mit ihren abergläubischen Zeremonien und Ge bräuchen vermittelt. Demgegenüber macht ihm der Religionsunter richt, den ein Kaplan erteilt, der die erste Beichte wie ein jüngstes Gericht inszeniert und über die noch kaum der Sünde bewußten Kinder herein brechen läßt, weniger Eindruck. In der Schule bereitet ihm der Sprachunterricht das meiste Ver gnügen. Des Schulmeisters kleine „Kopfsprach lehre" hat er bald inne, und von da geht er zum „Wortspionieren" über, also von der Urlogik der Sprache aus sich neue Erkenntnis schließend. Stelzhamer möchte in seinen Erinnerungen audr schon die ersten Anfänge des Kunsttriebes in dieser Dorf zeit finden: „Mehr und mehr entwickelte sich in ihm ein kunstreiches Etwas, das sich bald als Melodie, bald als Tanz oder durch eine andere allgemein rhythmische Bewegung äußerte und das den Leuten, selbst seinem eigenen Vater zuweilen durch seine Seltsamkeit und Neuheit Spaß und Vergnügen bereitete ... Etwas später war jenes kunst reiche Etwas in ein neues Stadium getreten: jedes weiße Blättchen, jede blanke Wand hätte er bemalen, bezeich nen, beschreiben mögen! Ach er wußte es selber nicht, denn er wußte nicht womit. Allein der leiseste Wink, die geringste Veranlassung und hervor sprang Reim und Bild und zierte Blatt und Wand." {„Schulgeschiditen" I. Teil.) Es mag den Stempel romantischer Erfindung tra gen, was er ebendort über sein erstes Gedicht erzählt. Nachdem ihm die ersten Lieder, Volks lieder heiligen und profanen Inhalts entgegen getreten waren, meinte er, die heiligen müßten geradewegs vom Himmel gefallen sein, die Mut ter aber klärte ihn auf: „Die Lieder alle machen Menschen", konnte ihm aber in der Nähe ge rade keinen solchen Menschen zeigen. Er wollte nun von Grillen und Vögeln auf dem Felde er fahren, wie man ein Lied macht. Vergebens! Aber vom Gimpel im Vogelhäuschen, der trau rig seine verlorene Freiheit besang, glaubt er inne zu werden, was zum Singen nötig sei: ein großer Verlust! Und da er keinen persönlichen Verlust noch kannte, versetzte er sich mit In brunst in die Lage Adam und Evas nach der Vertreibung aus dem Paradies und dichtete im Moritatenton das vielstrophige Adam- und Evalied. — Jedenfalls aber kennzeichnet diese Dar stellung die Anschauung noch des reifen Mannes über Ursprung und Wesen der Poesie; sie er klärt viel von seiner poetischen Haltung. Mit diesen Dorfbildern muß eine Darstellung des Lebens Stelzhamers beginnen. Während der 13 Kindheitsjähre und dann noch während der som merlichen Ferienzeit hat sich sein Wesen mit dem Element der bäuerlichen Naturnähe so vollgeso gen, daß er es lange Zeit, sehr gegen seinen Wunsch, nicht mehr abstreifen konnte. Wenn er von seinem „Dorfteufel" spricht, so meint er da mit jenen Komplex von Erfindungsveranlagung, der ihm an der Erreichung einer tragfähigen Position im Literaturgetriebe seiner Zeit hindert, dem er aber auch die unerreichte „Echtheit" sei ner Dialektdichtungen verdankt. Auch in seinen hochdeutschen Werken verdankt er dieser, in den Jugendjahren aufgenommenen starken Ladung mit dem bäuerlichen Element das endliche Zu rückfinden zum „poetischen Realismus" seiner bäuerlichen Natur in seinen Dorfgeschichten, die sich auch stofflich ausschließlich um seine Dorf erinnerungen drehen. Sein „Dorfteufel", den er erst spät positiv zu werten angefangen hat, ist alles das, was er aus Elternhaus und Heimat mit bekommen hat. Vom Innviertier Charakter das Selbstbewußte, gelegentlich auch polternd Auf begehrende, vom Vater den Ehrgeiz und die auf rechte, ehrliche Haltung, die sich bei einem Ge samtüberblick seiner Persönlichkeit und seines Lebens trotz aller erlittenen Demütigungen doch ergibt, von der mütterlichen Seite offenbar der Trieb in die Ferne, von der ländlichen Umgebung der starke Zusammenhang mit der Natur, der ihn jeden Frühling fast wie neugeboren macht und aus der Stadt auf Wanderschaft treibt. Nur aus dieser bäuerlichen Herkunft läßt sich ferner sein ungemein langsames Ausreifen, sein so spä tes „Gescheit-" und „Weltklugwerden", femer die trotz mancher Krankheitsangriffe unge schwächt gebliebene physische Lebenskraft er klären, die ihm erlaubte, mit 70 Jahren noch von sich als dem „Kerschbam in ewiga Blüah" zu sprechen und mit 66 Jahren noch die Grandlage zu dem Familienglück seiner letzten Lebensjahre zu legen. Salzburg: 1816—1821 Nach diesem großen Naturerlebnis kommen nun allmählich die Bildungserlebnisse. War das eine voll Realität, so sind die andern durchaus ideali stischer Natur; wurde der Ausdruck des einen
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