OÖ. Heimatblätter 1974, 28. Jahrgang, Heft 1/2

inneres Leben entwickelte sich durchaus nicht nach geistig konstruierten Prinzipien. Zweifellos in diese Zeit ist also die „Urey"- Haltung zu versetzen, die deshalb kurz hier charakterisiert sein soll; Urey ist der Held schlechthin, der Held des egozentri schen Subjektivismus, der Held der ungebärdigen Ge fühlskraft in der Liebe und in der Kunst. Kunst wird möglich im Sinne einer wenn auch unproduktiven Ge samtkunst, im Sinne des „Lebens als Kunstwerk". Aber Urey ist nicht mehr der ungebrochene Held, er hat sich bereits an der Realität des Lebens seinen Knick geholt, wie das so treffend in der Schrift „Liebe" in dem Bild des polternden Liebeshelden symbolisiert wird, der von dem Nachtwächter unter listigen Vorspiegelungen in den Arrest gelockt wird, um die nächtliche Ruhestörung zu beseitigen. Urey bringt sich selbst in Situationen, aus denen sein Heldentum auf das schmählichste den Rück zug antreten muß. Immer und überall aber ist er der Liebesselige, ein der Liebesleidenschaft mit Ausschließ lichkeit ergebener, virtuoser Liebeskünstler. Die „Urey"-Haltung timfaßt die Jahre vom er sten Verlust Antoniens bis zum Wiederaufleben des Verhältnisses mit ihr und auch diese zweite Verbindung noch. Dann macht sie allmählich anderen Gefühlssphären Platz. Stelzhamer ver brachte diese Jahre am Lyceum und an der Uni versität in Graz. Wir wissen wenig von diesen Jahren, da seine Jugenderinnerungen nicht so weit reichen und speziell das geplante Kapitel seiner „Schulgeschichten", „Grazer Universitäts leben", tmausgeführt geblieben ist. In Graz ist es 1827 eine Rosa, an die sich seine anakreontischen Gedichte richten. In Vinzenz Wlassak gewinnt er einen treuen Freund, zu dessen Braut Anna er in nicht genau erkennbaren Beziehun gen stand, die aber wohl den Kreis der Ver ehrung nicht überschritten. Wann die Beziehungen zu Antonie wieder auf genommen wurden, läßt sich nicht eindeutig sa gen, wahrscheinlich aber erst während der Som merferien 1827. Es liegen darüber zwei Redak tionen vor, eine frühere im „Urey"-Ton in dem Fragment „Sieben", in der noch die Erlebnis schwere des Konfliktes zwischen geistiger und sinnlicher Liebe, die hier an den Punkt der Ent scheidung kommt, nachzittert, und eine spätere, frivolere Fassung in „Hundert Gulden" (Erster Moment), wo diese Problemstellung vergessen ist, dafür aber eine andere tragikomische Nebenerscheimmg dieses Konfliktes in den Vorder grund tritt, so daß sich beide Berichte ergänzen. Wie löst Stelzhamer seine Verstrickung aus sei ner Lebenslage heraus? Es wäre ein Problem ge wesen für den realistisch liebenden Bauernbur schen (vgl. „D'Ahnl"), es wäre keines gewesen für den in rein idealistischer Sphäre Lebenden, für den die sinnliche Seite der Erotik eine abso lute Nebensache dargestellt hätte. Es mußte aber zum lang anhaltenden Problem werden für den Bauernstämmling, der sich soweit als nur mög lich in das Ideal vorgewagt hatte, und in seiner Gründlichkeit und Ehrlichkeit beide Seiten in sich zur Deckung bringen wollte. Wie Stelzhamer seinen Fall löst, kommt dem Durchhauen des Knotens gleich. Er tritt einfach mit dem von dem andern Typus Weib gekann ten Anspruch auch an seine Tora heran. Wie weit ihm die junge Witwe, „mit der sich jetzt ein ganz anderes Lebenswörtlein reden ließ, als mit dem girrenden Fräulein dazumal", dabei ent gegenkam, ist unwesentlich. Das Fragment „Sie ben" rollt noch einmal die Frage auf, spricht deutlich von Gefühlsblumen und Gedankenster nen, zu denen Tora lachte, weil sie sie nicht ver stand. Da wird ihm von draußen, von einem singenden Wanderburschen, die Meinung bei gebracht: „Wie Kätchen war, ist Lieschen auch!" Noch ruft Urey entgegen: „Das ist erlogen, Tora ist nicht so!", aber der folgende Tag hätte Toras Fall gebracht, wenn das Fragment nicht an die ser Stelle abbrechen würde. So wissen wir über Stelzhamers augenblickliche Auffassung darüber nichts. Der „erste Moment" von „Hundert Gulden" dagegen handelt darüber, wie er mit jenem zwei ten, von dem andern Typus Weib her bekannten Anspruch an seine ideale Geliebte herantritt, mit dem Anspruch auf materielle Unterstützung. Um sich von dringenden Studentenschulden zu befreien, will er von der bemittelten Witwe ein Darlehen von hundert Gulden bekommen. Sie verspricht es ihm, hält ihn hin; es ergeben sich Schwierigkeiten in der Flüssigmachung; er schickt ihr endlich von Wien aus ein kaltes Ultimatum, auf das eine ebenso kalte Antwort erfolgt. Aber Stelzhamer ist bereits zu zermürbt, um aus sei nem Ultimatum Ernst zu machen, das Verhältnis schleppt sich noch ein paar Jahre mühselig wei ter.

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