OÖ. Heimatblätter 1974, 28. Jahrgang, Heft 1/2

Oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreidi; Leiter: W. Hofrat Dr. Aldemar Schiflfkorn. 28. Jahrgang (1974) Heft 1/2 INHALT Max B a u b ö c k (t) und Albrecht Etz: Ein Lebensbild Franz Stelzhamers 3 Vinzenz Janik : Die Landschaftsentwicklung Oberösterreichs 36 Hans Rödhammer: Das Generalvikariat Hohenfurth 1940-1946 57 Josef O f n e r (t): Von der „Kreuzerspielhütte" zum „Kloster kirchentheater" — Ein Beitrag zur Theatergeschichte der Stadt Steyr 75 Georg W a c h a : Stammbücher aus Oberösterreich .... 78 Harry S1apnicka : Vor 55 Jahren: Zweimal Standrecht in Oberösterreich 84 Lichtschalenstein im Stift Kremsmünster (P. Gottfried Engel hardt) 88 Die Abrahmgefäße (Fritz Thoma) 89 Lfniv.-Prof. Dr. Alfred Hoffmann 70 Jahre (Harry Slapnicka) . 90 Wiss. Konsulent Professor Dr. Franz Vogl t (Ernst Burgstaller) . 91 OSR Wiss. Konsulent Dr. Josef Ofner + (Dietmar Assmann) . . 92 Schrifttum

Ansdiriften der Mitarbeiter W. Hofrat a. o. Univ.-Prof. Dr. Emst Burgstaller, Lustenauerstraße 19, 4020 Linz. Dipl.-Ing. KsR. P. Gottfried Engelhardt, Benediktinerstift, 4550 Kremsmünster. Dr. Albrecht Etz, Schloß Traunsee, 4810 Gmunden. Prof. Dr. Hans Huebmer, Salzburger Straße 2, 4840 Vöcklabruck. Dipl.-Ing. DDr. Vinzenz Janlk, Ramsauerstraße 50, 4020 Linz. Dr. Heidelinde Jung, Oö. Landesmuseum, Museumstraße 14, 4020 Linz. H.-Ass. Dr. Rudolf Kropf, Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, 4045 LinzAuhof. W. Hofrat a. o. Univ.-Prof. Dr. Franz Lipp, Vizedirektor des Oö. Landesmuseums, Museum straße 14, 4020 Linz. Wiss. Oberrat Dr. Josef Reitinger, Leiter der Abt. Urgeschichte und Technologie am Ober österreichischen Landesmuseum, Museumstraße 14, 4020 Linz. Hans Rödhammer, Garnisonstraße 55, 4020 Linz. Prof. Dr. Harry Slapnicka, Leiter der Abt. Zeitgeschichte und Dokumentation am Oö. Landes archiv, Anzengruberstraße 19, 4020 Linz. Kustos Fritz Thoma, Kurhausstraße 8, 4540 Bad Hall. Senatsrat Dr. Georg Wacha, Direktor des Linzer Stadtmuseums, Bethlehemstraße 7, 4020 Linz. Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexemplare etc.) und Bestellungen sind zu richten an den Herausgeber; Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberöster reich, 4020 Linz, Untere Donaulände 6, Tel. 26 8 21, Kl. 1127. Redaktion: Landstraße 24, Tel. 26 4 26, Kl. 002 (Wiss. Rat Dr. Dietmar Assmann) und Kl. 007 (Sekretariat). Verlag: Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich. Druck: Oberösterreichischer Landesverlag, 4020 Linz, Landstraße 41. Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich. Alle Rechte vorbehalten.

Ein Lebensbild Franz Stelzhamers VonMax Bauböck (t) Einleitung von A. Etz — Großpiesenham 1802/16 — Salz burg 1816/21 — Graz 1822/27 — Wien 1827/32 — Linz, Salzburg, München, Passau 1832/36 — Auf Vortrags reisen, in der Heimat und in Wien 1836/45 — Ried, Mündien, Stuttgart 1845/55 — Salzburg, Henndorf 1856/74. Einleitung Seit mehr als hundert Jahren bedauert man das Fehlen einer Gesamtausgabe der Dichtungen Franz Stelzhamers. Den vergeblichen Anstren gungen des Dichters selber noch folgten solche von Peter Rosegger, Anton Matosch und ande ren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges taten sich in Oberösterreich Max Bauböck, Dok tor Franz Berger, Dr. Hans Commenda, Doktor Herbert Grau und Dr. Franz Pfeffer mit dem selben Ziel zusammen, doch auch ihr Plan schei terte nach mehrjähriger Vorbereitungszeit. Be reits zusammengetragenes Material erweiterte Dr. Hans Commenda zu einem Band „Stelzhamer — Lehen und Werk", der im Oberöster reichischen Landesverlag zu Weihnachten 1952 erschien imd dem zweieinhalb Jahre später als Ergänzung eine „Auswahl aus seinem Lebens werk" folgte. Weithin unbekannt blieb, daß auch Max Bau böck bereits umfangreiche Vorarbeiten zu einer geplanten Gesamtausgabe geleistet hatte. Ins besondere hatte er wertvolle Details zu Stelz hamers Lebenslauf gesammelt und mit einer Interpretation des hochsprachlichen Schaffens — das etwa zehnmal so umfangreich ist wie seine Mundartwerke — begonnen. Mit dem Erschei nen der Bände Commendas sah Max Bauböck jegliche Möglichkeit einer Gesamtausgabe bis auf weiteres vereitelt und legte seine Unterlagen beiseite. Großpiesenham: 1802—1816 Großpiesenham, der Geburtsort Franz Stelz hamers, liegt in einem hügeligen Waldwinkel des nördlichen Hausrucks. Der Menschenschlag ist dort, obwohl durchaus zu demselben Stamm gehörig, schon ein anderer als in dem gegen Inn und Donau offenen übrigen Innviertel. Gegen über fetter Erde dort ist hier ein steiniger, in den Niederungen sumpfiger Boden, der den Ernte segen weitaus schwerer hergibt, dafür aber sehDas Stelzhamerjahr 1974 ist ein geeigneter An laß, wenigstens einen Teil der Stelzhamerforschung Max Bauböcks der Öffentlichkeit zugäng lich zu machen. Durch die Vermittlimg des Krdturamtsleiters der Stadt Ried i. L, Josef Mader, und durch das Entgegenkommen der Witwe, Frau Lucia Bauböck, war es mir möglich, in den Nachlaß Einsicht zu nehmen und einen Teil da von, den von Bauböck hinterlassenen Werde gang des Menschen Stelzhamer, in eine druck reife Form umzugießen. Eine Veröffentlichung hat trotz der bekannten — mehr oder minder zulänglichen — StelzhamerBiographien ihre Berechtigung, weil sie als ein zige in die Psyche Stelzhamers hineinzuschauen und die Motive seines Künstlertums zu ergrün den sucht. Leider blieb Bauböcks Stelzhamer-Biographie insofern unvollendet, als darin für einen Teil der Zitate (vornehmlich aus Briefen oder sonst aus dem Stelzhamer-Nachlaß) keine Quellen angaben gemacht werden. Auch sind die letzten Jahre vor seinem Tod nicht so genau ausgeführt wie die früheren. Ich habe, wo es nötig und mir unter dem Druck der Zeit leicht möglich war. Fehlendes (z. B. Vornamen, Jahreszahlen, Brief daten) ergänzt. An anderen Stellen habe ich den Entwurf Bauböcks leicht gekürzt, noch nicht aus geführte Stellen ergänzt oder des besseren Ver ständnisses wegen umformuliert und offensicht liche Errata richtiggestellt. Möge diese Abhandlung das Verständnis für den genialen Künstler, tiefgründigen Denker und seltsamen Menschen Stelzhamer neu wecken! Möge sie aber auch dem unermüdlichen Stelzhamerforscher Max Bauböck zur Ehre gereichen! Albrecht Etz nige und heitere Menschen schafft. Der ausge dehnte Nadelwald im Hausruck und im Kober naußerwald ließ lange das Holzknecht- und Wil dererelement blühen. Dort haben sich daher Worte und Ausspracheformen erhalten, die sonst im Innviertel nicht mehr gehört werden. In diesem waldnahen Dorf ist das Siebengütl, Stelzhamers Geburtshaus, eine damals schon freieigene Sölde, die mit ihrem geringen Grund besitz freilich ihren Mann nicht ernähren konnte, weshalb zwei Handwerksgerechtsame darauf ge-

