OÖ. Heimatblätter 1973, 27. Jahrgang, Heft 1/2

bemerkt worderu Am 15. d. M., als eben in Edlitz eine Primiz gefeiert wurde, kam es daselbst zutage, daß Herr Zöhrer geistesverwirrt geworden sei. Gestern reiste idi nadi Thernberg, Herrn Zöhrer zu besudien. Sdion bei meinem Eintritt in das Zimmer des Herrn Zöhrer hätte midi sein stierer Blick und sein das ausgeprägte Verrücktsein beurkundende Entgegen kommen in Verlegenheit bringen können, wenn idi nidit im Voraus auf ein derartiges Verhalten seiner seits wäre gefaßt gewesen. Ich habe mit ihm über eine Stunde lang gesprochen. Er hat zuweilen lichte Augen blicke, gleich einem Wetterleuchten im heftigen Ge witter. Kaum daß er anfängt, einige vernünftige Worte zu reden, so hört er in der Mitte eines Satzes auf und kommt auf die fixe Idee zurück, alle Welt habe sich gegen ihn verschworen, er sei überall von Ausspähern umgeben, die nur auf die erste Gelegenheit warten, um ihn einsperren zu können. Während ich mit ihm gesprochen, hat er stier gegen den Ofen hingesehen und mit der Hand dahin ge deutet, und zu mir gesagt; ,Sie wollen es mir ausreden, daß meine Feinde mich ringsum belauschen; in dem Ofen stecken sie itzt darin!' Ich habe ihn bei der Hand aus dem Zimmer hinaus und zu dem Ofen geführt, den Ofen aufgemacht und ihn hineinsehen lassen, und nach dem er noch nicht glauben wollte, daß niemand im Ofen versteckt sei, habe ich ihm einen Stecken in die Hand gegeben, damit er mit demselben in allen Räumen, selbst in dem oberen Theile des Ofens seine Unter suchung vornehmen könne. Dies hat er gethan, und nachdem er sich nun überzeugt hatte, daß im Ofen lüemand versteckt sei, sagte er: ,Und wenn sie nicht im Ofen sind, meine Feinde, so sind sie anderswo, im Kasten...' Und da ich ihm begreiflich machte, daß in dem Kasten nicht einmal hinlänglich Raum für das Verstecken mehrerer, — die er Feinde und Auflauerer nennt, — vorhanden sei, so blieb er endlich darauf stehen: ,So sind sie doch im Zimmer, aber wir sehen sie nicht'®." Pfarrer Rilke versuchte sodann Zöhrer zu über zeugen, daß er krank sei, und zwar gemütskrank. Zöhrer erkannte in den wenigen, lichten Augen blicken selbst seinen Zustand. Um eine Genesung herbeizuführen, riet man ihm, sich einer ärzt lichen Behandlung zu unterziehen, und zwar in einer Gegend, die mehr als das einsame Thern berg geeignet war, ihn wieder aufzuheitern. Pfarrer Bartholomäus Pflanzl von Bromberg ließ nun den Chefarzt der Militärakademie Wiener Neustadt, Dr. Schrittwieser, nach Thernberg holen, um den Zustand Zöhrers zu untersuchen. Er soll sich dahingehend ausgesprochen haben, daß sich eine ärztliche Behandlung in die Länge ziehen dürfte, wenn überhaupt noch an eine radikale Heilung gedacht werden könne. Die Ursache von Zöhrers traurigem Zustand gab ein großes Rätsel auf. Pfarrer Rilke wollte sich seinen Trübsinn durch seine „nicht sonderlich zur Mitteilung und Fröhlichkeit auffordernden häuslichen Verhältnisse"^® erklären. Fellöcker hingegen, der sowohl die Mutter wie auch die Schwester Zöhrers kannte, widersprach der Ver mutung Pfarrer Rilkes. Der spätere Abt von Reichersberg, Bernhard Appel, meinte in einem Brief an Fellöcker, den Grund für Zöhrers Krankheit gefunden zu haben. Zöhrer war von Edlitz nach Thernberg gekommen und hier aus Ermangelung an seelsorglichen Mühen sich einer mehr sitzenden Lebensweise überlassen und mußte folglich einen starken Blutandrang gegen den Kopf verspürt haben. Auch scheinen 2^hrer Skrupeln und Gewissensängstlichkeiten gekom men zu sein, was Bernhard Appel daraus schloß, weil er ihm später als Pfarrer von St. Lambrechten gelegentlich mitteilte, daß ein Landdechant aus Niederösterreich ihn, Zöhrer, vollkommen beruhigt habe. Es war sein Beichtvater Talkofski, Dechant von Hasbach. Ein Gedicht Zöhrers, das viele Jahre später entstand, aber die Stimmung dieser Zeit genau kennzeichnet, ist „Da Freita"^^ „Du, den Schrocka! — I han leida kain Gedanka ga not ghat, — ihs an Brocka Fleisch in Freita; wier i drankimm, is s sdion zspat." In der ersten Strophe dieses Gedichtes bezichtigt sich Zöhrer einer schweren Sünde gegen das Fastengebot und sucht Vergebung. „Laf ö d Kira I AIlö Heiling ruef i an wögn dera Sünd. Daß s ma bett harnt, hoff i freiling, afa helfen harnt s nöt gkinnt." Die Heiligen rief Zöhrer in seiner Verzweiflung um Hilfe an, doch sie alle konnten dem Sünder nicht Hilfe schaffen. Da schien der letzte Ausweg, die letzte Hoffnung das von ihm sehr verehrte Christkind zu sein. '® Ebenda. " Ebenda. " Ebenda.

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