den. So sah er in viele Lebenskreise und Schick sale und hatte ursprünglich den Ehrgeiz, vom Wandern und Werden seines unruhigen Daseins in der Hochsprache zu künden. Doch er kam schließlich zur richtigen Erkenntnis: „Meine hochdeutschen Gedichte finden wenig Anklang, meine Prosa auch nicht. Das obderennsische Lied ist meine Heimat, da herrsche ich allein." Und es wurde in der Tat eine Herrschaft über die seichte und süßliche Reimerei einer sentimenta len Dialektdichtung, die er mit Recht abkanzeln konnte, wenn er ihren damaligen Vertretern zurief: Enka letschade Art, Enka latschede Weis 7s dran schuld, daß uns auslacht Da Sachs und da Preuß. Und so kommt Stelzhamer zu seiner Mundart dichtung, zu den „Liedern in obderennsischer Volksmundart", zu einer Mundartdichtung, in der keine unechten Töne stören. Hier konnte er nach den bewegten Lehr- und Wanderjahren des Lebens endlich sein Schild der Meisterschaft aushängen. In diesen Versen wird nichts versüßt und verniedlicht, das Herbe und Harte, das Be drückende und Dunkle ist ebenso da wie das Erhebende und Helle. Der „kreuzlustige" Stelz hamer kennt die Zwiste und Zweifel eines allein gelassenen Herzens, die Gramfurchen der Ein samkeit, die den einschichtigen Menschen zeich nen: Koa Hahn kräht mi an, Koa Hund hellt ma no. Jo, wurf ia koan Schoden, I war gor nöt do! Drum sog i und hhaup: Af da Welt dö greßt Pein Für an iadwöllign Menschen Is — 's Oanschichtösein! Die ungewöhnliche Bildkraft des Dichters ist schon von den Zeitgenossen bewundert worden. Adalbert Stifter spricht in seiner Rezension der Mundartdichtungen Stelzhamers davon, wie hier das „Wahre und Unmittelbare" „mit der EHvination seiner Echtheit" auf den Leser wirkt. Und er gesteht, „daß, als ihm die ersten Klänge der Stelzhamerschen Poesien zu Ohren kamen, ein solches Entzücken in sein Herz drang, als uns ist, wenn wir nach langen Jahren wieder die Glocken unseres Heimattales hören und den Rauch auf den Essen des Vaterhauses aufsteigen sehen^". Und Josef Weinheber, sicher einer, der dem Volk auf den Mund zu sehen verstand, nimmt sich, als er an seinem lyrischen Kalender buch „O Mensch, gib acht" arbeitet, den großen Oberösterreicher zum Vorbild und schreibt: „Was ein Stelzhamer für seine Landschaft in genialer Weise vollbracht, möchte ich für einen erweiterten Kreis ... in meinen jetzigen Kalen derversen versuchen^". Wenn wir früher vom Organischen in Stelz hamers dichterischer Welt gesprochen haben, dann gilt dies besonders von seiner Sprache. Die Sprache ist der Blutkreislauf, aus dem eine Dich tung lebt — und die Mundart wird von seinem pulsierenden Rhythmus am unmittelbarsten er faßt. Die Mundartdichtung ist jener sprachliche Ort, wo am wenigsten abstrahiert wird, die Mundart ist von der Entpersönlichimg der Sprache nicht so betroffen wie die Schrift- und Gebrauchssprache, die in abgenützten Klischees und konventionellen Formen und Formeln das Lebendige erstarren lassen. Darunter leidet die Gegenständlichkeit des Ausdrucks, dadurch ver blaßt die Leuchtkraft der Bilder, damit verhallt das Melos des gesprochenen Wortes. Das haben alle, die sich mit Sprache beschäftigen, seit je gewußt. Der Prager Fritz Mauthner (1849 bis 1923), Sprachpsychologe und Schriftsteller, war sein Leben lang von Sehnsucht nach einer gewachsenen Sprache erfüllt, die er in dem Sprachbezirk, in dem er aufgewachsen war, bitter vermißte. Das bekennt er ehrlich in seinen Er innerungen: „Für die Wortkunst fehlte mir das lebendige Wort einer eigenen Mundart... Ich besitze in meinem innern Sprachleben nicht die Kraft und die Schönheit einer Mundart. Und wenn jemand mir zuriefe: ohne Mundart sei man nicht im Besitze einer eigentlichen Mutter- ^ Die Rezension Stifters steht in der Allgemeinen Theaterzeitung Nr. 176/77 (Juli 1841). Zitiert nach der Kritischen (Prag-Reichenberger) Ausgabe von Stifters Werken, XVI, S. 336 und 337. ' Josef Weinheber: Brief an Herbert Göpfert vom 25. Juni 1937. In: Josef Weinheber: Sämtliche Werke, herausgegeben von Josef Nadler und Hedwig Wein heber, V, Briefe, Salzburg 1956, S. 272.
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