1. Die Leinenindustrie a) Fladisgarnspinnereien Die Flachsgarnspinnerei wurde vorwiegend als Hausindustrie im Mühlviertel betrieben. In Stadl-Paura bei Lambach existierte eine große Fabrik. Seit Beginn der siebziger Jahre verlang samte sich das Wachstum dieses Unternehmens. Da der oberösterreichische Markt für Flachs garne begrenzt aufnahmefähig war, mußte ein Großteil exportiert werden. Im Jahre 1872 ging die Hälfte der Erzeugung ins Ausland, vornehm lich nach Deutschland und Italien^^''. Die Aus fuhr litt unter den Folgen des deutsch-französi schen Krieges. „Obwohl die Produktion (1871) eine wesentlich geringere war als früher, so war doch der Absatz derartig gering, daß sich zum Nachteil der Produzenten bedeutende Lager an Garn anhäuften^^®." Der Mangel an Arbeits kräften wirkte erzeugungshemmend und führte zu höheren Löhnen. Neben diesen Erschwernis sen belastete das Rohstoffproblem die Produk tivität des Unternehmens. Auf Grund der min deren Qualität des Ausgangsmaterials, der ober österreichische Flachs war unrein und spröde, mußte dieser Grundstoff aus Rußland importiert werden®^®. Die ausländische Schutzzollpolitik verschlechterte ab 1875 die Geschäftsaussichten der Firma. Zwischen 1875 und 1879 fiel die Zahl der Beschäftigten um 44,6 Prozent. Die weitere Existenz des Unternehmens war bedroht. Zu Beginn der achtziger Jahre konnte die RückläuLandes. Nach dem Verlust der Lombardei und Venetiens als Hauptabsatzgebiete für oberöster reichisches Leinen, ging die Zahl der Weber stark zurück und beschränkte sich schließlich auf das Mühlviertel®®^. Die drei bestehenden Fabriken in Lichtenau, Hel fenberg und Aigen arbeiteten im Verlagssystem und beschäftigten nur wenige Personen in der Fabrik. Neben diesen Unternehmen versorgten noch Kaufleute und Händler Mühlviertler Weber mit Garnen und nahmen das Leinen ab®®®. Diese Art der Erzeugung wurde bis 1873 erfolgreich betrieben, und die Gewebe, in erster Linie grö bere Leinen, in Wien und Ungarn abgesetzt®®®. Der Börsenkrach von 1873 leitete den Ruin der oberösterreichischen Leinenindustrie ein. Die strukturellen Schwächen wurden nun empfindlich spürbar: aa) Fehlen von geeigneten Verkehrsverbindungen. Der schon lange geforderte Bau der Mühlkreisbahn war nodi immer nicht realisiert worden. bb) Rückständigkeit auf technischem Gebiet. Während in anderen Ländern bereits umfangreiche mechanische Webereien arbeiteten, verharrte das Mühlviertel bei den längst veralteten Handstühlen in der Hausindustrie®^''. cc) Konkurrenz durch andere Fasern. Für die Herstellung feiner Textilien bevorzugte man immer mehr die billi gere Baumwolle. Vor allem die englische Juteindustrie verdrängte Packleinen, Gradel und rohe Leinen vom Markt®®®. Durch die Änderung in der Konsumgewohnheit ging die Erzeugung von Drill- und Modeleinenstoffen stän dig zurück. Betriebe Beschäftigte Spindeln Antrieb in PS Flachsspinnerei 1871 1875 1880 1885 1 1 1 1 500 510 282 500 10.000 8.000 8.000 7.500 1 567 11.681 620 1 532 10.106 550 figkeit zum Stillstand gebracht werden, als man in Belgien neue Exportmärkte fand. Einen wei teren gesicherten Bestand des Betriebes erhoffte man sich einerseits von der Hebung der Leinen weberei, anderseits von einer Verbesserung der Qualität des heimischen Flachses®®". h) Leinenweberei Die Leinenweberei war einst neben der Eisen industrie der produktivste Industriezweig des dd) Fehlen von Ausbildungsmöglichkeiten. Den Mühl viertler Webern fehlten die technischen und kommer- ®''' Summarischer Bericht 1872 . . ., S. 110 f. ®'® Summarischer Bericht 1871 . . ., S. 99. ®'® Statistischer Bericht 1876—1880 . .., Bd. 2, S. 197. ®®"' Statistischer Bericht 1881—1885 .. ., S. 583. ®®' Ebenda, S. 575. ®®® Hoff mann Alfred, a. a. O., S. 18. ®®® Summarischer Bericht 1871 ..., S. 99. ®®^ Statistischer Bericht 1881—1885 ..., S. 577. ®®® Summarischer Bericht 1873 ..., S. 135.
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