OÖ. Heimatblätter 1974, 28. Jahrgang, Heft 1/2

„Hochlöbliche, Hochverehrte philharmonische Gesellschaft!' Die Briefe Anton Bruckners an die Wiener Philharmoniker nebst einem unbekannten Brief an August Göllerich sen. Von Wilhelm J e r g e r Anton Bruckner wurde auf Veranlassung von Jo hann Herbeck im Jahre 1868 als Nachfolger sei nes berühmten Lehrers Simon Sechter zum Hof organisten in Wien bestellt; zugleich wurde er als Professor für Harmonielehre, Kontrapunkt und Orgelspiel an das Konservatorium berufen. Nach den im Besitz der Wiener Philharmoniker befindlichen Briefen kam Anton Bruckner zum erstenmal im Jahre 1873 mit dem Orchester in Berührung, und zwar anläßlich des von Bruckner veranstalteten Konzertes zur Weltausstellung. Er führte damals seine 1871/72 entstandene 2. Symphonie auf. Die Wiener Philharmoniker besitzen zehn Briefe von Anton Bruckner, die alle (mit Ausnahme des Briefes vom 25. November 1891) auf die Auf führung seiner Werke in Abonnementkonzerten der Wiener Philharmoniker oder anderen Ver anstaltungen, bei denen die Philharmoniker mit wirkten, Bezug haben. Das Musizieren mit ihnen im Jahre 1873 scheint auf Bruckner nachhaltigen Eindruck gemacht zu haben, denn in seinem ersten Brief vom 27. Oktober 1873 fragt Bruck ner, ob er den Philharmonikern seine 2. Sympho nie „dediciren" darf. Das aus unbekanntem Grunde sehr verspätete Antwortschreiben Hans Richters, dessen Entwurf im Archiv der Philhar moniker verwahrt wird, ist hier im Anschluß an den betreffenden Brief Anton Bruckners mit geteilt. Das ergreifendste Dokument ist wohl der Brief vom 13. Oktober 1875, die „Siebente" betreffend, deren Uraufführung unter Arthur Nikisch, dem ehemaligen Primgeiger der Wiener Philharmoniker, in Leipzig stattfand. Wermgleich die Wiener Philharmoniker zuweilen auch Bruck ner mißverstanden, so war ihr Verhältnis zu ihm ein loyaleres — schon durch den gemein samen Hofkapellendienst —, als dies mehrfach dargestellt wurde^. * Der erste der zehn Briefe Anton Bruckners an die Wiener Philharmoniker bezieht sich auf die Uraufführung der 2. Symphonie. Hochlöbliche, Hochverehrte philharmonische Gesellschaft! Wenn es mir auch, in meinem ganzen Lehen nie möglich sein wird, auch nur im entferntesten auszusprechen, noch viel weniger, Ihnen das ver gelten zu können, was Sie gestern mit dem voll sten Aufgehothe Ihrer höchsten Kunstleistungen, wo Sie sich womöglich seihst ühertroffen zu haben schienen, mir in liebenswürdigster Weise erwiesen haben, so kann ich doch unmöglich um hin, Ihnen wenigstens zu sagen, wie sehr ich das fühle, und wie lebhaft ich erkenne, welche Dan kespflicht mir obliegt. Nehmen Sie, meine Her ren, den tiefsten und gerührtesten Dank ent gegen, den ich Ihnen in größter Verehrung bringe, und entziehen Sie mir, ich bitte Sie sehr, in aller Zukunft Ihre unentbehrliche, unschätz bare Gewogenheit nicht. Noch eine Bitte habe ich am Herzen, nämlich das Werk seiner ursprünglichen Bestimmung zufüh ren zu können. Da jeder Vater für sein Kind den möglichst besten Platz sucht, so wird es mir kaum verargt werden, wenn ich ein Gleiches thue, und Sie bitte: Darf ich das Werk Ihnen dediciren ? Da es nirgends in bessere Hände kommen kann, als in die Ihrigen, so würde eine geneigte Ant wort mich sehr beglücken. Wien den 27. Oktober 1873. Anton Bruckner Zwei Jahre später antwortet Hans Richter: Sehr geehrter Herr! Die Mitglieder des k. k. Hofopern-Orchesters, beziehungsweise „Philharmoniker" stets erfüllt von ganz besonderer Achtung vor Ihrem bedeu tenden Compositionstalent, nehmen die dieser Körperschaft von Ihnen zugedachte Dedication Ihrer C-moll Symphonie mit wahrhaftem Ver gnügen an, und sind erfreut Gelegenheit zu fin den, Ihnen, sehr geehrter Herr, ihre wärmsten Sympathien hiemit kundzugeben. Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung zeichnet für das Comite Hans Richter Wien am 3. Oktober 1875 Seiner Wohlgeboren Herrn Anton Bruckner Professor am Conservatorium, k. k. Hof-Organist etc. etc. Wien. ' Vgl. Briefe an die Wiener Philharmoniker. Hrsg. von Wilhelm Jerger. Wien 1942.

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