OÖ. Heimatblätter 1974, 28. Jahrgang, Heft 1/2

Neu eingeführt sind die Einteilung der Begriffe der „maritimen Hinterglasmalerei" und die „Ostasiatica". Diese nun nach soziologischen und ethnologischen Gesichtspunkten vermehrte und zugleich differenziertere Zeittafel umschreibt in etwa auch die thematischen Erweiterungen der zweiten Auflage. Sie finden ihren Niederschlag audi in vermehrten Abbildungen (49, früher 33). In die zweite Auflage neu aufgenommen ist neben einem umfangreichen Quellenverzeichnis (S. 195 bis 208, 271 Titel), das einer so gut wie vollständigen Bibliographie der Hinterglasmalerei gleichkommt, auch ein Namensregister. Es enthält die Namen der an Erzeugung und Vertrieb volkstümlicher Hinterglasbilder des 18. und 19. Jahrhunderts mittelbar oder unmittelbar beteiligten Personen. Von 662 in dieses Register auf genommenen Namen sind 141, das sind 21,3 Prozent, von Knaipp aufgefunden oder wissenschaftlich gesichert worden. Auch daraus mag die Stellung des Autors innerhalb der Hinterglasbilderforschung abgelesen werden. Friedrich Knaipp betrachtet seinen Stoff als selektiven Querschnitt durch die Problematik der gesamten Volks kunst. In der Tat, kaum sonst präsentiert sich die Frage von Nach-Schöpfung und Eigen-Schöpfung so auf fällig wie in der Hinterglasmalerei. Wie kritisch Knaipp auch dem Problem der Interpretation gegenübersteht, offenbart etwa der Kommentar auf Seite 75 zu dem Bild „Liegendes Jesuskind", den er eiideitet: „Der Kreis um Karl von Spieß und Josef von Strzygowski hätte zu dieser Gestaltung des Motivs vermutlich folgende Inter pretation gefunden"... und den er mit den Worten schließt: „Tendenzen unserer Zeit, die von der einstigen Volkskunde fort und mehr zur ,Europäischen Ethnologie' treiben, begegnen jedoch solchen Auffassungen mit Miß trauen." Dies ist sehr vorsichtig formuliert und lassen jedenfalls dem Kommentar, den sich der Betrachter bilden wird, Spielraum. Überhaupt ist zu sagen, daß die Diktion, die verbale Behandlung des Themas, häufig als amüsant und kurzweilig zu bezeichnen ist. Die eigene Meinung des Autors wird hinter den eingefahrenen Betrachtungskategorien immer wieder sichtbar, sogar im Rahmen eines trockenen Quellenverzeichnisses (siehe die Anmerkung zu „Wiese, Erich", dem früheren Direktor des Riesengebirgsmuseums in Hischberg in Schi.). Auf dieser Linie liegt etwa auch der Kommentar zur hl. Bar bara auf Seite 63, in dem über das Schicksal eines Hinterglasbildes berichtet wird. Die kritische Haltung zu seinem Gegenstand begleitet den Autor von der ersten bis zur letzten Zeile. Er betrachtet es als eine wesentliche Aufgabe der Wissen schaft, mit Vorurteilen ebenso aufzuräumen wie mit Legendenbildungen. Zu den Legenden zählt die Saga vom Kreis um den „Blauen Reiter", der das Hinter glasbild angeblich wiederentdeckt hätte. Das kleine Kapitel, das sidi mit der Wahrheit über die Wieder entdeckung des Hinterglasbildes befaßt (S. 32 bis 34), sollte zur Pflichtlektüre in kunstgeschichtlichen, volks kundlichen, aber auch volksbildnerischen Proseminarien gemacht werden. Falsche Romantik, unredlich genährte „Nostalgie" sind dem Autor in der Seele zuwider. Er ist kein Anhänger einer „wiederbelebten" Hinterglas malerei, zumal, weim sie sich mangels schöpferischer Eigenleistung auf bloßes Kopieren oder gar Fälschen beschränkt. „Die Imitation von Volkskunstgegenständen ist leider oft ein einträgliches Geschäft geworden. Wenn daher heute einem ,Kunstgewerbler' gar nichts anderes ein fällt, als Nachahmungen herzustellen und sie womöglich als ,alte' Hinterglasbilder anbieten zu lassen, so sind solche Machwerke als Fälschungen einfach abzulehnen" (S. 49). Das ist eine unverschlüsselte, offene Sprache. So gut die Reproduktion der 49 Farbbilder, die nach funktionellen Gesichtspunkten iimerhalb der Hinter glasmalerei ausgewählt wurden, auch gelungen ist, wäre es dennoch falsch, das Werk von Friedrich Knaipp unter die zur Zeit so beliebten „Sachbücher" oder „Bildbände" einzureihen. So relativ knapp der Text bemessen ist, die Bedeutung der Publikation beruht auf ihrer wissen schaftlichen Leistung. Was hier ausgesagt wurde, ist nicht das Ergebnis einer zusammenfassenden Kompila tion, sondern am umfassenden, gezielten und speziali sierten Objektvergleich, dem so ziemlich das gesamte erreichbare europäische Material zugrunde liegt, gewon nene persönliche Einsicht in das materielle und ideelle Wesen des Hinterglasbildes. Dem Verleger, das merkt man, war die Herausgabe des Buches ein besonderes Anliegen, Schriftsatz und Struktur von Bild- und Text verteilung sind wohlgeraten. Als Standardwerk der Hin terglasmalerei wird es noch viele Jahre gefragt sein. Franz Lipp Raimund Schuster: Auf Glas gemalt: Hinterglasmalerei aus Winklarn (= Oberpfälzer Kostbarkeiten, hrsg. von Adolf J. Eichenseer). Regensburg 1973 (Friedrich Pustet), 48 Textseiten, 20 Farbtafeln, 16 Schwarzweißtafeln. S 118.40. Das Interesse, dem die Hinterglasbilder seit den letzten vierzig Jahren zunehmend begegnen, hat erfreulicher weise auch zu einer sehr wesentlichen Vermehrung des Wissens um das bemalte Tafelglas geführt. Während der Ortsname „Sandl" in Oberösterreich bei der breiten Bevölkerung beinahe als Synonym für Hinterglasbilder gilt — man nennt Hinterglasbilder einfach „Sandlbilder" —, hat sich die Kenntnis der verschiedenen „Schulen", zumal des an Böhmen grenzenden Rand gebietes, zusehends vermehrt. Es ist ein echtes Ver dienst des Autors, den Sammelbegriff „Bayrischer Wald" für unbestimmbare Gläser aus der Gegend zwischen Cham und Weiden in der Oberpfalz aufgelöst und zwei Hinterglasmalerorte nach Erzeugnissen und Erzeugern klar herausgestellt und umrissen zu haben: Neukirchen bei Heiligenblut und Winklarn. Beide „Schulen", wie vielleicht etwas zu hoch gegriffen die betreffenden Lokal typen vom Autor bezeichnet werden, tragen malerhand werklichen Charakter, sind mithin noch deutlicher als

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