schrieben waren, von denen eine, das Schuster handwerk, wie es scheint, auch von Stelzhamers Vater noch ausgeübt wurde. Der Vater Johann war nicht angestammt auf dem Siebengütl, son dern hatte hingeheiratet, vom benachbarten Dimmeigute her, wo er aus unbekannten Grün den einem jüngeren Bruder (vgl. Stelzhamers Dorfgeschichte „Vetter Jakob, der ,Baumtod'") hatte Platz machen müssen. Auch die Mutter Maria, geborene Hofstädter, wäre nicht unmittel bar übernahmsberechtigt gewesen, wenn es nicht ihre Brüder in die Ferne gelockt hätte, ein Trieb, der überhaupt im hofstädterschen Blute gelegen haben mag. Der eine ist Onkel Georg („Onkel Georgs Schatz"), der andere Josef, der Stocker auer Schwerfuhrmann mit seinen angeblich 70 bis 80.000 fl. Hinterlassenschaft, ein dritter dürfte mit dem „Soldatenvöda" des Mundart gedichtes gleichzusetzen sein. Sie alle spielen in Stelzhamers Leben noch eine Rolle. Die väter lichen Großeltern lebten im Auszug auf dem Dimmeigute, die Großmutter, aus besserem Bauerngeschlecht stammend, in vornehmer Zu rückhaltung gegen ihre ärmlichen Nachkommen. Von den mütterlichen Großeltern hören wir nichts, sie dürften nicht mehr in unseres Dichters Jugend hereingelebt haben. Vater Johann ragte durch die Klugheit, wie er seine geringen Besitzstände zusammenzuhalten und zu vermehren verstand, gewiß über die an deren Dorfinsassen hinaus, die sich in Stelz hamers Dorferinnerungen reich differenziert zei gen. Er hatte sich im Anfang seiner Ehe noch mit Gedanken und Versuchen von Schatzgräberei und ähnlichen, damals noch tief im Volksglauben sitzenden Hoffnungen auf schnelles Reichwerden abgegeben, die ihn aber bald zur heilsamen Erkenntnis führten: Bete und arbeite! (vgl. „Der Baumtod"). Dann aber nützte er die Franzosen zeit dazu, um im Lande durch Handel manches Außerordentliche zu verdienen, und er kehrte öfter mit recht ansehnlichem Verdienst heim (vgl. „Faust Urey"). Mit eiserner Sparsamkeit sammelt er für seine Söhne, auf die sich sein „Höher-Hinauswollen" übertragen hatte, um ih nen den Weg zum geistlichen oder weltlichen „Herrenstande" freizumachen, die Mittel zum Studium. Er schickt sie auch alle drei nachein ander auf das Gymnasium. Hatte man es ihm schon verübelt, daß er deren Ankunft auf der Welt jedesmal mit einem Schuß aus der Haus büchse angezeigt hatte, so erst dies noch viel mehr. Die Mutter Marie ist in unerschöpflicher Liebe und nie versiegender Hilfsbereitschaft für ihre Söhne, die ihr Studium nicht recht zu Ende zu bringen wissen, der Typus einer Mutter in sol cher Lage überhaupt. Ihr ist in Stelzhamers Mundartgedichten, von denen die von seinem „Müaderl" zu seinen besten gehören, der Dank zuteil geworden. Ist des Vaters Religiosität, von der uns Stelzhamer einige fast noch heidnische, naturgläubige Züge überliefert, eine der Selbst bewahrung, so ist die der Mutter in der Erzäh lung „Der Waldwurm" dazu in den schönsten, wenn auch friedlichsten Gegensatz gestellt und gezeigt, wie sie von einer rührenden Tapferkeit ist, wenn es gilt, ein Mittel zu gewinnen, um allen Menschen, Fremden wie Nachbarn, in ihren Krankheiten helfen zu können. Sonst weiß der Sohn noch von ihrer Reise- und Gehlust zu be richten, mit der sie die Zweitagereise von Piesenham bis Salzburg zu ihren Söhnen oftmals und fröhlich zurücklegte. Das Kind Franz, geboren am 29. November 1802 als das dritte Kind dieser Ehe, scheint in den ersten Jahren ein Zärtling gewesen zu sein, der sich nur im Dunstkreis des Häuslichen und der Familie wohl fühlte. Auch einiger Vorfälle, die eine außerordentliche körperliche Sensitivität vermuten lassen, weiß sich noch der 50jährige zu erinnern. In der Dorfschule gedieh er unter seinem ersten Lehrer, einem Prügelpädagogen, schlecht. Als aber ein neuer Lehrer kam, der liebevoll auf ihn einging, sprang sein Geist auf „wie der prachtvolle Blütenschaft aus der lang geheimnisvoll verschlossenen Aloe". Er wird bald der Erste in der Klasse und auch auf dem Schulweg der anerkannte Bubenkönig und bleibt es seine ganze Dorfzeit. In den schulfreien Zei ten auf der Weide als Hüterbube wird die „Ergründung der Naturgeheimnisse seine süßeste Plage", darin von den Dorfbuben bald nimmer verstanden und seine eigenen Wege gehend (vgl. die Erzählung „Die Dorfschule"). Sie wächst ihm zusammen mit naturnahen Anschauungen von den höchsten Mächten, die ihm seine Umgebung

mit ihren abergläubischen Zeremonien und Ge bräuchen vermittelt. Demgegenüber macht ihm der Religionsunter richt, den ein Kaplan erteilt, der die erste Beichte wie ein jüngstes Gericht inszeniert und über die noch kaum der Sünde bewußten Kinder herein brechen läßt, weniger Eindruck. In der Schule bereitet ihm der Sprachunterricht das meiste Ver gnügen. Des Schulmeisters kleine „Kopfsprach lehre" hat er bald inne, und von da geht er zum „Wortspionieren" über, also von der Urlogik der Sprache aus sich neue Erkenntnis schließend. Stelzhamer möchte in seinen Erinnerungen audr schon die ersten Anfänge des Kunsttriebes in dieser Dorf zeit finden: „Mehr und mehr entwickelte sich in ihm ein kunstreiches Etwas, das sich bald als Melodie, bald als Tanz oder durch eine andere allgemein rhythmische Bewegung äußerte und das den Leuten, selbst seinem eigenen Vater zuweilen durch seine Seltsamkeit und Neuheit Spaß und Vergnügen bereitete ... Etwas später war jenes kunst reiche Etwas in ein neues Stadium getreten: jedes weiße Blättchen, jede blanke Wand hätte er bemalen, bezeich nen, beschreiben mögen! Ach er wußte es selber nicht, denn