Unbekannte Frauenbildnisse aus dem Nachlaß von Anton Bruckner Von Wilhelm J e r g e r Mit 9 Abbildungen Wie bereits mitgeteilt werden konnte, wurden umfangreiche Materialien aus dem Besitz von August Göllerich^ durch seinen Enkel Hugo RabitscM der Bibliothek des Bruckner-Konservato riums des Landes Oberösterreich überantwortet. Diese umfangreichen Materialien bergen auch eine Anzahl von Photographien verschiedener Persönlichkeiten, die aus dem Nachlaß von An ton Bruckner stammen. Darunter befinden sich unbekannte, in der Mehrzahl mit persönlichen Widmungen an Anton Bruckner versehene Frau enbildnisse mit Ausnahme eines einzigen, einer noch nicht identifizierten Photographie. Wir wis sen, daß August Göllerich in sehr engen Bezie hungen zu Anton Bruckner stand, und es ist daher nicht verwunderlich, daß Göllerich als einer der engsten Vertrauten Anton Bruckners in den Besitz dieser Frauenbildiüsse gelangte. Göllerich hat darüber keine Mitteilungen gemacht und hat auch keine Mitteilungen hinterlassen; wenigstens sind solche bisher noch nicht bekaimt geworden. In der Literatur, z. B. bei Göllerich und bei Max Auer, begegnen wir mehr als der Hälfte dieser Frauennamen nicht; in zwei Fällen sind wir auf eirüge wenige, vage Bemerkungen angewiesen. Das Kapitel „Bruckner und die Frauen" kaim somit „nicht bereichert" werden, denn in Wirkhchkeit gibt es ein solches nicht, und es kann auch ein solches — schon aus dem Wesensgefüge der Brucknerschen Persönlichkeit heraus® —, gar nicht geben. Franz Gräflinger, der Bruckner, wie er schreibt, „nur in seinen späteren Lebensjahren gekannt"^ hat, hat viel Richtiges zur Aufhellung dieses unseligen und falsch gesehenen Abschnitts aus Bruckners Lebenskreis beigetragen, aber nicht allzuviel Gehör gefunden. Gräflingers feinsin nige, sorgsame Formulierungen sind uns auch wegen ihres tiefen menschlichen Bezuges eine verläßliche Quelle und legitimieren ihn als einen wahrheitsgetreuen und glaubhaften Zeugen, so daß seine Aussagen historisches Gewicht erhalten. Er lernte „Freimde, Frauen und Mäd chen, die Bruckner kannten, denen er Briefe schrieb" persönlich keimen®. Im Gegensatz zu der Behauptung, daß sich Bruckner in Liebes abenteuer gestürzt haben soll — was wohl nur auf einer seltsamen Annahme beruhen kann —, muß hiezu das, was Gräflinger niederschreibt. hieher gesetzt werden: „Die wirkUch große Liebe hat Bruckner nie kennengelernt. Intime Bezie hungen, Liebesverhältnisse hatte er niemals"®. Zwischen Liebesabenteuern und der „unbe stimmten Sehnsucht nach einer eigenen Frau"'', und daran, daß Bruckner das „Schöne am weib lichen Wesen"® liebte, ist wohl noch ein Unter schied. Im übrigen: Wer Bruckners lautere Briefe an verschiedene Frauen kennt, wird aus keinem derselben etwas herauslesen können, das den zitierten Textstellen widerspräche. Bei Bruckner handelt es sich doch um naive und eher einfältige Schwärmereien, deren Aufrichtigkeit und sittliche Einstellimg unbezweifelbar ist, eben auch dem im Grund einfachen Zuschnitt des Mannes ent sprechend. Wie Unterhaltungen mit jungen Mäd chen vor sich gingen, ersehen wir aus uns vor kürzester Zeit zugänglich gemachten „Erinnerun gen einer Oberösterreicherin/Begegnung mit An ton Bruckner" von Mathilde Mayr, geb. Fessl®. Die Genannte hielt sich zum Zwecke ihrer musi kalischen Ausbildung von 1887 bis 1889 in Wien auf und berichtet in diesen Erinnerungen über ein Konzert, das die damals siebzehnjährige Mat- ' Die Sammlung ist aufgeführt in: Wilhelm ]erger, August Göllerich, Schüler und Interpret von Franz Liszt. Oö. Heimatblätter. 26. Jg. (1972), S. 23. 2 Hugo Rabitsch, Professor am Bruckner-Konservato rium in Linz. ' Vgl. hiezu u. a. Friedrich Blume, Anton Bruckner. In: MGG, Bd. 2, Sp. 359. — Wilhelm Furtwängler: Johan nes Brahms / Anton Bruckner. Reclam, Stuttgart 1952, S. 32 f. — August Cölleridi, Anton Bruckner. In: [Palma Päszthory], August Göllerich, Lebensbild eines tatkräftigen Idealisten. Linz 1927, S. 100 ff. — Hans Joachim Moser: Die Musik der deutschen Stämme. E.-Wancura-Verlag, Wien 1959. S. 818. — Ders.: Musikgeschichte in hundert Bildern. Reclam-Verlag. Stuttgart 1958. S. 698. — Ernst Kurth: Bruckner. MaxHesses-Verlag, Berlin 1925.1. Bd., S. 156 ff. * Gräflinger, S. 5. ® Gräflinger, S. 6. ® Gräflinger, S. 96. ' Gräflinger, S. 122. ® Gräflinger, S. 127. • Diese Erinnerungen stammen aus dem Besitz von Frau Magda Preibsch, Neuhofen a. d. Kr., einer Großnichte von Mathilde Fessl, verehel. Mayr, die sie Herrn Pro fessor Wilhelm Formann zur Veröffentlichung über lassen hat. Ich danke an dieser Stelle Herrn Professor Formann herzlich für die Erlaubrds, aus diesen kurzen Erinnerungen zitieren zu dürfen.
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