Weihnachtsbrauchtum um 1930 im Raum um Mörschwang VonFritz Merwa1d Die bäuerliche Arbeit hat besonders nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weitgehende Ver änderungen erfahren, die vor allem durch die Mechanisierung und Technisierung der Land wirtschaft verursacht wurden. Es sind aber nicht allein die äußerlichen Umstellungen, wie der Er satz der Menschenkraft durch Traktor, Mäh drescher und andere technische Geräte, sondern vor allem die geistigen Wandlungen in der Ein stellung der bäuerlichen Bevölkerung zur Arbeit. Damit sind natürlich auch andere Voraussetzun gen für das Brauchtum gegeben, das entweder, nunmehr sinnentleert, abstirbt oder sich ent sprechend verändert. Manches davon hat sich aber auch erhalten, wie die umfangreichen Unter suchungen von E. Burgstaller* zeigen. Ich habe in den Jahren 1923 bis 1930 als Student einen Großteil der Ferien im Innviertier Bauerndorf Mörsch wang bei Obernberg am Iim verbracht. Weil ich selbst mitschaffend am Alltag des Bauern teilnahm, erlebte ich auch die vor 40, 45 Jahren noch zutiefst mit der geistigen Haltung des Landvolkes verbundenen Bräuche. Besonders aber meine Frau hat sie in ihrer Kindheit, die sie gleich falls in Mörschwang verbrachte, mit einer sehr wachen Anteilnahme miterlebt und mitgefeiert. Es soll nun der Versuch unternommen werden, aufzuzeichnen, wie sich die Weihnachtsfeiertage im Dorfleben abspielten. Ich will dieses Brauch tum so festhalten, wie es einst war, ohne den Versuch zu unternehmen, nach seiner Herkunft und seiner Deutung zu suchen. Allerdings sollen alle diese Bräuche, die mit der Lebenshaltung des Innviertiers zutiefst verbunden waren, in der Umwelt des Dorfes mit all ihren Stimmungen tmd Erlebniswerten aufgezeigt werden. Ich glaube nämlich, daß sie nur aus dem Charakter des Innviertier Bauern, aus seiner barocken Vor liebe für das Bunte und Auffallende, für das ungestüm Triebhafte imd Tänzerisch-Spieleri sche, aber auch mystisch Sinnierende erfaßbar sind. Mörschwang ist ein kleines Dorf mit nur weni gen Häusern, die sich eng um die Kirche drän gen. Rimd um das Gotteshaus mit seinem mas sigen spitzbehelmten Turm liegt, von einer nie deren Mauer umgeben, der Friedhof mit seinen hölzernen oder schmiedeeisernen Kreuzen und seinen steinernen Grabplatten. Fast an seine Mauer angebaut, stand früher über der hier tie ferliegenden Straße das Schulhaus. In seinem Erdgeschoß war die Spritze der Feuerwehr unter gebracht und außerdem, wenig dem eigentlichen Zweck des Hauses entsprechend, der Gemeinde arrest. Vom Gotteshaus nur durch eine schmale Straße getrennt, steht das Wirtshaus des Dorfes. Es ist ein breitmächtiger Bauernhof, in dessen Wohn gebäude die Gasfcstube und im ersten Stock der Tanzsaal untergebracht sind. Vor dem Haus stand früher ein mächtiger Kastanienbaum, der Bank und Tisch überschattete. Ein paar Schritte neben dem Krämerladen liegt der Hof des Bauern zu Mörschwang imd ihm gegenüber, nur durch die Straße getrermt, der kleine Pfarrhof mit seinem sauber gepflegten Vorgarten. Zum eigentlichen Dorfbereich gehört noch das Mesnerhäusl, wo früher die Gemeinde kanzlei untergebracht war, und gegenüber der Kirche der Brunhuemerhof. Um das Dorf breitet sich das Land in sanften, weitausholenden Hügelschwüngen, mit seinen Äckern, Wiesen und obstbaumumstandenen Bauernhöfen, mit Feldhölzern, Baumzeilen, Hekken und dunklen Waldungen. Blickt man gegen Westen, so sieht man die Häuser tmd die Kirche des am Hochufer des Inn liegenden Marktes Obernberg. Der Winter ist im bäuerlichen Lebenskreis immer eine stille und beschauliche Zeit. Die Tage sind kürzer und die Arbeit verläuft gemächlicher als in den anderen Jahreszeiten. Der Weihnachtskreis beginnt mit der alltäglichen Frühmesse, dem „Rorate". Ab dem ersten Adventstag wurden diese „Engelämter", wie man sie auch nannte, schon um sechs Uhr früh gefeiert. Regelmäßig besuchten sie die Dorf bewohner sowie alte Leute tmd Auszügler aus der Umgebung. Auch die Schulkinder waren eif rige Rorate-Besucher. Gerne sammelten sie untereinander, um ein Engelamt zahlen zu kön nen. Hatten sie zuviel Geld zusammengebracht, so kauften sie um den Mehrbetrag schöne, mit Goldpapier umwickelte Griffeln. * Ernst Burgstaller; Nikolausbrauchtum I und II, Blatt 19 und 20 des „Atlas von Oberösterreich", 1. Liefg., Linz 1958; dazu im Erläuterungsband S. 148 fif. — Weih nachtsbrauchtum I und II, Blatt 39 und 40, 2. Liefg., Linz 1960; dazu im Erläuterungsband S. 165 ff.
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