er wußte nicht womit. Allein der leiseste Wink, die geringste Veranlassung und hervor sprang Reim und Bild und zierte Blatt und Wand." {„Schulgeschiditen" I. Teil.) Es mag den Stempel romantischer Erfindung tra gen, was er ebendort über sein erstes Gedicht erzählt. Nachdem ihm die ersten Lieder, Volks lieder heiligen und profanen Inhalts entgegen getreten waren, meinte er, die heiligen müßten geradewegs vom Himmel gefallen sein, die Mut ter aber klärte ihn auf: „Die Lieder alle machen Menschen", konnte ihm aber in der Nähe ge rade keinen solchen Menschen zeigen. Er wollte nun von Grillen und Vögeln auf dem Felde er fahren, wie man ein Lied macht. Vergebens! Aber vom Gimpel im Vogelhäuschen, der trau rig seine verlorene Freiheit besang, glaubt er inne zu werden, was zum Singen nötig sei: ein großer Verlust! Und da er keinen persönlichen Verlust noch kannte, versetzte er sich mit In brunst in die Lage Adam und Evas nach der Vertreibung aus dem Paradies und dichtete im Moritatenton das vielstrophige Adam- und Evalied. — Jedenfalls aber kennzeichnet diese Dar stellung die Anschauung noch des reifen Mannes über Ursprung und Wesen der Poesie; sie er klärt viel von seiner poetischen Haltung. Mit diesen Dorfbildern muß eine Darstellung des Lebens Stelzhamers beginnen. Während der 13 Kindheitsjähre und dann noch während der som merlichen Ferienzeit hat sich sein Wesen mit dem Element der bäuerlichen Naturnähe so vollgeso gen, daß er es lange Zeit, sehr gegen seinen Wunsch, nicht mehr abstreifen konnte. Wenn er von seinem „Dorfteufel" spricht, so meint er da mit jenen Komplex von Erfindungsveranlagung, der ihm an der Erreichung einer tragfähigen Position im Literaturgetriebe seiner Zeit hindert, dem er aber auch die unerreichte „Echtheit" sei ner Dialektdichtungen verdankt. Auch in seinen hochdeutschen Werken verdankt er dieser, in den Jugendjahren aufgenommenen starken Ladung mit dem bäuerlichen Element das endliche Zu rückfinden zum „poetischen Realismus" seiner bäuerlichen Natur in seinen Dorfgeschichten, die sich auch stofflich ausschließlich um seine Dorf erinnerungen drehen. Sein „Dorfteufel", den er erst spät positiv zu werten angefangen hat, ist alles das, was er aus Elternhaus und Heimat mit bekommen hat. Vom Innviertier Charakter das Selbstbewußte, gelegentlich auch polternd Auf begehrende, vom Vater den Ehrgeiz und die auf rechte, ehrliche Haltung, die sich bei einem Ge samtüberblick seiner Persönlichkeit und seines Lebens trotz aller erlittenen Demütigungen doch ergibt, von der mütterlichen Seite offenbar der Trieb in die Ferne, von der ländlichen Umgebung der starke Zusammenhang mit der Natur, der ihn jeden Frühling fast wie neugeboren macht und aus der Stadt auf Wanderschaft treibt. Nur aus dieser bäuerlichen Herkunft läßt sich ferner sein ungemein langsames Ausreifen, sein so spä tes „Gescheit-" und „Weltklugwerden", femer die trotz mancher Krankheitsangriffe unge schwächt gebliebene physische Lebenskraft er klären, die ihm erlaubte, mit 70 Jahren noch von sich als dem „Kerschbam in ewiga Blüah" zu sprechen und mit 66 Jahren noch die Grandlage zu dem Familienglück seiner letzten Lebensjahre zu legen. Salzburg: 1816—1821 Nach diesem großen Naturerlebnis kommen nun allmählich die Bildungserlebnisse. War das eine voll Realität, so sind die andern durchaus ideali stischer Natur; wurde der Ausdruck des einen

seine unerhört echte Mundartdichtung, so ergibt der Ausdruck der Bildungserlebnisse eine oft so windschiefe Prosaschriftstellerei. Den ganzen Lebenslauf Stelzhamers zusammenfassend ist die Problemlage seines Wesens die: Wie findet seine realistisch-bäuerliche Naturveranlagung den Ausgleich mit den unausweichlichen idealisti schen Zeiteinflüssen, die ihr von vornherein wi derstrebten, und zwar wie in jedem Moment seines Lebens. Auch seine erste Liebe, die zu gleich seine große war, gehört unter die Bil dungserlebnisse, jugendlich unreif, wie sie be gonnen, und durchaus als geistiges Prinzip, wie sie sich weiter entwickelte. Im Herbst 1816 zieht er mit seinem um sechs Jahre älteren Bruder Peter, der ihm aber an Studienjahren wohl nicht ganz ebensoweit vor aus war, an das Gymnasium nach Salzburg. Es ist kein Zweifel, daß das damals herrschende Schulsystem mit seinen Skriptionen, Setzungen und verschiedenen Schulactus das in ihm schon in seiner Dorfheimat entwickelte Gefühl, ein Aus nahmemensch zu sein, begünstigt. Schon die langwierige Aufnahmsskription setzt ihn auf den zweitbesten Platz der Klasse. Von einem liebe vollen Lehrer, Professor Martin Süß, angespornt, erringt er, bald nachdem er nur das anfängliche Heimweh überwunden hat, den ersten Platz, und der Schlußactus des ersten Jahres gestaltet sich zu einer ganz außerordentlichen Auszeichnung für ihn: Er ist nicht nur der erste Schüler seiner Klasse, sondern wird auch der ganzen Schule als Muster vorgestellt. „Aber ich kann ja nichts da für", äußert er sich seinem beschämten Bruder Peter gegenüber, der in seinen Gymnasialleistun gen immer mehr zurückrückte. Die Ferien bringen die erste Ferienreise durch das mittlere und obere Innviertel, durch Nieder bayern bis München. Vom Bruder Peter sind sie ganz auf Gelderwerb durch „Viatizieren" an gelegt: zur Deckung von Schulden und Bereit stellung eines Extrageldes für das nächste Schul jahr. Das Zeugnis des Kleinen wirkt zwar man ches Wunder, aber ihm selbst behagen die spar same Kost und die unheimlichen Nachtquartiere nicht. Auf dem Marsche sehen wir ihn vor allem spielerisch mit sich selbst beschäftigt, wozu ihm der mürrische Bruder, der alles eher als sein Mentor sein konnte, reichlich Zeit läßt. In Mün chen, das Bruder Peter wegen der Aufenthalts kosten vorzeitig verlassen will, ohne die gerühm ten Merkwürdigkeiten gesehen zu haben, trennt er sich soagar von ihm, so groß ist seine Begier, Land und Leute kennenzulernen (vgl. die Schul geschichte „Fritz Blasewitz' erste Ferienfahrt"). In den folgenden Schuljahren, auch nachdem das alte Schulsystem nach dem Regierungswechsel einem etwas freieren Platz gemacht hatte, scheint er sich ziemlich auf der gleichen Höhe gehalten zu haben. Er erhält