Man staunte über die enormen Maße der Äste. Ein Hauptast war in einer Höhe von acht Metern durchsägt. Die Schnittstelle zeigte im Holz einen Durchmesser von 110 cm. Immer wieder war damals die Rede, wie alt dieser Riesenbaum wirklich war, ob tausendjährig oder nicht. Man kann das Alter eines Baumes an den Jahresringen des Stammes abzählen, sobald dieser Baum gefällt wurde. Doch sind die Jahresringe nur bei den ringporigen Laubhölzern Eiche, Ulme, Esche, Edelkastanie und Robinie so deutlich, weil bei diesen das im Frühling gebildete Holz heller und dünnwandiger als das Herbstholz ist. Die oben erwähnte Querschnittsfläche vom Durchmesser = 110 cm ermöglichte mir eine genaue Auszählung der Jahresringe. Der erste Jahresring führte auf das Jahr 1664 zurück. Dies mußte also jenes Jahr gewesen sein, in dem der später so gewaltig große Ast als dünnes Zweiglein die Höhe von etwa acht Metern über dem Erdboden erreicht hatte. über das Altersverhältnis zum Stamm kann damit nichts ausgesagt werden. Doch erlaubte die genaue Erhebung der Jahresringe sowohl eine gute, wenn auch grobe übersieht über die Stärke der Jahresringe in den letzten 300 Jahren, als auch einen überblick über den Wechsel der Wuchsfreudigkeit, die erfahrungsgemäß in erster Linie von der jährlichen Niederschlagsmenge abhängig ist. Für eine Beurteilung des Verlaufs der Breite der Jahresringe standen mir die Werte der in der Deutschen Bundesrepublik erhobenen Werte der Eichen-Standardkurve für die Zeit 832 bis 1963 zur Verfügung, dazu noch eigene Studien über mehrhundertjährige Eichen, die im Mailberger Wald des Malteser Ritterordens geschlägert worden waren. Die Werte der Standardkurve, die mir freundlicherweise Frau Veronika GiertzSiebenlist, München, besorgt hatte, zeigen für die Zeit ab 1665 eine Breite von 1,3 mm bis 1,7 mm. Dies entspricht ungefähr auch den Werten der Clamer Eiche, doch nicht für das ganze achtzehnte Jahrhundert. In diesem war die jährliche Breite durchschnittlich 2,6 mm. Die Mailberger Eichen aber hatten mit ihren Jahresringen, die bis 1840 zurückführten, Breiten meist zwischen 3,5 bis 5,0 mm. Eichen sind eben in ihrem ersten Jahrhundert noch viel frohwüchsi100 ger. Zum Beispiel steht in Freistadt beim Linzer Tor die Jubiläumseiche, gesetzt im Jahre 1908. Sie hat derzeit einen Durchmesser in Brusthöhe von 70 cm, was auf eine Breite der Jahresringe von nahezu 5 mm schließen läßt. Bei der nunmehrigen Kapelle ist der Stammumfang in Brusthöhe 7,50 Meter. Daraus ergibt sich für eine beiläufige Berechnung des Baumalters ein Halbmesser von 1200 mm. Wenn man für das erste Lebensjahrhundert eine jährliche Jahresringbreite von 4 mm annimmt, bleiben für die restliche Berechnung 800 mm. Diese weisen bei Annahme einer Durchschnittsbr~ite von 1,6 mm auf ein Alter von 500 Jahren hin. Das würde dann unter Zurechnung der ersten 100 Jahre ein Alter von zusammen 600 Jahren ergeben, somit auf ein Anfangsjahr um 1370 hinweisen. Wenn wir alte Baumriesen als Naturdenkmäler erklären und sie als solche schützen, müssen wir zugleich damit rechnen, daß sie in absehbarer Zeit zusammenbrechen werden. Wenn wir weiterhin immer wieder andere alte Bäume als solche Denkmäler der Natur bezeichnen wollen, um uns an ihrer Schönheit zu freuen und uns an ihrer Ehrwürdigkeit zu erbauen, müssen wir schon die achtzigjährigen schützen oder gar schon die vierzigjährigen. So schlecht ist die Gesinnung der heutigen materialistischen Welt, die nur den Nutzwert gelten lassen will. Naturschutz soll kein Zeitgeist sein, der stets verneint, der die Natur nur durch strenges Bewahren erhalten will. So, wie die Natur ein ständiges Werden und Vergehen ist, wird der Naturschutz bisweilen schon beim Werden einsetzen müssen. Was in späteren Jahrhunderten ein bewunderter Baumriese sein soll, das müssen wir zum Teil schon heute planen. Man sollte künftig Bäume aus den verschiedensten Anlässen pflanzen. Es ist besser, wenn man einen Baum zum Gedenken pflanzt und dazu einen Inschriftstein setzt (wie z. B. in Vöcklabruck 1974 anläßlich des Stelzhamer-Gedenkjahres), als daß man etwa bei der Eröffnung einer großen Brücke oder eines Autobahnstückes nur ein Band durchschneidet. Vor 300 Jahren hatte man zum Gedenken an das Frankenburger Würfelspiel eine Linde gepflanzt. Diese berühmte Haushamer Linde ist in diesem Jahrhundert einge-
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