Schrifttum Harry Slapnicka: Von Hauser bis Eigruber. Oberösterreidi von 1918 bis 1927 (= Beiträge zur Zeitgeschichte Oberösterreichs, Bd. 1; hrsg. vom Oö. Landesarchiv). Linz 1974 (Oö. Landesverlag), 224 Seiten, 44 Abb. S 196.-. Es ist der oö. Landesregierung sehr zu danken, daß sie in ihrem Landesarchiv ein eigenes Referat für Zeit geschichte eingerichtet und dieses mit dem früheren Chefredakteur des „Linzer Volksblattes", Dr. Harry Slapnicka, besetzt hat. Von dem für drei Bände berech neten Werke liegt nun der erste Band vor, der die Jahre von 1918 bis 1927 behandelt; der Darstellung der viel schmerzlicheren Jahre von 1927 bis 1938 darf man mit Interesse entgegensehen. Der Übergang von der Monarchie zur Republik vollzog sich in Oberösterreich auf der hohen politischen Ebene nahtlos. Als einziger Landeshauptmann des Kaiser reiches blieb Prälat Johann Hauser in der Republik im Amte, während der letzte k. k. Statthalter Freiherr von Handel in die neue Landesversammlung eintrat und dort wertvolle juristische Arbeit leistete. Weniger kor rekt hielt es die untere Ebene der Arbeiter- und Sol datenräte mit ihren Eingriffen in die Verwaltung; in Linz mußte wegen Plünderungen zweimal das Standrecht verhängt werden^. Vielleicht liegt hier schon die Wurzel, daß sich im oberösterreichischen Landtage die Allparteienkoalition am längsten hielt, während in der Radikalisierung von Heimwehr und Schutzbund Ober österreich ebenfalls einen Rekord, hier einen traurigen, einnahm. Blieb in Linz Wie in den meisten Ländern die staats rechtliche Kontinuität gewahrt, huldigten der führende Theoretiker der Sozialdemokraten Dr. Otto Bauer und der Schöpfer der Verfassung von 1920 Prof. Dr. Hans Kelsen der Revolutionstheorie, gegen die man allerdings einen der SPÖ unverdächtigen Zeugen anführen kann, den Chefredakteuer der „Arbeiter-Zeitung" Friedrich Austerlitz, der in den kritischen Tagen schrieb: „Wir sind unabhängig geworden, nachdem uns die anderen haben stehen lassen." Auch Staatskanzler Dr. Karl Ren ner bekannte sich in einem wichtigen Punkte zum Kon tinuitätsprinzip, als er sich von den Ländern, deren staatsrechtliche Existenz er damit anerkannte, die Bei trittserklärungen geben ließ; über das Fehlen einer nie derösterreichischen Erklärung darf der Rezensent auf seine Arbeit „Österreich von der Monarchie in die Republik"® verweisen; seine Darstellung fußt auf einer Mitteilung des Bundeskanzlers Dr. Otto Ender. Der Gegensatz zwischen der Kontinuitäts- und der Revolutionstheorie dürfte eine untergründige Ursache der Spannung zwischen der zentralisitischen und der föderalistischen Staatsauffassung sein, die allzu oft unter dem Gesichtspunkt eines parteipolitischen Opportunis mus angesehen wurde. Daß letzterer nicht fehlte, be weist Slapnicka, wenn er sieht, daß die föderalistischen Oberösterreicher Prälat Hauser und Dr. Michael Mayr (Bundeskanzler 1920/21, in der politischen Geschichts schreibung fast vergessen. Wer schreibt einmal seine Biographie?) wohl beim Vorarlberger Landeshauptmann Dr. Otto Ender Hilfe fanden, weniger jedoch bei der Wiener christlichsozialen Gruppe um Prälat Dr. Ignaz Seipel. Laut dem von Slapnicka zitierten Professor Dok tor Adolf Merkl habe diese Gruppe „im stillen den Widerstand begrüßt, den die doktrinären Vertreter des Unitarismus — Großdeutsche und Sozialdemokraten — den föderalistischen Verstiegenheiten, wie Verländerung des gesamten Schulwesens und der Polizei, entgegen- , setzten". Es mag die kommende Entwicklung nicht zu ihrem Vorteil beeinflußt haben, daß gerade jene Wiener Gruppe in der Führung war, während die Länder das Gesamtbild nicht korrigieren konnten; ,;die einzige Aus nahme in dieser Zeit ist der Vorarlberger Landeshaupt mann Dr. Ender". Ein wenig bekanntes Kajntel rollt Slapnicka auf, weim er des kurzlebigen Böhmerwaldgaues gedenkt, der mit seinen 182.804 zu 96,7 Prozent deutschen Einwohnern zu Oberösterreich kommen wollte. Schon am 6. Dezem ber 1918 hatte tschechische Gewalt gesiegt. Einem länderweisen Anschluß an Deutschland wider strebte Oberösterreich. Nur im Innviertel gab es 1921 eine lokale Anschlußbestrebung, an welcher der spätere Minister der Schuschnigg-Regierung, Odo NeustädterStürmer, nicht unbeteiligt war. Der vielgeschäftige deutsche Minister Matthias Erzberger spann seine Fäden auch nach Oberösterreich. Von einer über einen Abgeord neten Locher nach Vorarlberg laufenden Aktion ist dem Rezensenten nichts bekannt; Ender sprach mit ihm über sehr viel, erwähnte aber nichts davon. Wie Oberösterreich, der Not der Zeit folgend, sogar Geld schuf und wie der Wirtschaftskrise doch mit eini gem Erfolg entgegengearbeitet wurde, rundet den inter essanten Band ab. Hans Huebmer Leopold Nowak: Anton Bruckner. Musik und Leben. Linz 1973 (Trauner), 332 Seiten mit 292 Abb., teils in Farbe. S 360.—. Gleichsam als Auftakt zum „Bruckner-Jahr"® erschien dieses großzügig und geschmackvoll ausgestattete Werk, in dem der Autor — der Wiener Undversitätsprofessor Dr. L. Nowak, seit Jahrzehnten der wissenschaftliche Leiter der Bruckner-Gesamtausgabe — auch die neuesten Ergebnisse der Forschung zusammengetragen und ein zum Teil neues Bild des großen Oberösterreichers geschaffen hat. Bild und Text ergänzen sich hier groß artig und vermitteln in nahezu optimaler Weise einen Einblick in das schaffensreiche Leben Anton Bruckners. ® Vgl. den Beitrag von Harry Slapnicka „Vor 55 Jahren: Zweimal Standrecht in Oberösterreich", in diesem Heft der „Oö. Heimatblätter", S. 84 ff. ® Schriftenreihe der Vereinigung Vorarlberger Akademi ker, Heft 3, S. 34. ® Als Beitrag der „Oö. Heimatblätter" erschien in der letzten Nummer ein Aufsatz von Wilhelm Jerger über „Unbekannte Frauenbildnisse aus dem Nachlaß von Anton Bruckner" (27. Jg., 1973, S. 165—169, 9 Abb.).
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