sehen Bund, dessen Mitglieder sich „Freund und Bruder" bezeichnen und ihrem Namen den Bun deszirkel nachsetzen. Ein Zitat „Wisse, noch sind 300 edle Ritter in unserer Hauptstadt", das auf dem Umschlag von Stelzhamers „Erstlingsver suchen" steht, mag der Wahlspruch dieses Bun des gewesen sein. Nächtliche Spaziergänge mit Schwärmereien für Mädchen und heimliche Be chergelage bilden außerdem den Inhalt dieses Bundes. Das erste erotische Erlebnis Stelzhamers nimmt keinen ganz gewöhnlichen Verlauf. Es zieht sich über zehn Jahre hin, und noch der 55jährige wird auf eine merkwürdige Weise daran erinnert. Antonie Nicoladoni stammt aus einer italieni schen Familie, wohl einer Musikergeneration, die durch die kirchenmusikalischen Bedürfnisse Salzburgs dorthin gezogen worden war. Die da mals 14- oder 15jährige Antonie lebte in Salz burg in der Obhut einer Tante, die der deutschen Sprache kaum mächtig war. Zweifellos hat die ses südlich Fremdartige an dem Wesen Toras (wie er sie gewöhnlich nennt) einen lange an haltenden, durch Zwischenspiele nicht verlösch baren Eindruck hinterlassen. Wie der junge Stelzhamer in das Haus der Nicoladoni kam, darüber findet sich nirgends etwas angedeutet. Jedenfalls handelt es sich in Wirklichkeit nicht um jene vornehmen Verhält nisse, in die Tora in den verschiedenen „Urey"- Fragmenten versetzt wird. Die Beziehungen be gannen vielleicht noch als eine Kinderfreund schaft (vgl. „Die große Wanderung", II. Teil), doch bald wird der schwerblütige Innviertier durch seine erste Liebesempfindung in schwere Kämpfe gestürzt, aus denen er sich langsam zur Klarheit durchringt („Nachhall der Liehe"). Sie, wieder ganz südlich, ihrer Wirkung früh bewußt und sicher, lenkt heiter und überlegen die dämonischen Triebe der ihr entgegenbrau senden Seele. Aber er zieht seine Kreise immer enger um sie, und sie unterliegt seiner Aus dauer und schließlich der Gewalt seiner Kunst begabung. Drei Gedichte von den Osterferien 1821, die ein zigen gleichzeitigen über das Verhältnis zu An tonie, bezeichnen diese Wendung tmd zeigen ihn auf der Höhe seines Glückes. Das Verhält nis wurde von dem immerhin schon Neunzehn jährigen durchaus rein und ideal aufgefaßt. Die verschiedenen späteren, meist fragmentarischen Entwürfe, die dieses erste Verhältnis zu Antonie zum Gegenstand haben, lassen sich weder in den tatsächlichen Begebenheiten, noch in der inneren Haltung, die Stelzhamer und ihm gegenüber Tora dort einnimmt, recht zur Deckung bringen. Soviel ist wohl sicher, daß er bald nach dem Geständnis ihrer Gegenliebe sich mit seinen For derungen an dieses Verhältnis über sie hinweg schwingt, an dem Genuß ihrer liebenden Gegen wart kein Genüge mehr findet und die Geliebte bald launisch zu tyrannisieren beginnt. Das dürfte auch der Grund für den bald erfolgten Abbruch gewesen sein und nicht äußere Anlässe, wie sie Anton Matosch allzu novellistisch in seine Stelzhamer-Biographie^ übernommen hat. Dort wird erklärt, daß die Tante die Beziehungen als mehr als Kinderfreundschaft erkarmt und Tora eilig in ein Kloster gesteckt habe. „Unsere Herzen waren eben noch zu jung und unkräftig, um ein anderes als ein Siebenmondenkind zu zeugen und das mußte natürlich sterben" heißt es über diesen ersten Abbruch in dem „Urey"-Fragment „Sieben". Eben so spricht dort Tora: „Kaum sieben Monden hatte unsere Jugendliebe bestanden, als du Urey den Frieden störtest und den schönen Herzensbund auflöstest." Mit dem Übertritt in das Lyzeum im nächsten Studienjahr geht Stelzhamer nach Graz. Dafür war wohl nicht Antonie die Ursache, sondern nüchterne elterliche Erwägungen, da Bruder Pe ter dort eine Stelle gefunden hatte, nachdem er das Studium endgültig aufgegeben. Im Gegen teil, der Namenstagsbrief, den ihm die Freunde vom poetischen Bund, die er damit verlassen hatte, am 2. Dezember 1821 nach Graz schrei ben, enthält Andeutungen von einem andern „Stern, der ihn mit seinem lieblichen Strahlen nach Grätz gezogen habe", übrigens anscheinend auch einer Italienerin, vielleicht einer aus dem Bekanntenkreis der Nicoladoni. Auf Antonie darf man es wohl beziehen, wenn es darin heißt: „Vergiß aber doch deine N." (Nicoladoni) und an anderer Stelle „was von N. kommt aus Neu markt, wird dich nicht mehr interessieren". 1 Anton Matosch u. Hans Zötl: Die Lebensgeschidxte Franz Stelzhamers (= Aus da Hoamat, Bd. 29 u. 30), Linz 1931/32.
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