OÖ. Heimatblätter 1974, 28. Jahrgang, Heft 1/2

Als Ergebnis der fünf ersten Salzburger Jahre muß neben den erworbenen und kaum mehr viel erweiterten Grundlagen einer humanisti schen Bildung festgehalten werden, was zur For mung seiner Persönlichkeit entscheidend beige tragen hat: 1. Ungebrochene Erfolge in der Schule, im poe tischen Freundeskreis und in der ersten Liebe lassen sein Selbstgefühl hoch aufschießen. 2. Das erste Liebeserlebnis schließt sein zwi schenmenschliches Gefühl nach allen Seiten hin auf. Jegliches Verhältnis zum Mitmenschen, be dingt den Anspruch, als etwas Eigenes und Be sonderes oder sogar Einziges genommen zu wer den. 3. Freundschaft und Liebe erfüllen ihn in der Folgezeit. Vor allem der Liebe gibt er sich mit einer Ausschließlichkeit hin. Ihr gegenüber tre ten seine Studienergebnisse oder sein Reifen im Verhältnis zur Umwelt völlig in den Hinter grund. Graz: 1822—1827 Nach Absolvierung der drei Grammatikal- und der zwei Humanitätsklassen im Gymnasium in Salzburg tritt Stelzhamer im Herbst 1821 in das philosophische Lyceum in Graz ein, das die Vorbreittmg für die Universität darstellt. Hier in der kleinen Universitätsstadt wird er bereits in diesem Jahr mit dem burschikosen Treiben be kannt, und er tritt aus der harmlosen poetischen Salzburger Freundschaft in die poltemd-philisterfeindliche, hier- und nachtschwärmende Stu dentengeselligkeit über. Vor allem lernt er, nach dem Liebeserleben mit Tora, einen ganz anderen Typus des Weibes kennen. Durch eine schnellund leichtgeschürzte Verbändelung mit irgend einem Malchen, Röschen oder Gustchen, mit Domestiken auch, kommt der Student unend lich leichter ans Ziel seiner Wünsche. Die Posse „Der Brand", die aus dieser Zeit stammt, entwirft von diesem Leben ein treffen des Bildchen: Um dem Geizhals Steinhart die Einwilligung zur Heirat seiner Nichte mit dem Mediziner Wilhelm Sturm abzuringen, soll im Hinterstock seines Hauses ein kleines Feuerchen gelegt werden, damit sich Sturm dann als sein Lebensretter aufspielen kann. Der Trick soll na türlich gelingen, doch das Stück ist leider Frag ment geblieben. Nachtwächterkrawall, nächtliche Budenkneipereien, kreuzweise Verhältnisse mit süßen Mädchen füllen das Stück sonst aus. Studentischer Kraftüberschwang, „Sturm- und Drang"-Stimmung, ins Studentische übertragen, ist seine Haltung. In diesem tollen Treiben mag der junge Stelz hamer eine Weile Tora und was sie ihm bedeu tete, vergessen haben. In erklärlicher Reaktion auf die vorige Hochspannung widmet er sich dem anderen Typus von Liebesverhältnis, aber nicht lange. „Im Jahre 1822 drehte sich mir zum erstenmale das Herz im Leibe um.. heißt es in einem damals begormenen Tagebuch. Mag schon bald nach dem mutwilligen Abbruch die Sehnsucht nach Antonia wieder erwacht sein, oder schießt sie erst jetzt wieder hoch auf, als er von ihrer bevorstehenden Verheiratung hört — jedenfalls eilt er im Herbst 1822, diesmal an scheinend wirklich sich selbst bestimmend, von Graz nach Salzburg, um sie für sich zu retten. „Mein Herz hatte schlimme Kunde erhalten, da hieß es liegen und stehen lassen, was lag und stand, um Eines in weiter Ferne vor Abfall zu wahren, vor Fall zu retten. Und ich tat es, unbekümmert, rücksichtslos um Gegen wart und Zukunft. Beides, ja alles war mir untergegan gen in der Bodenlosigkeit meiner jungen Leidenschaft." (Aus: „Eine Heimich-Spieß-Geschichte") Es konnte ihm nicht gelingen, die Heirat der Ge liebten mit einem gut situierten älteren Mann, dem Domorganisten Anton Wittmann in Salz burg, zu verhindern. Sie erfolgte 1823. Über die Empfindungen Antoniens dabei wissen wir nichts, auf Stelzhamer machte diese erste große Enttäuschung den allerstärksten Eindruck (vgl. das „Urey"-Fragment). Für sein literarisches Schaffen bedeutet dieser Fall den Übergang zur Prosa, und zwar in ihrer subjektivsten Gestalt, dem Tagebuch. Dieses Erlebnis sprengt die Form der gebundenen Rede, die seiner Erregung nicht mehr mit der notwendigen Geschmeidigkeit und Bereitschaft folgen konnte. — Von diesem Tage buch, das er noch 1832 von 1822 an geschlossen mit sich führte, ist fast alles verloren gegangen. Wir müssen uns aus wenigen Notizen späterer Zeit eine Vorstellung zu machen versuchen, in welcher Art es geführt wurde. Jedenfalls durch-

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