Eine neue Nikolaus-Wallfahrtsstätte in Linz-Urfahr und ihre Vorgänger VonDietmar Assmann Mit 1 Abbildung Wenngleich in unserer Zeit nicht selten von „ab geschafften" Heiligen — man beruft sich dabei irrigerweise u. a. auf die Absetzung verschiede ner Heiliger aus dem allgemeinen, für die ge samte katholische Welt gültigen Kalendarium — gesprochen und die Heiligenverehrung vielfach nur als Relikt vergangener Zeiten angesehen wird, so haben die Heiligen in der Volksfrömmig keit dennoch nach wie vor ihre Bedeutung nicht verloren. Es ist ja geradezu ein archetypisches Verhalten des Menschen, sich Idealbildern zuzu wenden, wobei nur das Ideal als Vorbild wech selt. Die Heiligen stellen zudem die Verbindung des Menschlichen zum Transzendenten her. Wenn auch der eine oder andere Heiligenkult abgekommen oder nur mehr reliktartig verbrei tet ist, so darf dabei nicht übersehen werden, daß es auch in der Volksfrömmigkeit immer schon Wellenberge und Wellentäler gegeben hat und auch sie einem steten Wandel hinsichtlich Intensität und Auswahl imterworfen ist. Eine besonders markante Heiligengestalt, die im gesamten christlichen Bereich verbreitet ist, ist der hl. Nikolaus; es sei nur z. B. an seine be deutende Rolle im winterlichen Brauchtum^ oder an die Häufigkeit der Nikolaus-Ikonen in der Ostkirche erinnert. Die Verehrung des heiligen Bischofs von Myra in Kleinasien (gestorben um 350) ist in der griechischen Kirche schon lange vor der Trans lation der Reliquien nach Bari (1087) volkstüm lich und Anlaß zu einer reichen Legendenbildung gewesen. Aber auch in unserem Raum war er schon vorher zumindest bekannt, wie das hohe Alter vieler Nikolauskirchen Oberösterreichs be zeugt^, von denen einige auf das 1067 gegrün dete Augustiner-Chorherrenstift St. Nikola zu Passau zurückgehen. Die aus Byzanz stammende Gemahlin von Kaiser Otto II., Theophanu, hat sicher auch — wie in so manch anderen Erschei nungen jener Zeit nachweisbar — auf die Ver breitung des Nikolauskultes in deutschen Lan den bedeutenden Einfluß genommen. Die zeit liche Übereinstimmung mit der Gründung der ältesten Nikolauskirchen und -altäre in diesem Raum ist zu auffallend; ihr folgte nach der Jahr tausendwende eine erste größere Verbreitungs welle, vornehmlich in Dom- und Stiftskirchen (vgl. oben Passau). Nikolausreliquien kamen u. a. bereits 1052 in den Nikolausaltar der Stiftskirche St. Emmeram zu Regensburg, aber auch schon 1063 nach Ardagger®! Aus zum Großteil legendären Viten und späteren Legendenbildungen entwickelte sich seine „Zu ständigkeit" für die verschiedensten Belange, so als Patron der Schüler, Weber, Reisenden, Ge fangenen, Kaufleute, für eine glückliche Heirat usw. und als Patron der Schiffleute^. Letzteres geht bekanntlich auf die alte Legende zurüdc, nach der der hl. Nikolaus in Seenot geratenen Schiff leuten nach deren Anrufung dieses Heiligen erschienen war und ihnen bei der Rettung geholfen hat. Im lO./ll. Jahrhundert ist das Schifferpatronat bereits für Süd italien nachweisbar. Auch die „Legende von den Korn schiffen" u. a. beziehen sich auf Errettung aus Seenot dank der Hilfe des hl. Nikolaus. Eilt früher Beleg aus Oberösterreich für den hl. Nikolaus als Schiffahrtspatron ist die Stif tung eines Hospitals und einer Kirche für die Donaureisenden nach dem berüchtigten Greiner Strudel in Pahin (um 1185®; nach B. Ulm® bereits 1141), wie St. Nikola a. d. Donau bis 1351 ursprünglich hieß. E. Neweklowsky^ ver weist darauf, daß sich anstelle der heutigen Stadtpfarrkirche Maria-Himmelfahrt zu Linz in der alten Stadtmauer eine Nikolauskapelle be- ' Speziell für Oberösterreich vgl. Ernst Burgstaller: Nikolausbrauchtum, Karte 19 und 20 der 1. Liefg. des Atlas von Oberösterreich, Linz 1958; dazu im Erläute rungsband S. 148 ff. — Eine moderne Variante für die Verbindung Nikolaus als Gabenbringer und Verkehrs patron bringt Rudolf Fochler (Von Neujahr bis Sil vester, Linz 1971, S. 197) mit der Schilderung der Nikoloauffahrt des OÖAMTC in Linz. ® Eine Arbeit des Verfassers über die Nikolaus-Kult stätten in Oberösterreich ist in Vorbereitung. ' Karl Meisen: Nikolauskult und Nikolausbrauch im Abendlande (= Forsch, z. Vkde., Heft 9—12), Düssel dorf 1931, S. 86. * Ebenda, S. 252 ff. — Otto Wimmer: Handbuch der Namen und Heiligen, 3. Aufl., Innsbruck 1966, S. 391 f. ' Meisen, S. 160. — Heinrich Ferihumer: Erläuterungen zum Hist. Atlas d. österr. Alpenländer 11/7 (Kirchenund Grafschaftskarte, Oberösterreich), Wien 1956, S. 508 f. — Vgl. auch den Beitrag von Alois Topitz in diesem Heft. ' Benno Ulm: Das Mühlviertel (= österr. Kunstmono graphie, Bd. V), Salzburg 1971, S. 189. ' Ernst Neweklowsky: Die Schiffahrt und Flößerei im Räume der oberen Donau, 2. Bd., Linz 1954, S. 192.
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