Endlich geht er Mitte November selbst nach Wien, um die Sache zu betreiben, hauptsächlich aber, um die Hofstätterschen Erbschaftsgerüchte einmal ins reine zu stellen, die ihn wieder ein mal lebhaft angefallen hatten. In Wien lernt er den Buchhändler Johann Georg von Cotta kennen und bespricht sich mit ihm über Herausgabe des „Liebesgürtel", seines Lie besromans in Gedichten, den er schon seit meh reren Jahren vorbereitet. Von dieser Gedicht sammlung, die er jetzt einer letzten Feilung un terzieht, erhofft er sich, endlich Geltung als hoch deutscher Dichter zu erringen. Am 7. Februar 1850 kommt nach vielem Hin und Her auch die „ministerielle Sache" zum Abschluß; er erhält den Auftrag, ein „Lesebuch (der oberen Abteilung der ersten Klasse) für deutsche Knaben katholischer Religion in Zivil schulen auf dem Lande" abzufassen, und emp fängt einen Vorschuß von 150 Gulden. Damit geht er nach Ried und arbeitet das Lesebuch in knapp vier Monaten fertig. Seine frühere päd agogische Schriftstellerei in den dreißiger Jahren kam ihm dabei zustatten, auch der Gedanke an sein prächtig heranwachsendes Töchterchen, „das für das Schönste im ganzen Innviertel ausge schrieben ist", mag ihn unterstützt haben. Im ganzen war es aber eine Lohn- und Fronarbeit, und es ist eigentlich zu verwundern, daß er da mit so pünktlich zustande kam. Über den päd agogischen Wert oder Unwert des Lesebuches zu diskutieren, ist hier nicht der Platz, jedenfalls setzte sich aber die pädagogische Schriftstellerei von da ab mit größeren oder kleineren Unter brechungen fort. Mit dem fertigen Lesebuch geht er im Juni 1850 nach Wien. Dort gibt es noch manches fachmän nische Umarbeiten, und er muß mit aller Energie den Versuch verhüten, „aus seinem Werk ein ganz fremdes zu machen". Gedruckt und in Ge brauch genommen ist es übrigens niemals wor den. Stelzhamer hat das Manuskript in seinen letzten Lebensjahren vom Unterrichtsministe rium zurückverlangt; es liegt jetzt in seinem Nachlaß. Von dem Resthonorar von 350 Gulden machte er den merkwürdigsten Gebrauch. Er war schon in Wien im teuersten Gasthof, dem Matschakerhof, abgestiegen. Nun, nach Erledigung des Lese buches, kam ihm der Gedanke, einen „Abste cher" nach Graz zu machen, um seinen Bruder Peter, mit dem er abwechselnd gut und böse war, zu versöhnen. Erbschaftshoffnung von dem kinderlosen Ehepaar zur Sicherung der Zukunft seines Kindes mag da mitgespielt haben. Er wollte auch das Rieder Domizil mit einem Grazer ver tauschen. Es kam zu einer raschen Versöhnung, dann zu einem ebenso raschen Zerwürfnis mit dem Sonderling, von dem er seiner Frau am 31. Juli berichtet; „Bruder Franz hat Bruder Petern aufgegeben und hat durch diesen Verlust sich selbst gefunden und gewon nen . . ., er hofft nicht auf das mindeste Glück von außen und von anderen, er will es einzig und allein suchen in sich selbst und den Seinen. .. Der pater familias unserer Familie ist Franz, Peter ist Wasserschoß und trägt keine Früchte, wir Fruchtbaren dürfen uns nicht beugen vor den Unfruchtbaren." Stelzhamer bleibt, um dem Bruder zu zeigen, mit welch vornehmen Leuten er umgeht, noch eine Weile in Graz. Dann, als es eine nochmalige Versöhnung gibt, bleibt er erst recht wieder, um den Bruder auch für alle Zukunft gewonnen zu haben, und das braucht viel Zeit und Mühe. So war aus dem Abstecher ein mehrwöchiger Auf enthalt in Graz geworden, und inzwischen zahlte sein Gepäck im Matschakerhof den teuren Woh nungszins. Seiner darob zürnenden Frau schreibt er: „. . . daß ich nach Graz ging, willst Du mir noch ent schuldigen, gut, mein Weib, gut, und die Länge entschul digt sich als mein Mißgeschick, eigentlich nur mein Geschick schlechtwegs, von selbst! Ich bin und bleibe der zaudernde, langsame (weil größere, dauerndere als andere) ,Sohn der ewigen Zeit', nicht ein ,hüpfendes Kind des flüchtigen Tages'. Der Tag liebt mich und Mei nesgleichen nicht, wir haben nur alles mit Geduld und Resignation von der Zeit zu erwarten, und ich mußte auch in Graz, mir gänzlich unbewußt, warten und har ren, bis es kam und daß es kam, wie es kommen mußte." Im September trifft er wieder in Wien ein. Wie der halten ihn verschiedene Hoffnungen dort zurück, so eine auf Andeutungen gegründete Hoffnung auf ministerielle Anstellung in der Art, wie Stifter eine erhalten hat. Dann wird er wieder durch Zuschriften des Ministeriums ge narrt, die ihn in Ried nicht vorgefunden hatten und nun weiß wo herumgeschickt werden, ohne
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