OÖ. Heimatblätter 1973, 27. Jahrgang, Heft 3/4

ren vor dem Wiener Börsenkrach entstanden die für das Wirtschaftsleben des Landes not wendigen Bahnverbindungen. Das für die Aus bildung qualifizierter Arbeitskräfte notwendige Schulwesen (Real-, Handels- und Gewerbeschu len) hatte man lange vernachlässigt. Ein Kapi talmarkt war bis Ende der sechziger Jahre so gut wie nicht vorhanden. Erst im Jahre 1869 wurden die beiden großen Banken gegründet, von denen die Industrie- und Commercialbank als Vertreterin des industriellen Gründertums die Wirtschaft des Landes ankurbelte. Trotz verschiedentlicher Verbesserungen der Infrastruktur während der Gründerzeit waren die Vorausset zungen für ein Aufholen Oberösterreichs ungün stig. Von den einzelnen Industriezweigen hatte in Österreich die Eisen- und Maschinenindustrie nach 1848 die beste Entwicklung genommen. Für Oberösterreich traf diese Tatsache nicht zu. Hier stand einem ständigen Niedergang der Klein eisenindustrie keine Gegenbewegung der Fabri ken gegenüber. Mit Ausnahme der Waffenfabrik in Steyr fanden die kleinen Unternehmer nicht den Weg zur fabriksmäßigen Erzeugung. Der wirtschaftliche Aufschwung ging in Oberöster reich von anderen Produktionszweigen aus. Die Granitsteinindustrie profitierte von der Baukon junktur der Gründerzeit. Die gute Ausstattung mit Rohstoffen und Energie begünstigte den Aufstieg der Papierindustrie. Durch die hohen Zuwachsraten dieser Branchen machte sich seit Beginn der siebziger Jahre ein Mangel an quali fizierten Arbeitskräften und Rohstoffen bemerk bar, was zu einer Abschwächung der Konjunktur beitrug. Von dieser Tendenz waren im beson deren der Braunkohlenbergbau und die Papier industrie betroffen. Es läßt sich also feststellen, daß Oberösterreich nicht nur während des Neoabsolutismus, sondern auch in der Gründerzeit in seiner industriellen Entwicklung gegenüber der Monarchie merklich zurückgeblieben ist. Inwieweit sich nun die Voraussetzungen für eine wei tere Industrialisierung Oberösterreichs während der Krise entwickeln konnten, steht am Beginn der nach stehenden Untersuchung. Dabei wurden die Be reiche wie Bevölkerungsentwicklung, Wandel der Be rufsstruktur, Verkehrserschließung, Kapitalmarkt, be rufsbildendes Schulwesen, Förderung der Industriali sierung durch Staat und Land ausgewählt, weil sie einer seits meßbar sind, andererseits am besten die Chancen einer Industrialisierung Oberösterreichs charakterisieren. Die Beantwortung der Frage, ob der Bergbau, ein wei teres wachstumsförderndes Merkmal der Wirtschaft, sei ner Rolle als Energie- und Rohstofflieferant für die Industrie Oberösterreichs gerecht werden konnte, schließt an diese Ausführungen an. BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG Eines der wesentlichsten Kennzeichen der indu striellen Revolution ist die parallel dazu verlau fende Bevölkerungsexplosion. Der Zusammen hang zwischen Wirtschaftswachstum und Bevöl kerungsanstieg ist in letzter Zeit von C. M. Cipolla und H. J. Habakkuk® besonders hervor gehoben worden. Demgegenüber wurde aber früher von Autoren betont, daß nicht in allen Phasen einer Bevölkerungszunahme auch wirt schaftliches Wachstum stattfand^. Dennoch er scheint für das 19. Jahrhundert eine rasche In dustrialisierung ohne die damit gleichlaufende Erhöhung der Einwohnerschaft wohl kaum denk bar. Die österreichisdx-ungarische Monarchie zeigte in der Bevölkerungsvermehrung gegenüber den industrialisier ten Staaten Europas eine langsame Entwicklung. Der Anteil Oberösterreichs an der Einwohnerschaft Zisleithaniens betrug 1869 nur 3,6 Prozent und ging bis 1890 auf 3,3 Prozent zurück, obwohl die Bevölkerung im gleichen Zeitraum von 731.579 Personen auf 785.831 anstieg. Verglichen mit der österreichischen Reichshälfte nahmen sich die Zuwachsraten Oberösterreichs relativ bescheiden aus. Einem jährlichen Wachstum von nur 0,34 Prozent stand einer Zisleithaniens von 0,8 Prozent im Zeitraum 1869 bis 1890 gegenüber. Es ist also ein deutliches Zurückbleiben Oberösterreichs feststellbar. Bevölkerungswachstum 1869—1890 (in ®/o) österreichische Oberösterreich Reichshälfte insge pro insge- pro samt Jahr samt Jahr 1869—1880 3,8 0,34 9,5 0,83 1880-1890 3,5 0,34 7,9 0,77 1869—1890 7,4 0,34 18,2 0,80 ' Cipolla Carlo M., Wirtschaftsgeschichte und Welt bevölkerung. München 1972. Habakkuk H. J., Popu lation growth and economic development since 1750. Leicester 1972. '' Hartwell R. M., Die Ursachen der industriellen Revo lution. Ein Essay zur Methodologie. In: Industrielle Revolution. Hrsg. von Braun Rudolf, Fischer Wolfram, Großkreutz Helmut und Volkmann Heinrich, Köln - Berlin (1972), S. 51.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2