OÖ. Heimatblätter 1974, 28. Jahrgang, Heft 1/2

Wer kennt schon die bedeutenden Köpfe der jüdischen Intelligenz, die zur Avantgarde der liberal-demokrati schen Bewegung zählten und mit ihren fortschrittlichen Ideen der radikalen Emanzipation und Assimilation in Gegensatz zur Masse ihrer eigenen orthodox-konservati ven Volksgenossen gerieten? Wer weiß etwa vom jüdi schen Sekundararzt am Allgemeinen Krankenhaus, Adolf Fischhof, mehr, als daß er am 13. März 1848 im nieder österreichischen Landhaus eine zündende Ansprache hielt, während er doch weit darüber hinaus ein scharfsinniger Staatsdenker war, der in Reden und Schriften bereits in den 60er Jahren ein großartiges Programm zur Lösung des österreichisdien Nationalitätenproblems auf Grund lage einer Kulturautonomie entwickelte? Hat auch nur der Durchschnitt unserer Geschichtslehrer Einblick in Ursprung, Hintergründe und Ausmaße des hemmungs losen Antisemitismus von 1848, der den mörderischen Wahnwitz des 20. Jahrhunderts bereits größtenteils vor wegnahm — wenn auch vorderhand „nur" auf dem Papier? Es macht den hohen Wert dieser Veröffentlichung — und der Eisenstädter Ausstellung — aus, daß damit erstmals das bürgerliche Sturmjahr unter dem Aspekt des jüdi schen Schicksals für einen breiteren Kreis ins Blickfeld gerückt wird. Der schlichte Band mit seinem mäßigen Umfang ist so ein verdienstvoller Beitrag zur immer noch fälligen geschichtlichen Gewissenserforschung und zur geistigen Wiedergutmachung, und beide gehen nicht nur den Historiker an! Josef Krims Burgenländisdtes Jahrbuch für ein Land und seine Freunde, Ausgabe 1974. Hrsg. von Hans Rosnak. Eisen stadt 1974, 136 Seiten, 24 Schwarzweiß- und 4 Farbtafeln, zahlreiche Zeichnungen. Wie das Jahrbuch 1973 kann auch dieser Band auf Grund seiner vorzüglichen Redigierung als wertvolles Instru ment zur Aufklärung der Bevölkerung in der Beachtung, der Pflege und der sinnvollen Weiterentwicklung der heimischen Kultur sowie in den Fragen des Denkmalund Landschaftsschutzes allen mit einschlägigen Arbeiten Befaßten nachdrüddichst empfohlen werden. Intensiver als andere Bundesländer wurde das Burgenland vom sogenannten kulturellen Nachholbedarf mit manchmal recht zweifelhaften Auswirkungen und dem Streben nach möglichster Attraktivität zur Anlockung des Fremden verkehrs betroffen, die Landesregierung und Heimat pfleger zu gemeinsamer Arbeit in der Abwehr nichtwiedergutzumachender Fehlentwicklungen zusammengeführt haben. Außer den anschaulichen Beispielen und Gegen beispielen zu diesen Themen enthält der Band auch dies mal wieder ausgezeichnete volkskundliche und kunst historische Dokumentationen. Ernst Burgstaller Clusius-Festsdirift anläßlich der 400jährigen Wiederkehr der wissenschaftlichen Tätigkeit von Carolus Clusius (Charles de l'Escluse) im pannonischen Raum (= Burgenländische Forschungen, hrsg. v. Bgld. Landesarchiv, Sonderheft V). Eisenstadt 1973, 309 Seiten mit vielen Abbildungen. Mit diesem Band wird das Auftreten des Niederländers Glusius vor 400 Jahren im Bereich des heutigen Burgen landes gewürdigt. Clusius war u. a. Hofbotaniker, schuf das erste Pilzwerk der Welt, beschäftigte sich viel mit römischen Inschriften und machte sich auch als Karto graph einen Namen. Stephan Aumüller legt in dieser Gedächtnisschrift eine umfangreiche Bibliographie und Ikonographie vor, in- und ausländische Fachleute würdi gen seine verschiedenen Leistungen vor allem auf dem Gebiet der damaligen Naturwissenschaften. Elfriede Crabner, die sich schon durch zahlreiche Veröifentlichungen auf dem Gebiet der Volksmedizin ausgezeichnet hat, legt eine ausführliche Spezialstudie über das „Drachen blut" als Heilmittel vor, über das Clusius in seiner „Spanischen Flora" berichtet. Die Aufnahme eines kurzen Lebensbildes des großen Naturforschers und Humanisten in diese Festschrift wäre sicher für manche ein wertvoller Behelf gewesen. D. Assmann 300 Jahre Karmeliten in Linz. Vorabdruck aus dem Hist. Jb. d. Stadt Linz 1973/74. Linz 1974, 175 Seiten, 16 Bild tafeln mit 25 Abb. S 98.—. Rechtzeitig zu den Feierlichkeiten des 300-Jahr-Jubiläums (25. September bis 15. Oktober 1974) des Linzer Karmelitenklosters erschien eine würdige Festschrift, die Ein blick in die wechselhaften Geschicke dieses Ordenshauses und seiner schönen Kirche in der Landstraße gibt. Rudolf Ardelt, der seinerzeit bereits die entsprechenden Bände der Linzer Regesten bearbeitet hat, legt eine ausgezeich nete Studie über die „Geschichte des Linzer Karmelitenkonvents" vor. In ihr besticht die Lebendigkeit der Darstellung genauso wie die präzise Formulierung, vor allem aber die Verbindung mit der Linzer Stadtgeschichte. P. Raimund Bruderhofer behandelt die „Kirchenfeste der Linzer Karmeliten in der Barockzeit". Das Skapulierfest, die erste große Verehrungswelle des hl. Joseph, das „Prager Jesulein", Feste bedeutender Ordensheiliger und vor allem die Marienverehrung haben tief in die Volks frömmigkeit gewirkt, und so stellt dieser Beitrag auch eine wichtige Arbeit für die Volksglaubensforschung dar. Unter dem Titel „300 Jahre Karmelitenkirche in Linz" gibt P. Leo Möstl eine gelungene Darstellung der Bau geschichte und eine ausführliche Beschreibung der Kirche, auf die sich auch die meisten Abbildungen beziehen. Diesem als Festschrift herausgegebenen Vorabdruck von Beiträgen des Historischen Jahrbuchs der Stadt Linz (Schriftleitung Wilhelm Rausch) wurde eine kurze Skizze zur Geschichte und Geistigkeit des Karmel von P. Suit bert H. Siedl vorangestellt, in der einige Phasen der Gründungsgeschichte und der besonderen Eigenart dieses Ordens dargelegt sind. D. A.

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