OÖ. Heimatblätter 1974, 28. Jahrgang, Heft 1/2

nicht zusagende Publikum und Arrangement (im Salon des Grafen Nostitz) geschwächt ist. Im merhin glaubt Stelzhamer noch längere Zeit, in dieser „Kunst der freien Erzählung" jenes neue Geleise gefunden zu haben, nach dem er krampf haft suchte. „Die Sache ist jedenfalls in ihrer Erscheinung über raschend neu und in ihrer Folge unberechenbar, aber — sie will ins Leben gerufen sein! — und das ist nicht das Werk eines Augenblickes ..." Nicht nur die Lesebuchpläne sind gescheitert; auch auf die Annahme der „Ahnl" durch einen Verleger hofft er vergebens®. Ohne am Ende etwas ausgerichtet zu haben, verläßt er schließ lich am 20. Juni Wien. Zwei Tage später trifft er in Ried ein. Mit einem fertigen Lesebuch war er ausgezogen, und nach dreizehn Monaten kehrt er, ohne einen Kreuzer in der Tasche, wieder zu den Seinen zurück. In Ried bleibt er bis Ende Oktober, da er sich, seiner neuen Idee verschrieben, in die „Kunst der freien Erzählung einüben will". „Ich habe schon mehrere Vormittage fleißig und mit Frucht an meinem neuen Fach studiert und gearbeitet." Diese neue Kunst will er nun auch auf Vortrags reisen ausprobieren. Am 6. November gibt er einen gelungenen Abend in Braunau. Dann setzt er alle Hoffnung auf München. Doch, kaum dort angelangt, trifft ihn die Nach richt vom Tode seines Kindes®. Also auch diese letzte Idylle in Ried, dieser „letzte Himmel", wurde somit zerstört. Die Todesnachricht hatte ihn zu spät erreicht, weshalb er nicht zum Be gräbnis kommen kann. Vom Ende des Jahres datieren fünfzehn Lieder auf den Tod seines „Linchens", nach dem Vorbilde der Rückertschen „Kindertotenlieder" gehalten. Im Dezember läßt er auch seine trauernde Frau nach München nachkommen. Wieder war die Reise nur auf kurze Dauer berechnet, wieder werden Monate und Jahre daraus, und wieder wird die Rieder Wohnung während der ganzen Zeit beibehalten. Freilich glaubt er eine Zeitlang, in München einen besseren Boden für seine literarische Tätigkeit gefunden zu haben und denkt wohl auch an Übersiedlung. Von der aller ersten Münchner Künstlergesellschaft war er wieder sehr freundlich aufgenommen worden. Er kam mit den meisten Münchner Kapazitäten in Berührung, aber nur auf dem Fuße, auf wel chem man bei Salonabenden eben stand. Eine nähere, auch familiäre Beziehung scheint ihn mit einer Parvenüfamilie Stuntz verbunden zu ha ben, auch wohl mit der Familie Schwanthaler, die aus Ried abstammt. Eine Gräfin Josefine von Torgatsch-Andrassy hatte ihn speziell ins Herz geschlossen und unterstützte seinen Haushalt mit kleinen Gaben. In dem Ministerpräsidenten V. d. Pfordten, einem gebürtigen Rieder, hatte er einen Protektor oder zumindest eine Folie. Sonst wissen wir außer von einem kurzen Kunstaus flug nach Augsburg im April 1853, wo er auch den alten Schriftstellerfreund Christoph v. Schmid besuchte, von seinem Münchner Schick sal recht wenig, da Briefe an Betty natürlich fehlen. Die Not ist ihm auch dort keineswegs fremd geblieben. Er hat in der schon etwas schneidigeren Münchner Luft Sehnsucht nach dem gemütlichen, lustigen Österreich. Herausgebracht hat er in München 1852 „Das bunte Buch", eine Auswahl aus seinen hoch deutschen und Dialektgedichten neben politisch phantastischen Aufsätzen, 1853 „Gambrinus, das Münchner humoristische Taschenbuch für das Sudjahr 1853/54" und 1854 zwei Bändchen „Jugendnovellen", d. h. wieder Kindergeschich ten. Gearbeitet hat er in München wohl außer ge legentlichen Beiträgen für Journale vor allem an den Dorfgeschichten, deren Veröffentlichung in Almanachen nun beginnt, und an den „Schul geschichten" (Erinnerungen an seine Dorfschulund Gymnasialzeit). Wenn er nicht die Ermuti gung zu der zunehmend realistischen Darstel lungsweise in diesen Arbeiten dem Münchner Aufenthalt verdankt, so hat er künstlerisch eigentlich hier nichts gelernt. Im Gegenteil, das Büchlein „Gambrinus", das man sich gar nicht gambrinisch genug vorstellen ® Ende Februar 1851 ist „D'Ahnl" bereits gedruckt; sie kommt zunächst im Selbstverlag heraus. 1854 nimmt sich BraumüHer in Wien in einer 2. Auflage darum an; die endgültige Fassung erscheint 1855 bei Cotta in Stuttgart (gemeinsam mit dem „Liebesgürtel", vgl. S. 31). " Lindl en stirbt am 24. November 1851 «m einem organi schen Flerzfehler.

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