OÖ. Heimatblätter 1973, 27. Jahrgang, Heft 1/2

aus erkennt man, daß sich gerade in unserem Bundes land Oberösterreidi bedeutsame Kulturzentren und Kul turgrenzen abzeichnen. Gerald Egger Ernst Burgstaller: Felsbilder in Dsterreich (= Schriften reihe des Instituts für Landeskunde von Oö., Bd. 21). Linz 1972, 102 Seiten mit Textabb., 62 Tafeln mit 166 Abb., Geländepläne. S 320.—. Jetzt liegt endlich das zusammenfassende Werk von Ernst Burgstaller über die Felsbilder in Österreich vor. Es ist bereits einige Jahre her, daß auch in Österreich Felsbilder gefunden worden sind. Wie immer, wenn ein Beginn da ist, beteiligen sich viele an der Aufgabe, neue Funde zu machen, und so ist es hier auch eine große Gruppe von Bergsteigern, von Förstern, von interessier ten Laien, die sich an der Forschung beteiligt haben. Es sind 30 Belegstellen, die Funde gebracht haben. Manche liegen im tiefen Waldesdunkel, abseits von jeglichem Steig. Manche Bilder sind kaum zugänglich, und auch die Namen wie Holl, Hexenwand, Notgasse, Hundskirche, Kienkirche, Frauenwand, Betstelle, deuten darauf, daß in der Erinnerung des Volkes diese Stellen immer heilige Plätze gewesen sein müssen. Die Fundstellen verteilen sich auf Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten und Niederösterreich. Im Grunde haben uns diese Felsbilder gefehlt. In Skandinavien gibt es die große Fülle der Felsbilder der Bronzezeit und der Eisenzeit. In Italien finden sich die Felsbilder in der Gegend von Valcamonica, Prov. Brescia. Dazwischen war bis 1961 nur wenig an Fels bildern bekannt. Seit dieser Zeit, besonders seit 1965, sind diese Gravierungen aufgefunden worden. Der Stil und die Art der Bilder ergibt auch die Datierung. So, wie ein großer Teil der Bilder Skandinaviens dem letzten Jahrtausend angehört, der Eisenzeit, Hallstatt- und Latteezeit, so, wie die Bilder von Valcamonica in der größeren Anzahl der gleichen Epoche zuzurechnen sind, so auch diese Bilder der österreichischen Alpen. Die Datierung ergibt sich auch durch die dargestellten Gegenstände. Einige Bilder stellen Pfahlbauten dar, wie sie in Valcamonica um 450 zu datieren sind. Es kom men auch Bilder von Reitern vor. Das Reiten gelangt mit den Skythen zum erstenmal um 700 nach Mit tel- und Westeuropa. In dem Alpengebiet kann es kaum vor 500 möglich sein. Das Radkreuz erscheint, bis heute das heilige Zeichen für das viergegliederte Weltall. Es gibt auch Bilder von Menschengestalten, die abstrakt erscheinen, ein Idol wie in der Kienbachklamm, auch für diese Art der Gestaltung ist die Datierung ge geben durch gleichartige Formen von Menschengravie rungen auf einer Urne aus ödenburg, jetzt Sopron in Ungarn. Die Urne gehört zu einem großen Gräberfeld mit etwa 200 Hügelgräbern mit Brandbestattungen der Hallstattzeit an, d. h. um 800 bis 500 v. Chr. Durch solche Bilder auf datierbaren Tongefäßen ergeben sich auch Daten für die Eingravierungen an den Felswänden. Weiter gibt es Darstellungen von Leitern, wie sie eben falls in Valcamonica vorkonunen, es gibt Bilder von Mühlespielen und sogar auch von Schiffen. Die Bilder Skandinaviens zeigen besonders viele Schilfe, Valcamo nica bringt vor allem die Häuser und symbolische Zei chen. Auch hier im Gebirge gibt es die Häuser und die symbolischen Zeichen, aber das Erscheinen der Schiffe deutet auf einen Verbindungsweg vom Norden zum Süden und umgekehrt. Dieser Weg kann nur der Bern steinweg sein. Er brachte das für diese Zeit so wert volle Material, den Bernstein, von der Ostseeküste nach dem Süden. Das Buch ist so gegliedert, daß es zuerst die Fundberichte bringt mit genauen Angaben und mit den Namen der Entdecker. Ein zweites Kapitel spricht von den ört lichkeiten, von der Technik der Bilder und von der Sich tigkeit der Bilder. Der Hauptteil des Buches beschäftigt sich mit den Motiven, es ist ein Verdienst von Burg staller, daß er zu den Motiven die gleichen Motivarten von anderen Fundstellen in Europa neben die Bilder von Österreich gestellt hat. Auf diese Weise kann der Leser deutlich die Zusammenhänge und die Verbindungen er kennen. Zuerst wird von den figürlichen Motiven gespro chen. Es gibt Tierbilder, vor allem Köpfe, einen aus drucksvollen Tierkopf in der Kienbachklamm, der in sei ner naturhaften Gestaltung an Felsbilder der Eiszeit erinnert. In der Eiszeit aber war dies Gebiet nicht zu gänglich, und so müssen diese Formen ihre charakteri stische Struktur über die Eiszeit hin behalten haben, wie auch naturhafte Bilder in Skandinavien. Dann spricht der Verfasser von den menschengestaltigen Figuren, von den Geräten, von Schiffen, von Häusern und von Bäu men. Daran schließt sich die Betrachtung der abstrak ten Motive und Symbole. Es hat sich auch eine Weihin schrift gefunden in lateinischer Sprache. Die Inschrift ist angebracht in der Kienbachklamm in Oberösterreich. Der Text lautet: „Dem Mars Latobius geweiht. Dem Latobius hat das Gelübde eingelöst gern und nach Gebühr, Sextus Flavius." Die Übersetzung stammt von K. M. Mayr. Auch in Steinberg in Nordtirol und an einigen anderen Stellen haben sich Texte in rätischer Sprache und Schrift gefunden. Auch sie deuten auf den kultischen Charakter hin. Die Texte lauten nach der Lesung und Übersetzung durch E. Vetter und K. M. Mayr: „Dem Kastor hat hier Frau Etuni geopfert" weiter: „Usipe, der Gefangene, hat hier geopfert" oder „Gestiftet hat Estas das Votivbild". Durch diese Inschriften wird es deut lich, wie bei allen Felsbildern aller Gegenden, daß die Bilder einen kultischen Charakter besitzen, daß sie Wei hungen sind, daß sie sich an die Gottheiten wenden. Die Erinnerung an den kultischen Charakter hat sich lange erhalten, in der christlichen Zeit sind häufig über den Bildern christliche Kreuze angebracht worden oder das Christusmonogramm. Solche Fälle liegen vor in den rus sischen Felsbildstationen vom Onega-See oder auch bei den ostspanischen Felsbildern. So kommt auch hier in der Kienbachklamm und in der Notgasse das Christus monogramm IHS vor. Wir begrüßen es sehr, daß dieses Buch mit seinen gu ten Abbildungen, seiner klaren Sprache und seiner überlegten Deutung jetzt erschienen ist. Es bedeutet eine große Bereicherung für die Forschung der Felsbilder in Europa. Herbert Kühn

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