ein Stipendium, das ihm bis zur Beendigung seiner Universitätsstudien ge währt wird und erteilt vom dritten Jahr an be reits Instruktionen. In seiner freien Zeit widmet er sich seiner Lieblingsbeschäftigung: Zeichnen und mit Wasserfarben malen (vgl. die Schul geschichte „Ein Student, wie er sein soll"). Un terdessen hatte sein Bruder Peter wegen einer Schatzgräbergeschichte, die in „Onkel Georgs Schatz" näher geschildert ist, das consilium aheundi erhalten und sich nach Graz gewendet. Dorthin macht auch Franz seine Ferienreise im Herbst 1819, die ihn im Freundschaftsbündnis mit zwei ungleichen Reisegefährten zeigt. Wir entnehmen seine diesbezüglichen Eindrücke der zweiteiligen Prosaerzählung „Die große Wande rung": Er selbst tritt uns in einer noch kindlich tänzelnden, übersprudelnd vertrauensseligen Haltung entgegen, vor allem auch schon als klei ner Poet, in der Art und Weise, wie er das ihm Entgegentretende aufnimmt. Vom Dezember 1819 stammt das erste authen tisch überlieferte Gedicht, das elegische „Jugendhild", das — bezeichnend genug — seine glück lichen Dorfjungenjahre ausmalt und sie betrau ert. Die durchwegs elegische Grundhaltung sei ner folgenden carmina der Jahre 1820 und 1821 läßt sich durch den Hinweis auf deutlich heraus zuführende Muster erklären, die beim Göttinger Hain, bei Klopstock und den Idyllen-Dichtern liegen. Wesentlich wohl durch das Gymnasium und die lateinischen und deutschen poetischen Stilübungen wurden ihm diese Muster nahe gebracht. Die Pflege der Freundschaft und der Dichtkunst entwickeln sich nun weiter und füllen ihn bald ganz aus. Bald verläßt seine Jugend lyrik die Schulsphäre, obwohl sie sich noch lange in den überkommenen Formen bewegt. Er ver einigt sich mit Gleichgesinnten zu einem poeti-

sehen Bund, dessen Mitglieder sich „Freund und Bruder" bezeichnen und ihrem Namen den Bun deszirkel nachsetzen. Ein Zitat „Wisse, noch sind 300 edle Ritter in unserer Hauptstadt", das auf dem Umschlag von Stelzhamers „Erstlingsver suchen" steht, mag der Wahlspruch dieses Bun des gewesen sein. Nächtliche Spaziergänge mit Schwärmereien für Mädchen und heimliche Be chergelage bilden außerdem den Inhalt dieses Bundes. Das erste erotische Erlebnis Stelzhamers nimmt keinen ganz gewöhnlichen Verlauf. Es zieht sich über zehn Jahre hin, und noch der 55jährige wird auf eine merkwürdige Weise daran erinnert. Antonie Nicoladoni stammt aus einer italieni schen Familie, wohl einer Musikergeneration, die durch die kirchenmusikalischen Bedürfnisse Salzburgs dorthin gezogen worden war. Die da mals 14- oder 15jährige Antonie lebte in Salz burg in der Obhut einer Tante, die der deutschen Sprache kaum mächtig war. Zweifellos hat die ses südlich Fremdartige an dem Wesen Toras (wie er sie gewöhnlich nennt) einen lange an haltenden, durch Zwischenspiele nicht verlösch baren Eindruck hinterlassen. Wie der junge Stelzhamer in das Haus der Nicoladoni kam, darüber findet sich nirgends etwas angedeutet. Jedenfalls handelt es sich in Wirklichkeit nicht um jene vornehmen Verhält nisse, in die Tora in den verschiedenen „Urey"- Fragmenten versetzt wird. Die Beziehungen be gannen vielleicht noch als eine Kinderfreund schaft (vgl. „Die große Wanderung", II. Teil), doch bald wird der schwerblütige Innviertier durch seine erste Liebesempfindung in schwere Kämpfe gestürzt, aus denen er sich langsam zur Klarheit durchringt („Nachhall der Liehe"). Sie, wieder ganz südlich, ihrer Wirkung früh bewußt und sicher, lenkt heiter und überlegen die dämonischen Triebe der ihr entgegenbrau senden Seele. Aber er zieht seine Kreise immer enger um sie, und sie unterliegt seiner Aus dauer und schließlich der Gewalt seiner Kunst begabung. Drei Gedichte von den Osterferien 1821, die ein zigen gleichzeitigen über das Verhältnis zu An tonie, bezeichnen diese Wendung tmd zeigen ihn auf der Höhe seines Glückes. Das Verhält nis wurde von dem immerhin schon Neunzehn jährigen durchaus rein und ideal aufgefaßt. Die verschiedenen späteren, meist fragmentarischen Entwürfe, die dieses erste Verhältnis zu Antonie zum Gegenstand haben, lassen sich weder in den tatsächlichen Begebenheiten, noch in der inneren Haltung, die Stelzhamer und ihm gegenüber Tora dort einnimmt, recht zur Deckung bringen. Soviel ist wohl sicher, daß er bald nach dem Geständnis ihrer Gegenliebe sich mit seinen For derungen an dieses Verhältnis über sie hinweg schwingt, an dem Genuß ihrer liebenden Gegen wart kein Genüge mehr findet und die Geliebte bald launisch zu tyrannisieren beginnt. Das dürfte auch der Grund für den bald erfolgten Abbruch gewesen sein und nicht äußere Anlässe, wie sie Anton Matosch allzu novellistisch in seine Stelzhamer-Biographie^ übernommen hat. Dort wird erklärt, daß die Tante die Beziehungen als mehr als Kinderfreundschaft erkarmt und Tora eilig in ein Kloster gesteckt habe. „Unsere Herzen waren eben noch zu jung und unkräftig, um ein anderes als ein Siebenmondenkind zu zeugen und das mußte natürlich sterben" heißt es über diesen ersten Abbruch in dem „Urey"-Fragment „Sieben". Eben so spricht dort Tora: „Kaum sieben Monden hatte unsere Jugendliebe bestanden, als du Urey den Frieden störtest und den schönen Herzensbund auflöstest." Mit dem Übertritt in das Lyzeum im nächsten Studienjahr geht Stelzhamer nach Graz. Dafür war wohl nicht Antonie die Ursache, sondern nüchterne elterliche Erwägungen, da Bruder Pe ter dort eine Stelle gefunden hatte, nachdem er das Studium endgültig aufgegeben. Im Gegen teil, der Namenstagsbrief, den ihm die Freunde vom poetischen Bund, die er damit verlassen hatte, am 2. Dezember 1821 nach Graz schrei ben, enthält Andeutungen von einem andern „Stern, der ihn mit seinem lieblichen Strahlen nach Grätz gezogen habe", übrigens anscheinend auch einer Italienerin, vielleicht einer aus dem Bekanntenkreis der Nicoladoni. Auf Antonie darf man es wohl beziehen, wenn es darin heißt: „Vergiß aber doch deine N." (Nicoladoni) und an anderer Stelle „was von N. kommt aus Neu markt, wird dich nicht mehr interessieren". 1 Anton Matosch u. Hans Zötl: Die Lebensgeschidxte Franz Stelzhamers (= Aus da Hoamat, Bd. 29 u. 30), Linz 1931/32.

