OÖ. Heimatblätter 1972, 26. Jahrgang, Heft 1/2

Zweiter Liszt=Abend am 21. Dezember 1886 im kleinen Musik=Vereins=Saale. 1887 Drittes und letztes Liszt=Conzert im Saale Bösendorfer am 7. Jänner [18]87" Folgende Werke wurden aufgeführt: 1. Konzert: Heroide funebre^ Hunnenschlacht^ Lamento e Trionfo, Orpheus, Tasso, Festklänge. In Orpheus, Mazeppa, Festklänge, I. Klavier = Göllerich. 2. Konzert: Bergymphoiüe, Prometheus, Hungaria, Die Ideale, Les Preludes. 3. Konzert: Hamlet, Eine Symphonie zu Dantes Divina Commedia, Eine Faust — Symphonie. Höchst bemerkenswert scheint eine Besprechung des 1. Konzertes durch Hugo Wolf im „Wiener Salonblatt" (Nr. 46 vom 1.4. November 1886), die wir hier zum Abdruck bringen: „Concerte Wie weit man hier auch in der Mißachtung der Werke des großen Franz Liszt, schon vorgeschritten, wie ab= surd sich auch das oberste Ketzergericht gegen alles, was neu, kühn und großartig ist, gebärdet, in wie kindi= scher Weise auch unser „Elite"=Publikum in den phil= harmonischen und Gesellschafts=Concerten den Stand= punkt unserer conservativen, heuchlerischen Kritik ver= tritt, wie eilig auch der brave, biedere lunge Hans zum Hänschen wird, wenn der gefällige oder knurrige — je nachdem — Großinquisitor die Brauen runzelt, und wie rasch wieder Hänschen zum Hans anschwillt, wenn der hohe Gönner, amusirt von den Pudelkunst= stücken eines unterthänigsten dienten, diesem vergnügt zublinzelt, — wie schlimm es mit einem Worte auch um die Anerkennung der Werke Liszt's, gegenwärtig und seit Langem schon steht, so finden sich doch immer noch Leute, die, der drohenden Constellation am kriti= sehen Horizont unerachtet, muthig auf ihren Posten eilen und unerschrocken der öffentlichen Meinung und ihren Organen den Handschuh vor die Füsse werfen. Die Herren Cöllerich und Siradal haben dies gethan, als sie gelegentlich der Gedenkfeier ihres dahingeschie= denen Meisters sechs symphonische Dichtungen auf das Programm setzten. Das Publikum hob den Handschuh auf und strömte schaarenweise der Kampfstätte, dem Bösendorfer=Saale, zu. Aber siehe da! Aus Saulus ward Paulus und die Herren Göllerich und Stradal, die arg verketzerten, bemitleideten, bespöttelten, waren sdiließlich die Helden des Abends. Mit sechs symphoni= sehen Dichtungen zu concertiren und dieselben der Reihe nach auf dem Piano durchzuspielen, dazu gehört aller= dings viel Muth. In keiner andern Stadt aber, als ge= rade nur in Wien, würde man darin gar so Ungewöhn= liches erblickt haben. Hier aber sind wir. Dank der Für= sorge unseres gesinnungstüchtigen Hofcapellmeisters, über die Preludes (und aus Versehen sogar einmal über den Mazeppa) noch nicht hinausgekommen. — Bedenkt man nun, wie fremd das Publikum der ureigenen Sprache einer so tief angelegten, durchzeitigten Natur, wie Liszt, gegenüberstand, wie ihm dieselbe nur in der Ciavierübersetzung und allzu langen Programmen ver= deutscht werden konnte, und doch, mit welcher Aus= dauer und Aufmerksamkeit, mit welchem Interesse und welcher Begeisterung die Zuhörer den Vorträgen folg» ten, bedenkt man dies so recht, möchte man sich wohl der Hoffnung hingeben, auf diesem etwas ungewöhn» liehen Wege das Interesse und allmälige Verständniss für die Werke Liszt's gefördert zu sehen. Freilich be= darf es hiezu zweier so verständniss» und hingebungs» voller Interpreten wie der Herren Göllerich und Stradal. Wir wollen nicht sagen, daß die Interpretation eine gänzlich tadellose war. Aber das Fehlerhafte machte sich so selten bemerkbar, die Vorzüge hingegen traten in so glänzender Weise hervor, daß wir es unschicklich fän» den, dem wohlverdienten Lorbeer Nesseln beizugesellen. Da ich überdies glücklicherweise in der Lage war, Herrn Göllerich persönlich über die Licht» und Schattenseiten seiner und seines Collegen Stradal Leistungen mich aus» zusprechen, glaube ich, einer Wiederholung an diesem Platze mich nicht schuldig machen zu dürfen. Hugo Wolf." Eine weitere gewichtige Stimme kommt Eduard Hanslick zu, der schreibt („Neue Freie Presse" vom 30. Dezember 1886; Morgenblatt): „Noch eine andere Liszt»Feier*) spielt sich jetzt in Wien ab auf zwei Ciavieren. Die Herren August Stradal und August Göllerich, zwei junge Virtuosen, die ihr Frei» willigenjahr unter Liszt in Weimar, Rom und Pest rühmlich absolvirt haben, veranstalten zusammen einen drei Abende umfassenden Vortrag sämtlidier symphonischen Dichtungen ihres Meisters. ,Gehen Sie jedenfalls hin', rieth mir nach dem ersten Abend ein Liszt»Verehrer, ,es ist wirklich unerhört, wie diese bei» den Auguste zusammenspielen — riesenhaft! Das reine Donnerwetter; man glaubt manchmal daß Einem die Claviere um den Kopf herumfliegen!' Gewiß, höchst verlockend. Aber ,unjung und nicht mehr ganz gesund, wie ich es bin zu dieser Stund', singt Heine, durfte ich mich einem so übermenschlichen Genuss leider nicht aus» setzen und kann demnach nur berichten, was Glüdc» lichere mir davon rühmten." *) „Liszt=Conzert der Gesellschaft der Musikfreunde."

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