Stammbücher aus Oberösterreich VonGeorg Wacha „Ich haß kleine daß und leere Vaß" schrieb Johann Heinrich Brunner, Malergeselle aus Kulmbach, am 25. Februar 1656 zu Linz in das Stammbuch seines Berufskollegen Bartholo mäus Hohendorf. Er hatte es dabei relativ ein fach, denn die Illustration konnte er selbst an fertigen, während sie sonst bei dem beliebten Austausch von Eintragungen in Stammbücher bei einem Maler in Auftrag gegeben wurde, der dann — je nach finanzieller Situation des Auf traggebers — ein Wappen, eine Szene, eine Alle gorie oder ein richtiges Bildchen in das Stamm buch malte. Was heute nur bei jungen Mädchen geübt wird, was Lehrkräften an Volksschulen sowie Professoren an Mädchenschulen Sorgen bereitet, das war seit dem 16. Jahrhundert ein weitgeübter Brauch, der uns manch köstliches kulturgeschichtliches Detail bewahrt hat. Auch für vergangene Zeiten gilt die Regel, daß speziell Studenten oder Reisende ein Stammbuch mit führten, aber es waren daneben auch die Kauf leute, die Beamten, die auf Amtsgeschäften viel herumkamen, selten die Militärs, in der Bieder meierzeit auch die Damen der guten Gesellschaft. Aber nochmals zurück zu dem eingangs zitierten Spruch. Man würde glauben, daß die Stamm bücher aus dem 16. Jahrhundert, also mit dem relativ hohen Alter von mehr als vierhundert Jah ren, bereits ihren festen Platz in Museen, Archi ven oder Bibliotheken hätten. Vor kurzem wurde man auf einer Versteigerung in München eines Besseren belehrt. In der Einleitung zu dem aus gezeichnet bearbeiteten Katalog des Auktions hauses Härtung und Karl sagt Albert Haemmerle, seit der Auktion der Stammbuchsamm lung Warnecke in Leipzig im Jahre 1911 (!) sei es wohl das erste Mal, „daß eine solche Fülle kostbaren und intimsten Kulturgutes dieser Gat tung zum Verkauf gelangt". Gleich die Nummer 1 in dem genannten Katalog war eine Sensation: Ein Exemplar des Wappen- und Bruderschaftsbu ches von St. Christoph am Arlberg sollte zum Richtpreis von 80.000 DM zum Verkauf kom men. „Eine der kostbarsten und frühesten deut schen Wappenhandschriften", das einzige im Originaleinband erhaltene „Botenbuch" wurde aber nicht verlizitiert, die Tiroler Landesregie rung hatte den Band erworben. Aber schon unter den ältesten Stammbüchern, die zum Verkauf gelangten, waren solche, die Beziehung zu Österreich hatten. Da sammelte Franz von Domsdorff, Hofmeister des Pfalzgra fen Friedrich, Herzogs von Bayern, mit 509 Ein tragungen und 120 handgemalten Wappen die Namen von nicht weniger als 28 regierenden Häuptern, darunter 1587 von Matthias, dem spä teren Kaiser, damals noch Erzherzog, der seinen Wahlspruch „Amat Victoria Curam" in das kost bare Pergamentbüchlein setzte. Der Katalog mel det, daß Domsdorffs Stammbuch schon 1911 bei der Versteigerung der Sammlung Warnecke als deren schönstes Stück ca. 11.000 Goldmark brachte, diesmal erzielte es 15.500 DM und wurde nur von dem Stammbuch eines Orient reisenden aus den Jahren 1612 bis 1635 (29.500 DM) übertroffen. Immer wieder stellen sich Bezüge zu Österreich ein: Das Stammbuch des landesfürstlichen Beam ten Ulrich Penzinger von Bozen vereinigt sieben Miniaturen und 21 Wappenmalereien von Adeli gen und Bürgern aus Tirol, etwa aus der glei chen Zeit stammen die Itinerar-ähnlichen Auf zeichnungen des Hans Gallfaig von Anhausen, der sich 1585 in Wien aufgehalten hatte, 1588 an der Schlacht von Pitschen teilnahm, in der Erzherzog Maximilian III. (der Bruder Kaiser Rudolfs II.) von den Polen geschlagen und gefan gen genommen wurde und dadurch den dortigen Königsthron nie besteigen konnte. Aus Wien, Znaim, Prag und schließlich 1598 wieder aus Un garn stammen die Eintragungen, die zugleich hi storische Quelle sind. Immer wieder sind es die Türkenkriege oder die Reisen zu Gesandtschaften oder aus geschäftli chen Gründen nach Konstantinopel, die in diesen unruhigen Jahren um 1600 ihren Niederschlag auch in den Stammbüchern finden. Johann Schu macher aus Wertheim in Baden war Diener des Hans Niklas Wagenhuber in Bologna, nur eine Reise von 1587/88 umfaßt sein Stammbuch mit 61 türkischen Silhouettenpapieren, ferner gema serten grünen Kleister- sowie verschiedenen Handmarmor- und Aherpapieren. Diese Papiere
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