OÖ. Heimatblätter 1973, 27. Jahrgang, Heft 3/4

hilde Fessl besuchen durfte^". Offenbar in letzter Minute im Saal angelagt, wollte sie sich auf ihren Platz begeben, verirrte sich dabei und „kam end lich zu einer letzten Tür im Gang, die offen stand". Sie schreibt: In der Suche um ein verstecktes Plätzchen fielen meine Augen auf einen alten Herrn, vorne in einer Ecke. Er war nicht festlich gekleidet, etwas beleibt, glatzköpfig und ungemein vertrauener weckend. „Zu diesem alten Herrn stelle ich mich, da bin ich sicher," dachte ich mir. Ich ging auf ihn los und stellte mich hinter ihn. Da drehte er sich um, sah mich erstaunt an und sagte: „Ja, wie kom men denn Sie daher?" „Ich weiß so, daß ich nicht hergehöre. Ich habe mich vergangen. Aber ich kann gleich wieder fortgehen. Ich werde schon den richtigen Zu hörerraum finden." Da protestierte er lebhaft. „Na, na, na, bleib'ns nur da, ist mir ganz recht, daß S' da sand. Es fangt a glei an." Und wirklich begann das Kon zert. Da vergaß ich alles. Meine sonderbare Lage, den alten Herrn, die schwarzen Fracke rundher um — und war nur mehr in der Musik. Als der erste Satz zu Ende war, drehte sich der alte Herr wieder um und fragte: „Hats Ihna gfalln?" Ich, noch ganz benommen: „Wunderbar! Es ist ja von Bruckner!" Da sagte er, auf sich deutend: „Na, das bin ja eh i." Ich war sprachlos. Nicht, daß sich meine Phantasie den Bruckner schon irgendwie vorgestellt hätte, — aber daß der alles andere als imponierende, ja fast komische alte Herr der Schöpfer dieser herrlichen Tonwerke sein sollte, das konnte ich mir nicht zusammenreimen. Da begann, wie mir schien, auf Engelsschwingen der zweite Satz! Und bald sah ich alles in einem anderen Licht und war bis ins Irmerste erschüt tert, daß ein so einfacher Mensch dazu auser wählt war, uns diese göttliche Musik zu schen ken. In der nächsten Pause plauderte er immer mit mir. Einmal sah er an seiner Kleidung herunter und sagte: „Grad heut — muß ich wieder so ein altes Gewand anhaben." Dann griff er an seinen Hals. „Der Kragen is mir a wieder viel z' weit — wissen S', i hab's gern bequem. Warm i aber gwußt hätt', daß Sie daher kommen, hätt' i schon was Besseres angezogen." Er fragte mich, wie ich heiße, wer ich sei und woher ich komme. Ich sagte, daß ich aus Krems münster in Oberösterreich komme, die Tochter des dortigen Rechtsanwaltes Dr. Fessl sei und so weiter. Er sagte sehr erfreut: „I bin a aus Oberöster reich. Wann i wieder aussi komm, dann bsuch i Ihna, ganz gwiß. Aber wann S' mir in Wien be gegnen, da reden S' mi an. I bitt Ihna, tun S' das. Wissen S', i bin auf der Straßen oft so in Gedan ken, daß i kan Menschen bemerk, und da war mir so furchtbar lad, wann i an Ihna so vorbei gang. Warm Ihna mei Nam net einfallt, denken S' an a Bruckn." In Wien sah ich ihn nicht mehr. Doch nach zwei Jahren kam er wirklich nach Kremsmünster. Ich war damals schon verlobt. Eines Tages nach Tisch saß ich im Wohnzimmer am Fensterbrettl und nähte an meiner Ausstattxmg. Da klopfte es, ein Herr machte die Türe auf und ließ einen anderen respektvoll voraus gehen. Ich erkannte sofort Bruckner. Wie er mich erblickte, rief er erfreut: „Da is s' ja!" Diese etwas sonderbare Begrüßung hat mir spä ter sein Begleiter, der Organist Leitenmayr, er klärt. Bruckner hatte nämlich im Stift, wo er zu Gast war, gesagt: „I muß an Bsuch machen. I hab in Wien a Tochter von Dr. Fessl kennen gelernt. Die muß i wiedersehn." Da lachten die Stiftsherren und sagten: „Das wird schwer sein. Der Fessl hat 5 Töchter." „Das macht nix", sagte Bruckner, „die Mathilde find i schon außa, die kenn i glei." Ich sprang vom Fensterbrettl herunter, ging ihm entgegen und gab ihm die Hand. Er wandte sich zu seinem Begleiter und sagte: „I dank Ihna schön, daß S' mi hergführt ham. Wann S' wolln, können S' wieder heimgehn." Er nahm mit uns den Jausenkaffee, spielte auch lange auf dem Klavier. Nach einer Bleistiftnotiz von unbekannter Hand im Anschluß an den maschinenschriftlichen Text, in den mir Frau Preibsch freundlicherweise Einblick gewährte, heißt es: „Konzert war am 24. Feh. 1889 im Bösendorfersaal in Wien, gespielt wurde die VII. Sym phonie von Bruckner unter Hans Richter, Veranstalter war der Wagner Verein".

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