dens und Vergehens. Darum ist Stelzhamer nicht nur Sänger von Liedern stimmunghaft empfun dener Augenblicke, sondern ebenso Künder großgeschauter Bilder und Visionen, Gestalten und Vorgänge. Er sieht die Königin Not im blutroten Mantel auf einem von schwarzen Vögeln gezogenen Wagen in düsterem Gewölk über die Welt fahren, Unglück und Verderben bringend, aber auch Segen, denn Not ist der Grundstein, auf dem die Welt steht. Und „s Mahrl von Tod", vom Tod, der dem Leben erst Tiefe gibt, wird zu einem obderennsischen Totentanz, in dem das apokalyptische Geschehen vom Ende der Zeiten Bild und Wort geworden ist. Groß ist die künstlerische Spannweite dieses Mundartpoeten. Wie er den Vierzeiler des be schwingten Schnaderhüpfels meistert, so ver steht er es auch, dem griechischen Hexameter neues Leben zu geben: Er nimmt ihm die fremde Würde und stimmt ihn auf den vertrauten Ton des Volksmundes. Zeugnis dafür ist das lebens nahe Epos „Der Soldodnvöda", vor allem aber die epische Dichtung „D'Ahnl" mit der unsenti mental starken, herben Prachtgestalt der Groß mutter, die an ihrem goldenen Hochzeitstag und am grünen der Enkelin zeigt, daß Liebe und Leid nicht der einzelnen und ihrer persönlichen Anliegen wegen da sind, sondern dem Fortleben der vielen dienen müssen, dem Bestand des Hofes und der Familie im Auf und Ab der Generationen. So wird jedes Einzelschicksal über wölbt von einem gottgewollten Größeren, für das es keinen besseren Ausdruck gibt als das Wort „Heimat". Heimat — dieses Wort ist sicherlich durch seine Überanspruchung bei tausend Anlässen in Miß kredit geraten, so daß es bei vielen Jüngeren und Jüngsten nur noch als Synonym für Rück ständigkeit und Sentimentalität gilt. Aber im geheimen wissen sie alle: Jeder Mensch sucht einen Ort, wo er äußerlich und innerlich ge borgen sein will, wo er sich behaust und behütet fühlen kann. Heimat ist ein urmenschliches Seinsgefühl, das zur Existenz des Menschen ge hört. Der Heimatlose empfindet in seiner Iso lierung am tiefsten, was Heimat bedeutet. In Georg Trakls Dichtung „Sebastian im Traum" findet sich folgende Stelle: . .. sprachlos folgt Der Heimatlose Mit dunkler Stirne dem Wind . . d Bei Stelzhamer treffen wir auf ein beglückenderes Bild, wenn es auch ebenso aus dem Boden der Not entstanden ist. Es steht in der Dichtung „König Not": Nöt zum Laugna, rar is 's, Rar und schwar, enka Löhn Und drum will enk, wannts wöllts, 's Land an Zuahuaß göhn. Das Land gibt dem Bedrückten, dem Notleiden den eine Zubuße. Und nun spürt dieser, wie Segen aus der Landschaft quillt, wie es aus goldenen Schüsseln Gold regnet auf ihn aus dem Himmel der Heimat. Solche Beglückrmg mag Unzähligen zuteil geworden sein. Aber nicht vielen ist es vergönnt gewesen, solches Glück ins Wort zu bannen. Der Schweizer Dichter Conrad Ferdinand Meyer hat den Dank des wortbegnadeten Menschen, des Poeten, an die Heimat in folgende fragende und antwortende Verse gekleidet: Was kann ich für die Heimat tun. Bevor ich geh im Grabe ruhn? Was geh ich, das dem Tod entflieht? Vielleicht ein Wort, vielleicht ein Lied ...® Stelzhamer hat uns mehr gegeben als ein Wort und ein Lied, aber unter seinen Liedern ist der „Hoamatgsang", der die Hymne Oberösterreichs geworden ist und der mit einem begnadeten Bilde schließt. Denn d' Hoamat is ehnta Da zweit Muadaleih. Diese ebenso selbstverständlich einfachen wie ergreifend schönen Verse erscheinen uns in einer Zeit der Zertrümmerung des Natur- und Men schenbildes als beherzigenswerter Mahnruf und notwendiges Bekenntnis zum organischen Leben des Menschen, der Heimat rmd nicht zuletzt auch der Dichtung. ' Georg Trakl; Sebastian im Traum. Einbändige Aus gabe der Dichtungen im Otto-Müller-Verlag, Salzburg 1970, S. 77. ' Conrad Ferdinand Meyer: Firnelicht. In: Sämtliche Werke, besorgt von Hans Zeller und Alfred Zädi, Bd. 1: Gedichte, Bern 1968, S. 112.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2