OÖ. Heimatblätter 1974, 28. Jahrgang, Heft 1/2

Sind die Ausschreitungen des Jahres 1919 in er ster Linie eine Hungerrevolte, so sind die politi schen Auswirkungen doch weit brisanter als die von 1920, denn man steht unmittelbar vor den ersten Nationalratswählen der Republik, und auch die ersten oberösterreichischen Landtags wahlen warfen bereits ihre Schatten voraus. Von sozialistischer Seite werden deshalb die größten Anstrengungen gemacht, negative politische Aus wirkungen abzuschwächen. „Auch der Mittel stand war unter den Demonstranten stark ver treten", heißt es in einer ersten Stellungnahme, und später wird auch von einem „bürgerlichen Mob" gesprochen. Ausdrücklich wird darauf ver wiesen, daß es sich um keine Erscheinungsform eines „Bolschewismus" gehandelt habe. „Alle diese Anhänger des alten Gewaltstaates sind die wahren Schuldigen an den grauenvollen Vor gängen des gestrigen Tages^^." Und letztlich schreibt man: „Mit dem Geld unserer politischen Gegner offenbar bestochene sogenannte radikale Elemente treten als Führer der Massen auf. Die Ausschreitungen des gestrigen Tages richten sich gegen unsere ParteE^." 1920 wird dann völlig anders kommentiert: „Die organisierte Ar beiterschaft stand den traurigen Vorfällen voll kommen fern", aber auch von „Kommunisten, gerichtlich Abgestraften und polizeilich gesuchten Individuen ..." wird gesprochen^®. Beide Vorfälle zeigen, daß das Kriegsende und der Übergang von der Kriegswirtschaft in eine, wenn auch gewiß recht dürftige, Friedenswirt schaft auch in Oberösterreich keineswegs rei bungslos vor sich geht, wobei die Räteregierun gen in Bayern wie in Ungarn noch eine zusätz liche außenpolitische Gefährdung bedeuten. " LTgbl. 1919, Nr. 30.

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