ,,.. . er [Göllerich] war die reinste Apostelgestalt und wirkte Jahrzehnte hingebungsvoll für Bruckner30 ." So gewann Göllerich für Bruckner bei Hugo Wolf Verständnis, der dann als erster Schaffender selbst vehement für Bruckner eintrat31 . Auch August Stradal bekannte sich zum Bruckner-Kreis in einer Zeit, da der Meister 42 noch ohne eigentliche Anerkennung in Wien sein Dasein fristete. Daß Göllerich allenthalben befruchtend auf Bruckner einwirkte, ist daraus zu ersehen, daß Bruckner erst durch Göllerich die letzten Streichquartette Beethovens kennenlernte32 . Viele Informationen, die wir heute über Bruckner besitzen, stammen aus der Feder Göllerichs. Es ist richtig, daß der Meister seinen Werdeund Schaffensgang bis in alle Einzelheiten Göllerich diktierte, und dieser seine Kenntnis in seiner Bruckner-Biographie getreulich niederlegte. Einige dieser Notizhefte zur Bruckner-Biographie Göllerichs befinden sich im Nachlaß Göllerichs und harren noch der wissenschaftlichen Auswer26 In den Akten von Frau Franziska Göllerich, Hildesheim, fand sich u. a. ein Brief Göllerichs an seine damals siebzigjährige Mutter vom 23. Januar 1888 aus Moskau. Darin ist gegen Schluß ein Zitat aus der ,,Neuen Zeitschrift für Musik" (21. 12. 1887, Nr. 51) zu lesen, das interessehalber hier wiedergegeben sei: „Auch dem wilden ,Osten' werden die Segnungen der milden Cultur, welche die Musik ausübt, immer mehr zu Teil. Sogar über Gratisconcerte wird von dort berichtet, und zwar aus Wladikawkas im Kaukasus. Herr August Göllerich, der letzte Secretär Liszt's, ist Veranstalter derselben. Dass er neben Bach, Beethoven und Schumann etc. in diesen Concerten auch besonders seinen Meister Liszt zu Worte kommen läßt, ist bei ihm selbstverständlich. Jedenfalls verdient sein edles Wirken volle Anerkennung." 27 August Göllerich: Musiker-Biographien/ Liszt, zweiter Teil (1. Teil v. L. Nohl). Universal-Bibliothek, Leipzig 1888. Außer den bereits erwähnten „LisztErinnerungen" (s. Anm. 20) lieferte Göllerich wichtige Beiträge zur Liszt-Forschung, so: ,,Vollständiges Verzeichnis Liszt's sämtlicher musikalischer Werke und Übersicht der bedeutendsten Dichter und Dichtungen, welche Liszt komponiert hat, nebst Angaben der Werke, mit denen Liszt diese Dichter in Tönnen verklärte". In: ZfM, 1887 - 1889, ,,Zum Erscheinen von Lina Ramanns großer Liszt-Biographie ,Franz Liszt als Künstler und Mensch'". In: Musikalische Chronik, 1888, ,,Aus meinem Liszt-Tagebuche". In: Ostdeutsche Rundschau, 1890. 28 Vgl. August Göllerich: Anton Bruckner. Ein Lebensund Schaffensbild. Nach dessen Tod ergänzt und hrsg. von Max Auer. Regensburg 1922-1937. Reprint Regensburg 1974. 29 Im Privatbesitz von Hugo Rabitsch, Linz. - Vgl. Max Auer: Anton Bruckner. Sein Leben und Werk. 6. Aufl., Wien o. J., S. 309. 30 Ernst Kurth: Bruckner, S. 1316. 31 Vgl. Auer, Bruckner, S. 404 u. 416. 32 Vgl. Auer, Bruckner, S. 310 f.

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