OÖ. Heimatblätter 1974, 28. Jahrgang, Heft 1/2

seines Ferniseins von ihr den heißen Sehnsuchts schrei nach ihm gehört habe. Denn traun, ein einziger solcher Schrei, Je an mein Ohr gedrungen — Ich hätte mich von Fesseln frei. Von Ketten losgerungen. Und wäre heim im Schwalbenflug Euch liebend zu beleben, O Himmel, daß du selbstisch klug Kein Zeichen mir gegeben. Wir hören diesen Schrei wahrlich oft und oft in ihren Briefen, freilich auch verhalten im Glau ben an sein Dichtertum und seine Pläne, die die ser Schrei nicht stören wollte. Stelzhamer hat ihn nicht gehört. Wie ausschließlich er aber während dieser ver gangenen Jahre mit dem Problem Weib und Ehe beschäftigt war, möge noch eine Briefstelle an seinen Gläubiger Franz Ritter v. Laveran vom 19. Februar 1858 belegen: „Ich habe ein zerrüttetes, schließlich sehr unglückliches IZjähriges Eheleben geführt. Im steten Kampf gegen diese Zerrüttung, in immerwährenden Bemühungen es glücklicher zu gestalten, vernützte ich all meine Kraft. Ich habe wohl dem Himmel in meinem Kinde den Engel zurückgestellt, in meinem Weibe eine Seele vor wahr scheinlich gänzlichem Untergang gerettet, aber ich bin darüber materiell, finanziell förmlich zugrunde gegangen, bankerott geworden." Salzburg, Henndorf: 1856—1874 Wenige Wochen nach dem Tode seiner Frau knüpft Stelzhamer in Salzburg ein neues Ver hältnis an mit einem Mädchen, das nicht nur dem Alter nach leicht seine Tochter hätte sein können. Es ist nämlich die Tochter seiner Antonie Nicoladoni und des Kapellmeisters Josef Tremml, den diese wegen der Aussichtslosigkeit ihrer Beziehungen zu Stelzhamer geheiratet hatte. In merkwürdig vielen Punkten ähnelt die se neue Beziehung zu Hermine der zu Betty; für Stelzhamer war es wohl überhaupt nur eine Fortsetzung des Ehelebens. Der Anfangsstand des Verhältnisses war womöglich noch konflikt reicher als der bei Betty. Auch fiermine hatte bereits eine „Vergangenheit", von der er sich übrigens übertriebene Vorstellungen gemacht zu haben scheint; auch hier mutet er sich zu, sie auf den Weg der Tugend zurückgebracht zu ha ben. Erschwert wurde die Situation noch da durch, daß ihm die Mutter, die seine unveränder ten Charaktereigenschaften wc^hl kannte, das Haus verboten hatte. Zwischen den früheren Jugendgeliebten herrscht nunmehr die Stim mung, als wollte sich eins am andern rächen. Hermine liebte ihn mit eben derselben leiden schaftlichen Anklammerung und Aufopferung wie Betty. Man möchte ihre Briefe für eine Fort setzung der Bettybriefe halten, wenn sie nicht noch um einen Grad sensitiver, mit einem Stich ins Hysterische wären, wenn sie nicht in der Orthographie noch schlechter, in der Schrift noch zerfahrener wären als die Bettys. Hermine ist auch etwas mehr auf die sinnliche Seite geneigt, weniger kräftig und widerstandsfähig gegen die Peinigungen durch ihn, ihm aber womöglich noch mehr ergeben gewesen. Auch sie war wie Betty häufig leidend. Ihre Briefe sind meistens un datiert und lassen sich nur notdürftig nach den angezeigten Ereignissen chronologisch ordnen, Stelzhamers Briefe sind nur so weit vorhanden, als er dazu ein Konzept machte oder sie nicht abschickte. Die ersten Briefe wurden während des Saisonbesuches Stelzhamers in Ischl im Juli 1856 gewechselt. Das Verhältnis war den Eltern noch nicht bekannt, er hatte bisher dm Hause noch verkehren können. Die von Mitte Oktober von Hermine nach Linz adressierten Briefe aber lassen wieder ganz den alten Stelzhamer er kennen. Sie sei an Bettys Grab gewesen, „klagte ihr unter Tränen, daß du fort bist... Ich bete alle Tage für sie um jenseitige Ruhe und für dich um Abschaffung grüblerischer Gedanken und daß du endlich Ruhe erlangst" (Brief vom 16. Oktober). Am 27. Oktober schreibt sie ihm, daß ihr ein Herr von Basstätter einen Heirats antrag gemacht habe, den sie abwies. Diese „Pastetengeschichte", zu der er sie umformt, der von ihrer Mutter aufgestellte Mausköder (zur süßen Rache an ihrem abgefallenen Jugendskla ven), auf den das naschsüchtige Mäuslein schließ lich doch gehen wird, wirkt auf ihn ganz so wie jene beiläufige Erwähnung Bettys von der Ein ladung zu einem Ball, auf den sie nicht gehen wird. Vorhaltungen ihrer bemäkelten Vergan genheit folgen: „So schnell läßt sich kein Feind abtreiben, am wenigsten der böse .. „Ich habe dein Leben wie das meines unglücklichen Weibes in die Hände genommen, aber ich werde Deines

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