OÖ. Heimatblätter 1974, 28. Jahrgang, Heft 1/2

Die Orgeln der Stiftskirche Wilhering" Von Gerald K. Mitterschiffthaler Mit 5 Abbildungen Die Musikpflege der Zisterzienser in der Gründungszeit — Die erste Orgel in Wilhering — Die Orgel Paul Peuerls von 1619 — Der Neubau der Rokokokirdie und ihre erste Orgel — Die Chororgel, ein Meisterwerk von Nikolaus Rummel d. Ä. — Die neue Hauptorgel von Leopold Breinbauer — Die Orgel in der alten Studentenkapelle — Die Orgel in der neuen Studentenkapelle. Die Musikpflege der Zisterzienser in der Gründungszeit Die Zisterzienser pflegten in der Gründungszeit des Ordens in jeder Hinsicht große Einfachheit. Nicht nur der Lebensstil der Mönche, sondern auch die Kunst entbehrten des „Unnötigen". Jeglicher Schmuck, der Glanz des Goldes und des Marmors, die Vielfalt der Formen, die den Be tenden beim Gebet etwa stören könnten, waren verboten; Türme, Krypten, bunte Glasfenster, Bilder, Plastiken, verzierte Fußböden uam. waren nicht zugelassen. Diese Einfachheit begegnet uns auch im Buchschmuck, der sich auf Einfarbigkeit beschränkte; die Pracht der Bücher war als sträf liche Ausschweifimg verpönt^. Damit hatte man sich völlig gegen die Reformen von Cluny ge stellt, das bereits seinen Höhepunkt überschritten hatte. Die Rückkehr zur Buchstabentreue der Benediktinischen Regel fand ihren Niederschlag auch in der Liturgie und in der musikalischen Gesetz gebung. Abt Stephan Harding (1109—1134) regte die erste Choralreform an mit dem Bestreben, nur echte und authentische Melodien aus den Chorbüchern von Metz zu übernehmen. 1134 folgte unter Bernhard von Clairvaux eine zweite, die verschiedene Mängel der ersten zu beheben hatte. Die Choralmelodien wurden in einem für den ganzen Orden verbindlichen Nomalkodex zusammengefaßt^. Übertretungen beim liturgischen Gesang waren nicht gestattet; im Jahre 1217 wurde auf dem Generalkapitel eine Untersuchung darüber gefor dert, ob in den englischen Klöstern Dore und Tintern verbotenerweise (more saecularium) mehrstimmiger Gesang in Übung war'. Vernach lässigung und Mißachten der Vorschriften über den liturgischen Gesang hatten seit dem General kapitel des Jahres 1258 die Bestrafung des Sän gers zufolge*. — Daß bei all dieser Strenge und Einfachheit die Frage nach dem Gebrauch der Orgel im Gottesdienst ungestellt blieb, verwun dert kaum. Allmählich wurden die strengen Vorschriften ge mildert; manche vorschriftswidrigen Unterneh men wurden bereits ohne Erlaubnis des Vaterabtes oder des Generalkapitels durchgeführt. 1368 erteilte Abt Thomas von Morimund dem Abt von Altzelle in Sachsen die Erlaubnis, beim Gottes dienst in der Klosterkirche die Orgel zu ver wenden'. Erst beim Generalkapitel 1486 wurde dem Abt von Speciosa vallis (Schöntal in Würt temberg) gestattet, in der Klosterkirche eine Orgel zu errichten®. Diese Erlaubnis schien für alle Klöster des Zisterzienserordens Geltung ge- * Mit der Geschichte der Wilheringer Orgeln befaßte sich bereits 1934 der damalige Wilheringer Stifts archivar Dr. P. Gebhard Rath (Zur Geschichte der Wilheringer Orgeln, Linzer Volksblatt v. 27. 10. 1934). Auch die phil. Diss. von Rupert Mayr (Bei träge zur Entwicklungsgeschichte des Orgelbaues in Oberösterreich. Stiftskirchen und inkorporierte Pfar ren, Innsbruck 1953) behandelt kurz dieses Thema (S. 248—258). Auf den neuen Bildband „Orgeln in Österreich" von Alois Forer (Wien 1973) sei ebenfalls hingewiesen. — In meiner nun fast fünfjährigen Tätigkeit als Organist im Stift Wilhering war es mir ein Bedürfnis geworden, die Geschichte der Orgeln der Stiftskirche Wilhering anhand mehrerer wieder vorgefundener Quellen und neuer Literatur darzu stellen. Zu besonderem Dank bin ich meinem Lehrer, o. Prof. Dr. Hans Haselböck, weiters den Herren Univ.-Prof. Dr. Othmar Wessely und Ing. Egon Krauss sowie meinen Mitbrüdern Prof. Dr. P. Benno Hofer und Univ.-Prof. DDr. P. Gerhard Winkler ver pflichtet. * Hermann Rüttimann, Der Bau- und Kunstbetrieb der Cistercienser unter dem Einfluß der Ordensgesetz gebung im 12. und 13. Jahrhundert, phil. Diss. Frei burg (Cistercienserchronik 23, 1911), 122. ' Ludwig Lekai, Ambrosius Schneider, Geschichte und Wirken der Weißen Mönche (1958), 190 f. — Solutor Marosszeki, Les origines du chant Cistercien. (Analecta S.O.Cist. 8, 1952), 1—179. — Jacques-Paul Migne, Patrologia cursus completus, series latina. (Paris 1854—1855), 182, 1121—1132. ' Josephus Maria Canivez, Statuta Capitulorum Generalium Ordinis Cisterciensis ab anno 1116 ad annum 1786. (Louvain 1933—1941, Bd. 1), 472, Nr. 31. 1217. — Lekai — Schneider, a. a. O., 191. — Lekai—Schneider, a. a. O., 191. ® Eduard Beyer, Das Cistercienser-Stift und Kloster Alt-Zelle in dem Bistum Meißen (1855), 75, 620: 1419 wird der Bau von zwei Orgeln erwähnt. ' Cavinez V, 555, Nr. 89, 1486. — Lekai—Schneider, a. a. O., 191.

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