Als Ergebnis der fünf ersten Salzburger Jahre muß neben den erworbenen und kaum mehr viel erweiterten Grundlagen einer humanisti schen Bildung festgehalten werden, was zur For mung seiner Persönlichkeit entscheidend beige tragen hat: 1. Ungebrochene Erfolge in der Schule, im poe tischen Freundeskreis und in der ersten Liebe lassen sein Selbstgefühl hoch aufschießen. 2. Das erste Liebeserlebnis schließt sein zwi schenmenschliches Gefühl nach allen Seiten hin auf. Jegliches Verhältnis zum Mitmenschen, be dingt den Anspruch, als etwas Eigenes und Be sonderes oder sogar Einziges genommen zu wer den. 3. Freundschaft und Liebe erfüllen ihn in der Folgezeit. Vor allem der Liebe gibt er sich mit einer Ausschließlichkeit hin. Ihr gegenüber tre ten seine Studienergebnisse oder sein Reifen im Verhältnis zur Umwelt völlig in den Hinter grund. Graz: 1822—1827 Nach Absolvierung der drei Grammatikal- und der zwei Humanitätsklassen im Gymnasium in Salzburg tritt Stelzhamer im Herbst 1821 in das philosophische Lyceum in Graz ein, das die Vorbreittmg für die Universität darstellt. Hier in der kleinen Universitätsstadt wird er bereits in diesem Jahr mit dem burschikosen Treiben be kannt, und er tritt aus der harmlosen poetischen Salzburger Freundschaft in die poltemd-philisterfeindliche, hier- und nachtschwärmende Stu dentengeselligkeit über. Vor allem lernt er, nach dem Liebeserleben mit Tora, einen ganz anderen Typus des Weibes kennen. Durch eine schnellund leichtgeschürzte Verbändelung mit irgend einem Malchen, Röschen oder Gustchen, mit Domestiken auch, kommt der Student unend lich leichter ans Ziel seiner Wünsche. Die Posse „Der Brand", die aus dieser Zeit stammt, entwirft von diesem Leben ein treffen des Bildchen: Um dem Geizhals Steinhart die Einwilligung zur Heirat seiner Nichte mit dem Mediziner Wilhelm Sturm abzuringen, soll im Hinterstock seines Hauses ein kleines Feuerchen gelegt werden, damit sich Sturm dann als sein Lebensretter aufspielen kann. Der Trick soll na türlich gelingen, doch das Stück ist leider Frag ment geblieben. Nachtwächterkrawall, nächtliche Budenkneipereien, kreuzweise Verhältnisse mit süßen Mädchen füllen das Stück sonst aus. Studentischer Kraftüberschwang, „Sturm- und Drang"-Stimmung, ins Studentische übertragen, ist seine Haltung. In diesem tollen Treiben mag der junge Stelz hamer eine Weile Tora und was sie ihm bedeu tete, vergessen haben. In erklärlicher Reaktion auf die vorige Hochspannung widmet er sich dem anderen Typus von Liebesverhältnis, aber nicht lange. „Im Jahre 1822 drehte sich mir zum erstenmale das Herz im Leibe um.. heißt es in einem damals begormenen Tagebuch. Mag schon bald nach dem mutwilligen Abbruch die Sehnsucht nach Antonia wieder erwacht sein, oder schießt sie erst jetzt wieder hoch auf, als er von ihrer bevorstehenden Verheiratung hört — jedenfalls eilt er im Herbst 1822, diesmal an scheinend wirklich sich selbst bestimmend, von Graz nach Salzburg, um sie für sich zu retten. „Mein Herz hatte schlimme Kunde erhalten, da hieß es liegen und stehen lassen, was lag und stand, um Eines in weiter Ferne vor Abfall zu wahren, vor Fall zu retten. Und ich tat es, unbekümmert, rücksichtslos um Gegen wart und Zukunft. Beides, ja alles war mir untergegan gen in der Bodenlosigkeit meiner jungen Leidenschaft." (Aus: „Eine Heimich-Spieß-Geschichte") Es konnte ihm nicht gelingen, die Heirat der Ge liebten mit einem gut situierten älteren Mann, dem Domorganisten Anton Wittmann in Salz burg, zu verhindern. Sie erfolgte 1823. Über die Empfindungen Antoniens dabei wissen wir nichts, auf Stelzhamer machte diese erste große Enttäuschung den allerstärksten Eindruck (vgl. das „Urey"-Fragment). Für sein literarisches Schaffen bedeutet dieser Fall den Übergang zur Prosa, und zwar in ihrer subjektivsten Gestalt, dem Tagebuch. Dieses Erlebnis sprengt die Form der gebundenen Rede, die seiner Erregung nicht mehr mit der notwendigen Geschmeidigkeit und Bereitschaft folgen konnte. — Von diesem Tage buch, das er noch 1832 von 1822 an geschlossen mit sich führte, ist fast alles verloren gegangen. Wir müssen uns aus wenigen Notizen späterer Zeit eine Vorstellung zu machen versuchen, in welcher Art es geführt wurde. Jedenfalls durch-

aus lyrisch, in rhapsodischen Kapiteln, „Qua dern", aus denen er ja später mehrfach seinen „Liebesdom" zusammenzustellen versuchte. Erhalten dagegen sind einige Gedichte vom Juni 1823. Er war in Salzburg geblieben und setzte dort seine Lycealstudien fort. Im Mai 1823 mußte er wegen eines schweren Halsleidens das Spital aufsuchen. Das Gedicht „Nachtphantasie im Spital" vom 10. Juni 1823 zeigt einen derb physischen Zynismus. In einem weiteren vom 13. Juni „Am Tage St. Antons von Padua" (dem Namenstag Antoniens) nennt er den Trübsinn seinen einzigen „Freund in der Not". Sein Selbst gefühl hatte also zweifellos schon den ersten Bruch erlitten. Doch durch den fast zwei Monate dauernden Spitalsaufenthalt und die erzwungene Stillhal tung wurde auch eine gewisse Besinnung, zu nächst in religiöser Beziehung, herbeigeführt. Aus dem selbstbiographischen Stück, wo uns dies erzählt wird („Eine kleine Novelle ohne Titel und keine Dichtung"), geht nicht deutlich hervor, wie weit er sich vom überlieferten Glau ben entfernt hatte. Es handelt sich wohl über haupt mehr um die damit gewonnene Überzeu gung von der Wunderkraft des Glaubens, ja von ihm als Zentralkraft überhaupt, als um eine Wiederbekehrung etwa. Er erzählt also in der erwähnten „Kleinen Novelle", daß er, nachdem der hartnäckige und äußerst quälende Krank heitszustand, den er für die Dörrsucht hielt, schon fast zwei Monate gedauert und er schon an einer Heilung gezweifelt hatte, ihm der ret tende Gedanke gekommen sei, „wenn die Men schen nicht mehr helfen können, so kann es Gott". Er bittet den Hausgeistlichen, die unter lassene Eintrittsbeichte nachholen zu dürfen und den heiligen Leib zu empfangen. „Denn wie könnte Jesus durch deinen Hals ziehen, ohne der armen Kranken am Wege, der da ruft: Jesus, du Sohn Davids, mach mich gesund!, nicht auch zu erhören und augenblicklich zu heilen?" Er empfängt die Hostie und ist in drei Tagen dar auf gesund. Die Art Stelzhamers liebt zwar, langwierige Entwicklungsprozesse nachträglich in die Form solcher entscheidender Erlebnisse zusammen gedrängt zu erblicken und darzustellen; sonst dürfte man diesem Glaubenswunder nicht ganz den richtunggebenden Einfluß zuschreiben, wie er es tut. Vergessen darf freilich nicht werden, daß gerade nach Fiebererkrankungen der erste folgende Eindruck