OÖ. Heimatblätter 1975, 29. Jahrgang, Heft 1/2

Peteri grüßte die Dame neben .ihmj19 • Die Kompetenz des Oberösterreichers für das Deutsche wird wahrscheinlich immer vollkommener, da die überwiegende Zahl unserer Kommunikationsmittel mit der hochdeutschen Sprachform operiert. Andererseits wird die Zahl der nur für den Dialekt Kompetenten, wenn es solche überhaupt noch geben sollte, immer geringer. Der Oberösterreicher ist in der glücklichen oder vielleicht auch unglücklichen - je nach Standpunkt - Lage, über zwei Sprachformen zu verfügen, über die eine perfekt, über die andere fast-perfekt. Manche Einwohner dieses Bundeslandes beherrschen auch noch ziemlich gut eine Stadtmundart, wie zum Beispiel das Wienerische. Dieser Mehrbesitz an sprachlicher Kompetenz bringt es natürlich mit sich, daß es zu einer Art sprachlichem Ausgleich kommt. Alle betroffenen Sprachsysteme haben unter diesem Ausgleich in irgendeiner Form zu leiden. Welches Sprachsystem sozusagen hierbei am meisten „draufzahlt", wird von einer Vielzahl von Faktoren politischer, wirtschaftlicher, sozialer, psychischer Art, um nur einige zu nennen, geregelt. Das hochdeutsche Sprachsystem wird zu einer Art ,,österreichische Hochsprache" mit eigenständiger und vom Deutschen stark abweichender Intonation und Aussprache, aber auch mit speziellen lexikalischen und grammatischen Eigenheiten, umfunktioniert20 . Der ehemals reine Dialekt verliert vor allem sein „phonetisches Gesicht", das heißt, gewisse Lautungen geraten in Vergessenheit oder werden dem deutschen Lautbild etwas angeglichen, bestimmte Wörter werden ganz aufgegeben21 . Relativ wenig ereignet sich bei der Umgestaltung dialektaler syntaktischer Strukturen22 . Dasselbe gilt übrigens auch für die hochdeutsche Sprache. Das ziemlich unterschiedliche Gegenüber dialektaler und hochsprachlicher Syntax wird also auch weiterhin die crux für den Deutschunterricht an unseren Schulen bleiben. Meine Beschreibung des oö. Artikelsystems berücksichtigt nur die dialektalen Verhältnisse. Daß Sprecher, die über zwei Sprachsysteme verfügen, sich nicht nur an das von mir weiter unten genau beschriebene Artikelsystem halten, versteht sich von selbst. Ich habe dem dialektalen Artikelsystem deshalb meine Aufmerksamkeit gewidmet, weil bisher überhaupt nicht bekannt war, wie dieses Artikelsystem aufgebaut ist und funktioniert. Wir, die wir uns tagtäglich dieses hochkomplizierten Systems bedienen, wußten nichts von seiner Beschaffenheit, weil wir es immer als eine defekte und unvollkommene Form des deutschen Artikelsystems ansahen. Man ist noch nie auf den Gedanken gekommen, dieses dialektale Artikelsystem für sich allein zu betrachten und zu bewerten. Mit meinem Beitrag möchte ich dies tun. * Im folgenden Hauptteil meines Beitrages analysiere ich das Artikelsystem des oberösterreichischen Dialektes unter modern-linguistischen Gesichtspunkten23 . Der in Oberösterreich gesprochene Dialekt besitzt ebenso wie das Hochdeutsche die grammatische Kategorie des bestimmten und unbestimmten Artikels, eine Kategorie, die beispielsweise das klassische Latein nicht kannte. In meiner strukturlinguistischen Analyse werde ich nur das System des bestimmten Artikels behandeln. Trotzdem ist es interessant, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß der oö. Dialekt im Gegensatz zum Deutschen weniger Formen des unbestimmten Artikels besitzt. Wenn man von den Kasusformen des unbestimmten Artikels absieht, zeigt sich, daß das Oö. mit einer einzigen Form 19 Die Indizierung mit i bedeutet, daß ihm sich auf Peter beziehen soll. 20 Vgl. hierzu die „Österreichischen Wörterbücher" und die Hinweise in Schulgrammatiken auf österr. Abweichungen von der deutschen Grammatik. 21 Bestimmte Nasalierungen fallen beispielsweise weg; manche Laute verlieren ihre mundartliche Färbung etc. Vgl. die großteils bereits aufgegebenen Wörter beitn ( = warten), nacht ( = gestern) usw. 22 Es wär,e zum Beispiel geradezu undenkbar, daß wir im Dialekt den bestimmten Artikel vor Vornamen oder Eigennamen weglassen: Hansi is kema (= Hansü ist gekommen); Fischer is kema ( = [Der] Fischer ist gekommen). Vor- oder Eigennamen ohne den bestimmten Artikel finden sich bei uns nur in der Kindersprache. 23 Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß es mir hier nicht um die geographische Abgrenzung gewisser Dialektphänomene geht - die übrigens noch völlig unerforscht ist im Fall des Artikelsystems - , sondern nur um die Betrachtung und Analyse eines Phänomens in einem Dialektraum, in dem sich dieses Phänomen mit Sicherheit f.eststellen läßt. 31

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