diese Germanen „die" Bojer ganz gewiß nicht haben, sondern als fleißige Handwerker, Künst ler und für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Landwirte wohlweislich für sich haben weiter arbeiten lassen. In diesem Sinne wird Tacitus' Germ. 42 zu verstehen sein, denn die Bojer sind nicht aus ihrem Land vertrieben worden, sondern aus ihren Festungen, und selbst das wird nur die jenigen betroffen haben, die glaubten, den Markomannen Widerstand leisten zu sollen. Im Mühlviertel, aber auch vereinzelt im benach barten Südböhmen sind Walen oder Walchen festzustellen, welche wohl zur alteingesessenen Bevölkerung gehört haben und von den Germa nen so benannt worden sind. Zuletzt ist bei der slawischen Landnahme noch eine slawokeltische Führungsschicht nach Böh men und Mähren gelangt, die nur mehr in ihren Personennamen und einigen davon abgeleiteten Ortsnamen faßbar ist. Bei der Frage nach der spätlatenezeitlichen Be siedlung des Mühlviertels stößt man zunächst auf die (noch) bedeutende Fundarmut an archäologischen Zeugnissen dieser Epoche. Solche Funde sind jedoch bekanntlich meist Zufallsergeb nisse. Das, was sie bedeuten, wird nicht immer erkannt und nicht bekannt, vor allem, wenn es sich um wert vollere handelt. Schließlich liegen insbesondere in den seit Vorzeiten landwirtschaftlich genutzten Gegenden, auch die heutigen Siedlungen vielfach über ältesten Wohnanlagen, die weitaus seltener durch Umbauten ans Tageslicht kommen als in den großen Städten, wo man meist eher darauf achtet. Burgen, Schlösser, Klöster, Kirchen und andere Großbauten überdecken etwaige vor geschichtliche Fundamente, soweit diese nicht schon bei der Oberbauung zerstört worden sind, noch dauerhafter. Nicht nur für Ovilava-Wels, Lauriacum-Lorch, für Tutatio, Ernolatia und Gabromagus an der Pyhrnstraße sind die zugehörigen Siedlungen bisher noch nicht entdeckt worden. Jedenfalls ist mit einer größeren Siedlungsdichte der vorrömischen und vorgermanischen Bevöl kerung in den Alpen- und Donauländern zu rechnen, als auf Grund von bisherigen Funden oder erkannten Namen zu erschließen ist. So bietet die Ortsnamenforschung die Möglichkeit, bisher nicht ganz erfaßte Geschichtsquellen gründlicher auszuschöpfen. Dies hat seinerzeit auch schon K. Willvonseder klar erkannt®®. Untersucht man die Mühlviertier topischen Namen in dem von Konrad Schiffmann zusam mengestellten „Historischen Ortsnamenlexikon"®^ auf ihre Herkunft, so stößt man bei einer ganzen Anzahl auf Namen, die weder mit deutschen noch mit slawischen Sprachmitteln er klärt werden können, so daß, mit allem Vor behalt weiterer Überprüfung, für eine Gruppe von ihnen nur die illyrisch-keltische Vorbevölke rung dieser Gegend in Betracht gezogen werden kann. Grundsätzlich wurden im folgenden nur sonst undeutbare Namen oder vermutliche Fehldeutungen auf die Möglich keit einer Herleitung aus dem Keltischen untersucht. Da bei wurden vor allem die großen Sammelwerke von Withley Stokes, Alfred Holder und Julius Pokorny sowie Georges Dottin herangezogen'^. Wo Parallelen zu jüngeren keltischen Dialekten aufge stellt wurden, geschah dies unter der Voraussetzung, daß die einheimischen keltischen Mundarten sich vor ihrem Erlösdien im Altbairischen oder Slawischen sehr wahr scheinlich nach den gleichen Lautgesetzen entwickelt haben wie die gallischen, altirischen und anderen Mund arten des Keltischen, so daß diese mit gebotener Vor sicht und Berücksichtigung ihrer besonderen Eigenarten zum Vergleich herangezogen werden können. Walchen oder Walen müssen nicht immer — und im Mühlviertel noch weniger — romanisierte Kelten oder Illyrier gewesen sein. Insbesondere nicht die bäuerliche Bevölkerung unter ihnen, die sicher ihren größten Teil ausgemacht hat und auf die gewiß der größte Teil der Namengebung zurückgehen muß. Diese Waldien sind als Namenselement nicht nur im salzburgischen J. Reitinger, wie Anm. 7, S. 204. " Konrad Schiff mann: Historisches Ortsnamenlexikon des Landes Oberösterreich, 1935—1940, Bd. I, II, Ergänzungsbd. III. " Withley Stokes: Urkeltischer Sprachschatz, bearbeitet von A. Bezzenberger im Vergleich. Wörterbuch d. idg. Sprachen, hgg. v. A. Fick, Göttingen 1894. — Alfred Holder: Alt-Celtischer Sprachschatz, Leipzig 1896, Graz 1961. — Julius Pokorny: Zur Urgeschichte der Kelten und Illyrier, Halle 1938. — Georges Dottin: Manuel de I'antiquite celtique, Paris 1906. — La langue gauloise, Paris 1915. — Henri Hubert: Les Geltes, Pa ris 1950. — 1. G. E. Powell: Die Kelten, Köln 1959. — Ch. A. Williams: Die französ. Ortsnamen keltischer Abkunft, Straßburg 1891. — K. Zeuss: Grammatica celtica, Berlin 1871.
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