die geistige Richtung oft dau ernd bestimmt. Er hatte schon im Spital vom Hausgeistlichen gläubig-mystische Lektüre wie: Kornmanns „Sybille der Zeit", Kosegartens „Le gende" und Holzhausers „Auslegung der Offen barung Johannis" zu lesen bekommen. Bald dar auf wurde er mit den Werken Jakob Böhmes und Johann Kaspar Lavaters bekannt, und seine Weltanschauung nimmt von da an die Richtung auf die Seite der Gefühlsphilosophie und der Gefühlsreligion. „Im Herzen wohnt der Glaube, drum ist er die Zentralkraft des Menschen" („Eine kleine Novelle"). Noch in einer anderen Hinsicht aber bringt der Spitalsaufenthalt und die folgende Zeit eine Besinnung: Er begann sich am Verlust Antoniens moralisch schuldig zu fühlen. Durch die Hin gabe an den gewissen anderen Typus von Weib hatte er sein hohes Idealbild der Liebe geschän det und sich ihrer unwürdig gemacht. Zwei um drei Jahre auseinanderliegende Gedichte („Präfiguration", 1824, und „Der böse Feind", 1827), aber auch das ganze Thema der „Urey"-Fiagmente, „Nachhall der Liehe" und „Sieben" zei gen, wie langdauernd und wie tiefgehend der Konflikt in ihm wühlte, der zwischen der hohen und der niederen Auffassung der Liebe klafft. Die ganze Problemlage scheint sich noch einmal auf breiterer Grundlage praktisch erproben zu wollen, wenn er im Herbst 1824 wieder nach Graz geht, um das juristische Fachstudium am Grazer Lyceum zu beginnen, und dem alten Treiben dort wieder verfällt, fast gleichzeitig aber Antonie Witwe wird und der Weg zu ihr für ihn nun wieder frei wäre. Aus diesem Konflikt, den sein Tagebuch im Spie gel auffing, entwickelt sich die Virtuosität des Gefühls, die den „Lfre3/"-Typus kennzeichnet. Im Herzen und im Gefühl sitzt ihm nicht nur in religiösen Dingen die Zentralkraft, und gegen über dem Fortschritt in der Gefühlsfähigkeit bedeutet ihm der verstandesmäßige Fortschritt nichts. Das Ergebnis ist die „Herzensweisheit", die ihm Zeit seines Lebens genüge tat. Sein

inneres Leben entwickelte sich durchaus nicht nach geistig konstruierten Prinzipien. Zweifellos in diese Zeit ist also die „Urey"- Haltung zu versetzen, die deshalb kurz hier charakterisiert sein soll; Urey ist der Held schlechthin, der Held des egozentri schen Subjektivismus, der Held der ungebärdigen Ge fühlskraft in der Liebe und in der Kunst. Kunst wird möglich im Sinne einer wenn auch unproduktiven Ge samtkunst, im Sinne des „Lebens als Kunstwerk". Aber Urey ist nicht mehr der ungebrochene Held, er hat sich bereits an der Realität des Lebens seinen Knick geholt, wie das so treffend in der Schrift „Liebe" in dem Bild des polternden Liebeshelden symbolisiert wird, der von dem Nachtwächter unter listigen Vorspiegelungen in den Arrest gelockt wird, um die nächtliche Ruhestörung zu beseitigen. Urey bringt sich selbst in Situationen, aus denen sein Heldentum auf das schmählichste den Rück zug antreten muß. Immer und überall aber ist er der Liebesselige, ein der Liebesleidenschaft mit Ausschließ lichkeit ergebener, virtuoser Liebeskünstler. Die „Urey"-Haltung timfaßt die Jahre vom er sten Verlust Antoniens bis zum Wiederaufleben des Verhältnisses mit ihr und auch diese zweite Verbindung noch. Dann macht sie allmählich anderen Gefühlssphären Platz. Stelzhamer ver brachte diese Jahre am Lyceum und an der Uni versität in Graz. Wir wissen wenig von diesen Jahren, da seine Jugenderinnerungen nicht so weit reichen und speziell das geplante Kapitel seiner „Schulgeschichten", „Grazer Universitäts leben", tmausgeführt geblieben ist. In Graz ist es 1827 eine Rosa, an die sich seine anakreontischen Gedichte richten. In Vinzenz Wlassak gewinnt er einen treuen Freund, zu dessen Braut Anna er in nicht genau erkennbaren Beziehun gen stand, die aber wohl den Kreis der Ver ehrung nicht überschritten. Wann die Beziehungen zu Antonie wieder auf genommen wurden, läßt sich nicht eindeutig sa gen, wahrscheinlich aber erst während der Som merferien 1827. Es liegen darüber zwei Redak tionen vor, eine frühere im „Urey"-Ton in dem Fragment „Sieben", in der noch die Erlebnis schwere des Konfliktes zwischen geistiger und sinnlicher Liebe, die hier an den Punkt der Ent scheidung kommt, nachzittert, und eine spätere, frivolere Fassung in „Hundert Gulden" (Erster Moment), wo diese Problemstellung vergessen ist, dafür aber eine andere tragikomische Nebenerscheimmg dieses Konfliktes in den Vorder grund tritt, so daß sich beide Berichte ergänzen. Wie löst Stelzhamer seine Verstrickung aus sei ner Lebenslage heraus? Es wäre ein Problem ge wesen für den realistisch liebenden Bauernbur schen (vgl. „D'Ahnl"), es wäre keines gewesen für den in rein idealistischer Sphäre Lebenden, für den die sinnliche Seite der Erotik eine abso lute Nebensache dargestellt hätte. Es mußte aber zum lang anhaltenden Problem werden für den Bauernstämmling, der sich soweit als nur mög lich in das Ideal vorgewagt hatte, und in seiner Gründlichkeit und Ehrlichkeit beide Seiten in sich zur Deckung bringen wollte. Wie Stelzhamer seinen Fall löst, kommt dem Durchhauen des Knotens gleich. Er tritt einfach mit dem von dem andern Typus Weib gekann ten Anspruch auch an seine Tora heran. Wie weit ihm die junge Witwe, „mit der sich jetzt ein ganz anderes Lebenswörtlein reden ließ, als mit dem girrenden Fräulein dazumal", dabei ent gegenkam, ist unwesentlich. Das Fragment „Sie ben" rollt noch einmal die Frage auf, spricht deutlich von Gefühlsblumen und Gedankenster nen, zu denen Tora lachte, weil sie sie nicht ver stand. Da wird ihm von draußen, von einem singenden Wanderburschen, die Meinung bei gebracht: „Wie Kätchen war, ist Lieschen auch!" Noch ruft Urey entgegen: „Das ist erlogen, Tora ist nicht so!", aber der folgende Tag hätte Toras Fall gebracht, wenn das Fragment nicht an die ser Stelle abbrechen würde. So wissen wir über Stelzhamers augenblickliche Auffassung darüber nichts. Der „erste Moment" von „Hundert Gulden" dagegen handelt darüber, wie er mit jenem zwei ten, von dem andern Typus Weib her bekannten Anspruch an seine ideale Geliebte herantritt, mit dem Anspruch auf materielle Unterstützung. Um sich von dringenden Studentenschulden zu befreien, will er von der bemittelten Witwe ein Darlehen von hundert Gulden bekommen. Sie verspricht es ihm, hält ihn hin; es ergeben sich Schwierigkeiten in der Flüssigmachung; er schickt ihr endlich von Wien aus ein kaltes Ultimatum, auf das eine ebenso kalte Antwort erfolgt. Aber Stelzhamer ist bereits zu zermürbt, um aus sei nem Ultimatum Ernst zu machen, das Verhältnis schleppt sich noch ein paar Jahre mühselig wei ter.

