Ich habe es diesmal, ich weiß nicht wodurch, den guten Riedern völlig abgewormen. Mein Namenstag wurde im ,Bräuer im Keller'® auf eine wahrhaft rührende rmd pompöse Weise gefeiert, durch Anreden, Gesang, un zählige Hochs vor meinem aufgestellten Bildnis; wenn Du aber glaubst, es wäre der Kreishauptmann, Pfleger, Kameralrat usw. dabei gewesen, so irrst Du, es waren 5/6 Bürger, aber meine Freude war darum um nichts kleiner — ich bin ein Mann des Volkes und liebe es, daß die Herren und meine Wenigkeit sich in artiger Ent fernung begrüßen und ihren Respekt bezeigen." Das beträchtliche Buchhonorar von Manz für drei Bände Prosa und einen Band Mundartgedichte sowie von Heckenast für zwei Bände Novellen „Heimgarten" war den Winter über aufgezehrt worden. An das Manzgeschäft schließt sich ein langwieriger Streit, da Stelzhamer auf Grund komplizierter Überlegungen noch Anspruch auf einen größeren Restbetrag zu haben glaubt, auf den hin er bereits wieder Kredit aufgenommen hatte. Eine typische Erscheinung ist bei fast allen Verlagsgeschäften Stelzhamers, daß sie sich nie glatt ausgingen, daß er mit jedem seiner Ver leger in Streit gerät und daher nie einen stän digen Verleger findet. Jedesmal sind neue Ver handlungen anzubahnen und dafür umständliche und kostspielige Reisen notwendig. Schon im März 1846 macht die häusliche Not eine Reise nach Wien notwendig, um die litera rischen Verbindungen aufrecht zu erhalten. Es gelingt ihm dort auch, bei Tendier die „Volks lust", eine Sammlung alter Mundartgedichte, die er etwas umgearbeitet hatte, um mit Rohrmann nicht in Scherereien zu geraten, herauszubringen. In der Ferne befällt ihn oft ein „furchtsames Einsamkeitsgefühl." „Hätte ich es denn je ge dacht, ein Mensch mit meinem Freiheitssinn, daß solche Anhänglichkeit sich seines Wesens bemeistern könnte", schreibt er an Betty am 8. Mai 1846. Die Entfernung bringt auch manche Erkenntnis über ihr Zusammenleben, das sich bessern müßte. Das Leben in der „brausenden Haupt stadt" gefällt ihm gar nicht. „Was ist doch die ländliche Ruhe gegen dieses eitle Treiben und Toben... ich glaube, daß ich jetzt zuhause viel mehr meine Freude habe und suchen werde." Ein Antwortbrief Bettys malt ihm allerdings die Kehrseite dieser ländlichen Idylle. Im Beichtstuhl fragt sie der Pfarrer, ob sie wirklich verheiratet seien, es wäre ihm gesagt worden, daß sie nur so zusammen lebten (Betty an Stelzhamer am 12. Mai 1846). Mit eintretender und bald offenbar werdender materieller Bedrängnis Stelzhamers tauchen auch die Gegenstimmen auf. Barbara hatte auch bald um eigenen Verdienst als Hausschneiderin mit Lehrmädchen sich umsehen müssen und lebte sonst mit ihrem Kinde von den zwei- bis zehnguldenweisen Geldsendungen, die sich der Mann durch Pränumerantenwerben „verdient" hatte. Größere Ausgaben für Zins, Holz und Kleider mußten inzwischen zu Schulden auflaufen, bis sie durch ein größeres Honorar gedeckt werden konnten. Mehrfache Wohnungskündigungen, demütigende Bittgänge und Abweisungen und eine üble Fama waren die Folgen. Die Verhält nisse in dem kleinen Markte waren für einen freien Beruf eben zu eng, und das Kopfschütteln über den beruflosen Wandel des neuen Mitbür gers mußte in Ried noch lebhafter sein als in Salzburg, wo man ihn für einen Polizeispitzel gehalten hatte. Daran ändert auch die Verehrung einiger, selbst auch unvermögender Freunde nichts, die seine literarische Bedeutung erkannt hatten. Letzten Endes finden sich doch immer wieder hilfsbereite Leute, wie überhaupt der ganze Lebenswandel nicht ohne die vormärzlichösterreichische Gutmütigkeit denkbar ist, der gegenüber es ihm später in München ganz an ders ergangen ist. Das Tendlersche Honorar und die Herausgabe seiner „Jugendnovellen" (drei Kindergeschich ten, die er wohl noch von der Redaktion jener pädagogischen Zeitschrift anfangs der dreißiger Jahre in Vorrat hatte) erlauben ihm wieder, den Haushalt in Ried weiterzuführen. Erst im August treffen wir ihn wieder auf einer beschwerlichen Pränumerantensammlung und im September in Ischl, das er von jetzt ab zu den Saisonzeiten häufig aufsucht, um Vorlesungen im Theater zu halten. Der Haushalt in Ried wird vorüber gehend aufgehoben und Frau und Kind in Vöcklabruck bei gutherzigen Leuten zeitweilig unter gebracht. Im Oktober ist er in Braunau, um von ® Vermutlich der heutige „Gasthof zum Kellerbräu" am Hochfeld in Ried.
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