OÖ. Heimatblätter 1973, 27. Jahrgang, Heft 1/2

Alois Großschopf: Die Weltreise. Gesdiiditen ernst und heiter. Linz 1972 (Oö. Landesvertag), 70 Seiten. S 75.—. Der Verfasser — in Deutsch-Beneschau geboren, 1941 an der Deutschen Karls-Universität zu Prag promoviert und 1945 nach Linz gekommen; Leiter des AdalbertStifter-Institus — will in diesen vierzehn Geschichten nicht als Dichter auftreten. Das sei betont. Er wollte damit nur zurückblenden in sein vergangenes Leben und die schönen Tage der Jugend wieder aufleben lassen, die er in seiner angestammten Heimat im südböhmischen Raum verbracht hat, etliche Charaktere herausheben aus der Alltäglichkeit, und das hat er, geschult am Sprach gefühl Adalbert Stifters, seinem Landsmann, mit der Gabe eines geborenen Erzählers getcm. In der Eingangs erzählung „Grenadier Stellmann" geht er freilich weit über diese Grenze hinaus. Hier offenbaren sich dich terische Sprache in dichterischer Form, wie der unglüdcselige Heinrich von Kleist sie in seinen Novellen so un nachahmlich gestaltet hat. Zu den oft recht launigen Erinnerungen an vergangene Zeiten von Alois Großschopf sei etwas Grundsätzliches bemerkt. Sie alle setzen sich, ohne daß sie es direkt aus sprechen, mit dem Begriff der Unersetzlichkeit der Hei mat auseinander, der heutzutage in der deutschen Li teratur verpönt ist. Wohl aber preisen dieselben Kriti ker, die sie ablehnen, jene Haltung bei ausländischen Schriftstellern, so z. B. bei Faulkner. Axiom bleibt nach wie vor, wie immer die Moden wechseln: der kreative Künstler, der Dichter, der Komponist, aber auch der bildende Künstler — wovon lebt denn Chagall? Von seiner russischen Heimat, von der russischen Erde! — existiert durch seine heimatliche Welt. Es ist erfreulich, daß diese „Weltreise" einen solch unumstößlichen Hei matbegriff, eine tiefe Heimatliebe vermittelt. Und das sollte auch, so ist anzunehmen, das Primäre des Buches sein. „Die Weltreise" bietet aber auch eine erfreuliche Oberraschung: sie bringt am Ende zwei Geschichten in der Mundart der südböhmischen Hennberge, in deren Schat ten die Geburtstadt von Alois Großschopf, Deutsch-Be neschau, liegt, „D' Schmiedhiaslin stirbt" und „D' Hex in da Mülli". Das sind zwei Prachtstücke. Man muß den Verfasser ermuntern, diese Spezies der Dichtung, eine echte Dichtung für ihn, weiter zu pflegen. In der Mundart der Heimat seiner Geburt, die für Österreicher der Zweiten Republik ohne Schwierigkeiten zu verstehen ist, hat er eine Originalität, die von seiner wissenschaft lichen Tätigkeit imberührt bleibt. Es ist doch immer so, daß der Wissenschafter dem Dichter im Wege steht, er hemmt ihn, weil er in seiner Disziplin anders denken muß. Der Wissenschafter ist in seinem Schaffen nicht so frei wie der Dichter und das überträgt sich todsicher, weim beide in einer Person wirken, zuungunsten des Dichters. Der Dichter in ihr wird engherziger, wenn vielleicht auch klarer in seinen Aussagen. Aber das ge hört nicht unbedingt zum sdiöpferisch-dichterischen Im petus. Eine Kritik an dieser „Weltreise" wäre unvollständig, würde man nicht auf eine Eigenart in der Grammatik des Verfassers hinweisen. So scheint es wenigstens auf den ersten Blick. Da wird bis auf eine Ausnahme in der unter Anführungszeichen stehenden Rede das Höflichkeits-Sie und das entsprechende besitzanzeigende Fürwort Ihr immer klein geschrieben. Das hat sich nach träglich aufgeklärt. Alois Großschopf schrieb beide, wie wir nun wissen, jedesmal groß, und das ist richtig. Der Verlag hingegen ist, wie verlautet, nach Befragung des Duden auf die Kleinschreibimg übergegangen. Abge sehen davon, daß der Duden heutzutage — leider! — nicht mehr so maßgebend für die Rechtschreibung ist, wie er es einmal wirklich war, handelt es sich dabei um eine Verwechslung. Denn im Band 9 des „Großen Duden", Auflage 1965, steht auf Seite 558 unter „Sie": „Groß schreibt man immer die Höflichkeitsanrede ,Sie' und das entsprechende besitzanzeigende Fürwort ,Ihr', gleichviel ob die Anrede einer oder mehreren Personen gilt." Ebenso richtig aber ist, daß das Pronomen ,/iu." nur in Briefen groß und sonst stets klein geschrieben wird, ausgenommen natürlich nach einem Punkt. Hermann Hesse hat einmal in einem Essay bekräftigt, er rechne jeden Druckfehler in einem Buch dem Autor an. Wie wenig das in unserer Zeit noch aufrechtzuerhalten ist, bezeugt dieser Fall des Verfassers der „Weltreise". Aber auch Setzer sind nur Menschen. An dem Duktus der Geschichten betrachtet, bleibt dieses Mißverständnis allerdings wie eine einzige Schwalbe sitzen, die noch keinen Sommer macht. Wohl aber könnte „Die Weltreise" für Alois Groß schopf Ansporn zu einem neuen Buch sein, wenn man nur an die beiden mundartlichen Geschichten denkt. Eine Sammlung von Geschichten in der Mundart rund um Deutsch-Beneschau müßte sowohl eine Ausgewogenheit im Stoff als auch eine künstlerische Dichte erzielen, die beispielgebend sein würde. An Mundartprosa, die Dich tung ist, fehlt es hin und hin. In der Gegenwart ist nur der Band „Chan Toar steaht a Spruch!" von Otto Bünker, dem bekannten Kärntner Mundartdichter und -forscher, zu nermen. Im übrigen sollte ein solcher Band Auswirkungen auf neue Stifter-Forschungen in breiterer Basis haben. Hinsichtlich einer Analyse über die Hereinnahme mundartlicher oder doch umgangs sprachlicher Wendungen und Wörter im Werke Adal bert Stifters ist ja noch nicht das letzte geschehen. Carl Hans Watzinger Guido Müller: Die Landwirtschaft als prägendes und geprägtes Element in der Stadtlandschaft — Unter be sonderer Berücksichtigung der Stadt Salzburg (— Arbei ten aus dem Geographischen Institut der Universität Salzburg, hrsg. von E. Lendl und H. Riedl; Bd. 2), Salzburg 1971 (Selbstverlag), 316 Seiten mit 27 Abb. und 58 Tabellen, dazu 64 Bilder und 15 Kartentafeln im Anhang. Das aus der Dissertation des Autors, eines Assistenten am Geographischen Institut der Universität Salzburg, hervorgegangene Werk befaßt sich mit einem entschei denden Problem moderner Kulturgeographie: Mit den Stadt- und Umlandbeziehungen am Beispiel von Salz-

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