Die einzig mögliche Lösung in jeder Hinsicht wäre die Verheiratung mit Antonie gewesen, der Knoten hätte nicht zerhauen, sondern auch auf der andern Seite geknüpft werden sollen. Stelzhamer hat das auch angestrebt, aber Anto nie ließ ihm darüber keinen Zweifel, daß er zuvor erst etwas werden müsse. Wien: 1827—1832 Das letzte Jahr seiner juridischen Studien absol viert Stelzhamer in Wien an der Universität, vom 8. November 1827 datiert der Immatrikulierungsschein der Universität Wien. Im Oktober hatte er Salzburg und Antonie in Glücklichkeit und hoffnungsfreudigster Stimmung verlassen. Nach dem bald eingetretenen Zerwürfnis mit Antonie kommt zu der inneren Not ein wohl durch das Ausbleiben der Hilfe von Antonie mitverursachter heftiger Einbruch äußerer, ma terieller Not. Das Stipendium und die elterlichen Hilfsmittel reichen nicht mehr aus, sein Kredit bei Verwandten und der Geistlichkeit in der Heimat ist erschöpft, denn er hatte sich wohl in den Ferienzeiten dort nicht ganz vertrauenerwekkend aufgeführt. Ein sehr bezeichnender Ant wortbrief der Mutter auf mehrere Bittbriefe Stelzhamers beleuchtet dieses Verhältnis. Es heißt in diesem Brief vom 3. März 1828 unter anderem: „Ich bin mit Dir so satt, als ich es mit dem Peter ge worden bin, und Du hast mir gesagt, auf das Geld schlägst keinen Wert; und warum schreibst Du so er bärmlich, wenn Du keinen Wert darauf schlägst. Du schreibst an den Herrn Pfarrer und an den Kaspar, es ist bei keinem nichts, denn deine Eltern sind es. Du schreibst freilich, wo man dich verstoßen und verlassen hat, oh nein, man hat Dir noch immer Hilfe geleistet und jetzt noch, ... aber Franz, es muß Dich nicht verdrießen, ich schreibe die Wahrheit, aber wir als Eltern verlassen Dich nicht. Daß Du dich alle Zeit versäumt hast, mußt Du selbst leiden, wir sind gottlob gesund, aber kein Geld in Händen." Der Notwinter 1827/28, von dem er in „Hun dert Gulden" (1. Moment) spricht, führt im März 1828 eine Nervenfiebererkrankung herbei, die ihn wieder ins Spital bringt. Auch von die sem Spitalsaufenthalt und den darauffolgenden Genesungswochen liegen einige Besinnungs gedichte vor, die sich aber jetzt um ein anderes Thema drehen: um die Auseinandersetzung mit der unbarmherzigen Welt, deren Forderungen er sich immer weniger gewachsen fühlt, soweit er ihnen nicht überhaupt bewußt entgegenhan delt. Das Gedicht „Ehr und Reputation" vom 20. April zeigt, wie er sich, bürgerlich genommen, bereits auf der schiefen Bahn befindet. Aber bald kehrt ein „jubelnder Lebensgeist" nach dem an dern wieder, und Liebesgedichte vom Mai bis August 1828 lassen keinen Zweifel, daß er wie der seine alten Wege wandelt. Seine Studienzeit geht zu Ende. Dem juristischen Fach hatte er sich anscheinend auch ohne Prinzip zugewendet. Zur Theologie fühlte er sich nicht veranlagt, für das medizinische Studium konnte er die Kosten nicht aufbringen, es blieb daher nur Jus übrig. „Gab es jemals einen Unberufeneren dabei, so war ich es. Das was durchaus nicht ist, sondern wäre, weim die Menschen so wären, wie sie sein sollten, mußte idi studieren; alle Poesie ist da zu Ende und wird daran zu Schanden." Mit solchen Gesinnungen fühlt er sich allerdings auch in seinem Fach recht unsicher, als es zu den Schlußprüfungen kommt. Über ihren Ausgang genügt wohl zu wissen, daß er 1836 (!) neuerlich nach Wien geht, um seine Studien zu vollenden. Verlor er so zusehends den Anschluß an das bürgerliche Leben, so suchte er um so mehr den Anschluß an die Künstlerkreise. Er hatte im Herbst 1828 eine Instruktorstelle bei den Kin dern des Apothekers Michael Ostertag in WienReindorf (XV. Bezirk) angenommen und dort auch Quartier bezogen. In der Nähe hatte er mit einer Netty Gobenherger ein Liebesverhältnis angeknüpft, das wohl durchaus dem niederen Typus angehörte und vielleicht neben den wie der mit Antonie angeknüpften Beziehungen un terhalten wurde. In den März 1829 fällt sein leidenschaftliches Werben um eine Magdalene, unter der wir uns wohl ein Wirtstöchterchen zu denken haben. Ein lebhaftes Bier- und Kaffee schenkentreiben, wenn das Geld nicht mehr reichte, auf Kredit, ist überhaupt das Milieu, in dem wir uns Stelzhamer in den folgenden Jahren vorzustellen haben. Er wird so mit einem Kreis von Wiener Schriftstellern bekannt, die freilich auch nicht auf allzu hoher Stufe stehen. Es handelt sich wohl um den Rattenschwanz, den die Journalliteratur der Zeit nach sich zog.

der gleichwohl unter sich eine förmliche Hier archie einhielt von den Anfängern über die noch nicht und schon Gedruckten^ bis hinauf zu denen, die gar schon ein Büchlein ediert hatten. Indem er so von einem zum andern empfohlen worden war, geriet er mitten in die Journalliteratur und ihr Getriebe hinein. Er sah hier einen Lebensweg und wollte ihn gehen, trotz aller anfänglichen „Miserabilität". Er lernte hier einen neuen Ton in der Literatur kennen, den „Modernen", den auf das Aktuelle gestellten, den Journalistischen, und entfernte sich zunehmend von den bisheri gen allgemein menschlichen Grundlagen seiner Kunstübungen, befreit sich freilich auch jetzt erst von den letzten Resten des Schulschmacks in seinen Gedichten. An den Redakteur Friedrich Witthauer, damals Herausgeber der „Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode", übersendet er 1829 einige Proben: „Ich kann dem Verlangen nicht länger widerstehen, midi endlich meinen lieben Mitmenschen als das, wofür mich eine kleine Genossenschaft nimmt und ich mich selbst zu halten angefangen habe, nämlich als Poet zu zeigen." Immer deutlicher möchte er im Künstlertum sei nen Beruf sehen, und der Gedanke, in der Schriftstellerei sein Brot zu verdienen, der ihm während seiner Studentenzeit wohl kaum nahe gekommen war, gewinnt Herrschaft über ihn. Damit tritt ein neues Problem auf, das der Durchsetzung seiner künstlerischen Individuali tät, mochte sie auch an allen Stellen nicht gleich stark sein, gegenüber der Welt. Zwischen Ostertag und dem anspruchsvoll auf tretenden Hauslehrer war es bald zu unpassen den Auseinandersetzungen gekommen. Nach einem Jahr, im Oktober 1829, verläßt er die Stelle. Er findet einen anderen Hauslehrerposten in Bielitz (Schlesien) bei dem dortigen Postmei ster Johann Dietzius, hält sich aber dort noch weniger lange. Anton Matosch^ verlegt vor Bie litz noch eine Reise in die Heimat zu Antonie. Als Beleg dafür habe ich einzig das Gedicht „Wehmut heim Scheiden" vom 10. Oktober 1829 ausfindig machen können, das mit seinen tiefen Gefühls- und ernsthaften Treueversicherungen wirklich nur auf Antonie bezogen werden kann. In Bielitz hatte er sich unter Leitung der Maler Auer imd Waniczek (von denen der erstere viel leicht identisch ist mit einem Alois Auer von der poetischen Freundschaft im Salzburger Gymna sium, der ihn wohl auch nach Bielitz empfohlen hatte) der lang vergessenen Malkunst wieder angenähert. Am 4. April verläßt er Bielitz wie der; in einer Tagebuchepistel von der Rückreise hören wir: Unter seiner (Auers) Anleitung wäre ich richtig ein Zeich ner geworden. Zwar habe ich in Wien in der Akademie noch mehr Gelegenheit. Was wird deim doch am Ende aus mir werden. Ich kann es noch zum Porträtmaler bringen, aber wo bleibt darm der Schauspieler, ich kaim es auch zum Beamten bringen, wo bleiben dann die Beiden. Ich kann auch noch jetzt Professor werden, ach wo bleiben dann die Drei! ... Unglückselige Verzweigung des Talentes ... Ich kaim zu keiner Wahl, kann zu kei nem Ende kommen... ich möchte zusammenhängen und zerstreue mich. Ich möchte mich zerstreuen und hänge zusammen." Auf der Rückreise und an den ersten Tagen in Wien hat er ein galantes Abenteuer mit einer Reisegefährtin, die ihren kranken Bruder in Wien besuchen will. „Die liebende Schwester traf den teuren Bruder lücht mehr, vor einigen Tagen starb er elend dahin. Unglück liche! Statt den Bruder zu finden, verlorst du auch deine Unschuld! Statt frohem Herzen und freudiger Nachricht bringst du Tod und Reue ins Vaterhaus. Den Tod klagst du an und mich, aber der Tod und ich sind nur Gottes Fügungen, Vollstrecker seines unerferschlichen Willens." Hier erblicken wir den Gipfelpunkt eines der Realität gegenüber sich verantwortungsfrei füh lenden Subjektivismus. Stelzhamer geht von die sem Erlebnis weg zu seiner Netty, oder eigent lich, da er dort nicht recht vorkommen karm, ins Wirtshaus und ergötzt sich dort an einer Schenkenschönheit. Fast jede dieser Tagebuch episteln schließt aber mit dem Ausruf der reinen Liebessehnsucht: „O Antonie, o Tora!". Nach Bielitz hatte er noch Briefe von Antonie bekom men, worüber er in seinem Tagebuch vermerkt: „Ich hätte nicht zu sorgen, sagt sie, mein Lämmlein kommt nicht zum Oberförster. Aber sonst ist das ganze Schreiben — Ausbruch von Mißmut. Mein ungeregeltes Treiben verdrießt sie, und sie philosophiert vielleicht lieblos, aber recht vernünftig. Kann ihrs nicht verdenken, aber ich kann nicht anders." 1830 ist das Gefürchtete eingetreten, sie verhei ratet sich wirklich zum zweiten Male, und zwar mit Josef Tremml, dem Chorregenten und Orga nisten zu St. Peter in Salzburg. Von 1831 datieren ® Vgl. a. a. O., S. 320.

