OÖ. Heimatblätter 1975, 29. Jahrgang, Heft 1/2

Österreich stammte19 . Toni Raab - sie soll Göllerich im Klavierspiel unterwiesen haben20 - war es nun, die Göllerich im April des Jahres 1884 in Wien Liszt vorstellte. Der dreiundzwanzigjährige Göllerich war von der Begegnung mit dem patriarchalischen Liszt so ergriffen, daß er kaum zu sprechen wagte. Er stammelte nur etwas von dem „großen Augenblick, auf den er schon so lange gewartet habe und von der tiefen Zuneigung, die ihn zum Meister erfaßt hätte21 ." Liszt hatte die Begabung Göllerichs schnell erkannt und lud ihn alsbald nach Weimar ein, wo Liszt seinen ständigen Sitz hatte. Göllerich nahm sofort diese ehrenhafte Berufung an und wurde Schüler Liszts. Liszt schätzte ihn. Einerseits besaß Göllerich genügend Bildung und Wissen, die es Liszt möglich machten, mit ihm Gespräche auf seiner ihm eigenen geistvollen Ebene zu führen; andererseits dürfte Göllerich ein sehr guter Pianist gewesen sein, wenn man diesbezügliche Äußerungen Liszts nicht nur als schnell hingeworfene Lobesfloskeln verstehen will. So meinte Liszt bei der Klavierinterpretation des „Hamlet"22 durch Göllerich: ,,Der Kerl spielt das, als hätt' er's selbst geschrieben23 ." Es stand also nichts im Wege, daß Liszt Göllerich auch zu seinem Sekretär machte, ihm Bearbeitungen auftrug oder neue Kompositionen für den Druck vorbereiten ließ. 1885 schrieb Göllerich seiner Mutter, daß er sich entschlossen habe, den Meister in alle jene Städte zu begleiten, in denen dieser seine Lehrtätigkeit ausüben werde. Damit war die endgültige Hinwendung Göllerichs zur Musik vollzogen. Ein Bild Göllerichs nach einer photographischen Aufnahme aus diesem Jahr wurde bereits in den Oö. Heimatblättern (siehe Anm. 19) veröffentlicht. In den letzten Lebensjahren hatte Liszt seine Unterrichtstätigkeit auf das Städtedreieck Weimar, Rom und Budapest eingeschränkt (abgesehen von den obligaten Reisen zu Tonkünstlerfesten und Abschiedskonzerten in ganz Europa). Mit nur wenigen Unterbrechungen begleitete Göllerich seinen Meister. Da Liszt vierzig Jahre hindurch nie einen Geldbetrag für seine Unterrichtsstunden entgegennahm und diese Gepflogenheit auch auf Göllerich übertrug, konnte dieser seinen Unterhalt ohne besonderen finanziellen Aufwand bestreiten. Es gab wenige Schüler, die Liszt so sehr ins Vertrauen zog wie Göllerich. In den Tagen vor dem Hinscheiden des Meisters mußte Göllerich Liszt immer wieder vorlesen und mit ihm Gespräche führen. In der Stunde des Ablebens Liszts war er - allein mit Cosima Wagner - anwesend. Die Tagebücher der letzten drei Lebensjahre Liszts geben über die Zusammenarbeit Liszts und Göllerichs deutlich Aufschluß24 • Am Leichenbegängnis Liszts traf Göllerich mit Anton Bruckner zusammen, den der Tod Liszts schwer erschütterte25 . Vielleicht war es diese Begegnung, die Bruckner und Göllerich enger zusammenführte. Nach Liszts Tod wurde das Vermächtnis des Weimarer Meisters und das Wirken für Anton Bruckner zur Lebensaufgabe August 19 Näheres über Lebensdaten, Ausbildung und pianistische Tätigkeit Antonia Raabs siehe Wilhelm Jerger: August Göllerich, .Schüler und Interpret von Franz Liszt. In: OÖ. Heimatblätter, Jg. 26, Linz 1972, 5. 24 f. 20 Vgl. Max Auer: August Göllerichs Beziehungen zu Anton Bruckner. In: Gisela Göllerich (Hrsg.): In memoriam August Göllerich. Linz 1928. 5. 8. - Die ,,Neue Musikalische Presse", Zeitschrift f. Musik, Theater, Kunst, Sänger- u. Vereinswesen, VII. Jg., Nr. 13, Wien 27. März 1898, bringt auf den Seiten 1 und 2 einen Artikel „August Göllerich und das Bruckner-Fest in Linz" von II. (= Carl Kratochwill), in dem es heißt: ,,Als er einst von Linz auf Ferien heimkehrte, weilte in Wels die bekannte Liszt-Schülerin Toni Raab, die täglich mit Göllerich die schwierigsten Werke spielte und über seine musikalischen Anlagen, namentlich sein prima vista-,Spiel so erstaunt war, daß sie die Eltern ordentlich beschwor, den Knaben doch der Musik als Lebensberuf widmen zu lassen. Sie versprach, denselben als Schüler zu Liszt nach Pest bringen zu wollen." 21 Siehe (Palma Paszthory]: August Göllerich. Lebensbild eines tatkräftigen Idealisten. Linz 1927. ~ 2 Felix Raabe: Verzeichnis aller Werke Liszts nach Gruppen geordnet. In: Peter Raabe: Franz Liszt. 2. ergänzte Auflage. Tutzing 1968. Nr. 421. 23 Zit. nach Göllerich, Erinnerungen ..., 5. 6. 24 Wilhelm Terger: Franz Liszts Klavierunterricht 1884 bis 1886, dargestellt an den Tagebuchaufzeichnungen von August Göllerich. Studien zur Musikgeschichte des 19. Jh., Bd. 39. Forschungsunternehmen der Fritz Thyssen Stiftung. Regensburg 1975. 25 Bruckner improvisierte beim Trauergottesdienst für Liszt auf der Orgel der Bayreuther Stadtpfarrkirche über Themen aus Wagn~r,s „P.ar,siJal". 41

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