OÖ. Heimatblätter 1972, 26. Jahrgang, Heft 3/4

Die Werkstatt der Florianer Bauernmöbel Von Max Neweklowsky Mit 3 Abbildungen Das Urbild der sogenannten Florianer Bauern kasten mit ihrem bogenförmig zur Mitte auf steigenden Kranzgesims, den mit geschnitzten Kapitalen und Basen geschmückten Pilastern an der Mitfelleiste und den abgeschrägten Seiten kanten und mit kunstvoll geschweiftem BodenteiP sieht Franz Windisch-Graetz in einem grof3en, zweitürigen Kleiderkasten von 1720 (siehe Abb. 1) im Blauen Zimmer des Kaiser-Apparte ments im Stift St. Florian, den er außerdem als eines der schönsten Florianer Möbel bezeichnet^. Wer dieses prächtige Stück verfertigt hat, ist dokumentarisch nicht nachweisbar. Auf Grund stilistischer Merkmale neben dem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang schreibt es F. Win disch-Graetz mit Sicherheit zwei St. Florianer Meistern jener Zeit zu, dem Tischler Stephan Jegg und dem Bildhauer Leonhard Sattler. Wie aus den Baurechnungen des Stiftsarchivs her vorgeht, arbeiteten beide damals für den bis zur Verschwendung bau- und kunstfreudigen Propst Johann Baptist Födermayr (1716 bis 1732) an der Innenausstattung des unter seinem Vorgän ger fertiggestellten Westflügels, der die große Front neben dem Eingang zur Stiftskirche bildet. Der erwähnte Kleiderschrank zeigt außer der Jahreszahl 1720 an bemerkenswerter Stelle, oberhalb des Kapitäls der Mittellisene, in kunst voller Einlegearbeit drei zu einem Ornament verschlungene Buchstaben, und zwar ein H, um dessen Vertikalbalken sich je ein G rankt, das rechte in Normalstellung, das linke in Spiegel schrift (Abb. 2). Die Initialen HGG können sich weder auf Probst Födermayr noch auf einen seiner Chorherren beziehen, denn es gab damals keinen, zu dessen Namen sie passen würden^. Als Besteller des prunkvoll intarsierten Möbels kommt auch kein adeliger Herr jener Zeit in Betracht, weil dann anstatt der Initialen ein Wappen oder wenigstens über ihnen eine Krone zu sehen wäre. Für einen bürgerlichen Auftrag geber konnte der riesige Schrank, abgesehen von der Kostbarkeit der Arbeit, schon wegen seiner Ausmaße (Höhe ohne den Aufsatz rund zwei einhalb Meter!) nicht bestimmt gewesen sein. So bleibt nur die Möglichkeit, die drei Initialen auf den Namen dessen zu beziehen, der das Möbelstück verfertigte, und dies könnte der Fall sein, wenn es sich um ein Meisterstück handelte. durch dessen Herstellung ein Gesell seine Eig nung zur Meisterschaft bewies. Die Größe des Schrankes spricht keinesfalls dagegen: Nach der Handwerksordnung der Tischler von Linz von 1596'* und jener der Tischler Oberösterreichs von 1762® mußte ein Tischlergeselle, der weder ein Meisterssohn noch künftiger Gatte einer Tischlerswitwe oder -tochter war, als Meister stück einen Gewandkasten anfertigen, während die Zunft sich im Fall eines Gesellen, von dem die Gründung einer neuen Werkstatt nicht zu erwarten war, mit einer kleineren Arbeit als Meisterstück begnügte. 1596 ist nur von einem eingelegten Brettspiel die Rede. Von den Gesellen der Werkstätte Jegg, aus der jenes Möbelstück sicherlich stammt, ist keiner namentlich bekannt, der sein Meisterstück 1720 geliefert haben könnte®, es wäre denn ein Hans Georg Grabmer, der zwei Jahre später nahe St. Florian eine neue Tischlerwerkstätte eröff nete, und zwar unter Umständen, die neben einer ganzen Kette von anderen Indizien auf ihn als den Hersteller jenes Kleiderkastens hinwei sen, der die Initialen seines Namens trägt. Am 27. März 1698 im Stift St. Florian getauft^, war Grabmer zur Zeit, als der Schrank angefertigt ' Die genaue Bestimmung dieses für die Gegend süd östlich von Linz charakteristischen Möbeltyps, auch Florianer Reiterkasten genannt, verdanken wir Do zent Dr. Franz Lipp, der ihn mehrfach beschrieben hat, z. B. in: Linz und die österreichische Volkskultur (= Hdst. Jahrbuch d. Stadt Linz 1955, S. 359 ff.), S. 372—378; Oberösterreichische Bauernmöbel, Schloß museum Linz (= Kataloge des Oö. Landesmuseums Nr. 48), S. 10 ff. und 43; Oberösterreichische Stuben, Linz 1966, S. 182. Auf S. 374 f. der erstgenannten Ar beit, also schon 1955, hat Dr. Lipp auf die Bedeutung der St. Florianer Werkstätte legg für die Stilform dieser Möbel hingewiesen. ^ Franz Windisch-Graetz, Barocke Möbelkunst in Öster reich; in: Mitteilungen des Oö. Landesarchivs, Bd. 10, Linz 1971, S. 367. ^ Nach dem „Catalogus" der St. Florianer Chorherren von Augustinus Psdtarr, Hs. von 1806 im Stiftsarchiv St. Florian. '' OÖLA, Landschaftsakten, Bd. 828, Nr. 1 c VIII 11/7. ® OÖLA, Stadtarchiv Fredstadt, Hs. 962, o. f. " Albin Czerny, Kunst und Kunstgewerbe im Stifte zu St. Florian, Linz 1886, erwähnt auf S. 194 einen ein zigen Tischlergesellen mit Namen, doch ist dieser schon 1706 bezeugt. ' Pfarre St. Florian bei Linz, Taufb. 2, fol. 134 v.

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