noch die Gedichtreihen: „Melancholische Wei sen" und „Täuschungen", in denen er den Ver lust Antoniens betrauert, aber dann findet er sich langsam damit ab. Literarisch findet er nun in Wien Anschluß und Aufnahme in einen festgefügten Kreis, zu des sen Mittelpunkt sich immer mehr Johann Nepomuk Vogl entwickelt. Die den Tag und Ort wechselnden Zusammenkünfte bringen neben dem Austausch der literarischen Erzeugnisse al lerdings recht viel an derber Geselligkeit. Es hätte zweifellos auch hier für Stelzhamer man ches zu lernen gegeben, aber seine künstlerische Selbstgewißheit macht ihn dazu nicht aufgelegt. Statt dessen hält er sich mehr an die gesellige Seite und an die materiell Unterstützenden die ses Freundschaftskreises, die er in aller erdenk lichen Form in Anspruch nimmt. Außerdem er wartet er sich von den fortgeschrittenen Genos sen Unterbringung seiner nunmehr meist novel listischen oder feuilletonistischen Produktionen, ohne daß wir erfahren, daß er damit Glück ge habt hätte. Die Streck-Geschichte „Der Fund" blieb mehrere Jahre tmgedruckt bei Adolf Bäuerle in der Redaktionsstube der „Wiener Thea terzeitung" liegen, und seine novellistische Erst geburt „Die alte Schwäbin" war schließlich bei einem Kollegen, dem er sie zur Kritik übergeben hatte, überhaupt nicht mehr auffindbar. Freilich, für die nicht ganz unbedeutende feuilletonistische Tätigkeit eines späteren Lebensabschnittes war diese Betriebsamkeit vielleicht die notwendige Vorbedingung. Bei all dem war aber Stelzhamer seit Bielitz ohne geregeltes Einkommen. Die kleinen Unter stützungen von Freunden und die größeren Dar lehen von immer schwieriger zu gewinnenden Gönnern des poetischen Klubs konnten natür lich seinen Lebensbedarf nicht decken. Die Schriftstellerei warf so gut wie nichts ab. So verfiel er buchstäblich in Elend. An verschiedenen Stellen spricht er von diesen Jahren, 1830 bis 1832, von den Notjahren. Nur Anfang 1832 hatte er eine Lehrerstelle in dem Erziehungs institut Blöchlinger auf der Wieden gefunden. Vielleicht war damit die Redaktion einer Jugend zeitschrift verbunden, jenes „poetischen Hunger brünnleins", von dem die „Ausleitung" zu „Morgensturm und Abendrot" spricht. Die Tiefe des Elends, ja die verkommenen Umstände, in denen sich Stelzhamer damals bewegte, zeigt uns am besten ein Brief vom 7. April 1832 an einen seiner Wiener Gönner, „Herrn v. Krenmayer": „Was habe ich nicht alles getan und unternommen, um aus meinem Elend zu kommen, um mir das allenthalben verlorene Vertrauen wieder zu erwerben; umsonst. Tiefer noch als damals, wo Sie mich das erstemal unterstützten, versank ich in Not und Mühsal, so tief, daß mir das Ärgste widerfuhr, daß ich schon selbst zu mir alles Ver trauen verlor... Aber ich sollte auch diesmal nicht un terliegen, ich fand zufällig mit Anfang dieses Jahres honette Unterkunft und leidliches Auskommen, ich konnte wieder meine Stiefel sohlen, meine Kleider aus bessern, meinen Mantel auslösen lassen; noch mehr, ich konnte alte Wäscheschulden und kreditierten Mietzins bezahlen, ich konnte guten, aber auch armen Freunden die erbärmlichen Kreuzer- und Groschenschulden ab tragen ... Ich fühlte mich wieder von einigem Wert und wollte eben den ersten freien Atemzug tun..." Aber nach wenigen Wochen ist es damit auch schon wieder vorbei. Was nun folgt, ist nicht anders zu deuten, als die Flucht in die Bürger lichkeit. „Drei Jahre waren vergangen, Jahre öde und unfruchtbar wie die Welser Heide, Jahre lang und kummervoll wie das Gesicht des Ritters von der traurigen Gestalt, bittere, erfahrungsreiche Jahre, drei an der Zahl! Da geschah einmal in einer schlaflosen Nacht eine wunderbare Be wegung in meinem Herzen, und mit einer früher tue gehabten Erleichterung und Klarheit erkannte ich die Nichtigkeit meines bisherigen Strebens und Treibens und zugleich auch die Notwendigkeit und die Mittel und Wege, es zu ändern... Ich beschloß nichts weniger als mich augenblicklich von der schnöden, schlüpfrigen Welt ab- und in reinerem, höherem Leben dem hehren Him mel zuzuwenden." Stelzhamer beschloß, dem elterlichen Wunsch Folge zu leisten und mit dem nächsten Studien jahr in das Priesterseminar in Linz einzutreten. Linz, Salzburg, München, Passau: 1832—1836 Überall in Stelzhamers Erinnerungen, wo er von seinem Entschluß, in den Priesterstand einzutre ten, spricht, finden wir als dessen Tendenz die entscheidende Rückkehr zur Bürgerlichkeit ange deutet, am deutlichsten aber in den zwei Doku menten, die den verlassenen Vogl'schen Kreis schildern. Das ist die „Ein- und Ausleitung" zu „Morgensturm und Abendrot" rmd ein Brief-

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