selbst, nur Miterlebtes, wie es uns, als letzter Sekretär und Schüler des Meisters, in seiner nächsten Umgebung zu erschauen vergönnt war." Von diesen Aufzeichnungen, die sich in mehre= ren Tagebüchern finden, verarbeitete Göllerich einiges in der 1888 bei Reclam erschienenen Bio graphie sowie in dem Band „Franz Liszt=Erin= nerungen". Bedauerlicherweise befinden sich keine Briefe F. Liszts im Nachlaß; sie dürften nach Mittei= lungen von Familienmitgliedern nach dem Ersten Weltkrieg an amerikanische Interessenten ver= kauft worden sein. Die bisher unbekannten „Tagebücher", über die die hier berichtet wird, enthalten Aufzeichnungen über die Unterrichtsstunden in Weimar, Rom und Budapest. Aus ihnen ersehen wir, daß sich Liszt eingehend mit interpretatorischen Fragen, ferner mit solchen des Klavierspiels befaßt hat, daß er höchst aufgeschlossen und oft tempera= mentvoll mit den Schülern umgeht, mit denen er die Werke bespricht und ihnen Anweisungen gibt. Zur Veranschaulichung und Verdeutlichung seiner Anweisungen spielt Liszt oftmals vor. Unter seinen letzten Schülern befinden sich solche, die heute noch über einen klingenden Namen ver= fügen: Conrad Ansorge, Arthur Friedheim, Emil V. Sauer, Moritz Rosenthal, Alfred Reisenauer, Alexander Siloti, August Stradal, William Dayas, Bernhard Stavenhagen, Frederic Lamond. Diese Schüler traten selbst als hervorragende Virtuosen vor die Öffentlichkeit, von mandien haben sich Erinnerungen an Franz Liszt erhal= ten^®, andere wieder gaben Klavier=Kompositio= nen Liszts und eigene heraus oder wurden her= vorragende Lehrer. Mit den Schülern der aller= letzten Zeit und den Anweisungen Franz Liszts konfrontieren uns die Aufzeichnungen; wir wer= den gleichsam Zeugen eines lebendigen Verkehrs Franz Liszts mit ihnen. Die in den Unterrichts= stunden — da und dort, wo Liszt immer eine Schar von Schülern um sich versammelte und sich auch Göllerich als Schüler und letzter Mit= arbeiter des Meisters aufhielt — gemachten Aus= sagen wurden von Göllerich mit Erlaubnis Liszts sofort niedergeschrieben imd haben bis heute ihre Unmittelbarkeit bewahrt. Die Unterrichtsstunden, die Liszt in dem Zeit= räum von 1884—1886 erteilte, sind in den bei= den oben genannten Druckwerken nicht aufge= zählt. Insgesamt verzeichnet Göllerich in den Tagebüchern®": Weimar Weimar Budapest Weimar Weimar 1884 3. Mai — 6. Juli 15 Unterrichtsstunden 1885 16. Juni — 27. Juni 5 Unterrichtsstunden 28. Juni — 9. Sept. 41 Unterrichtsstunden 1885 11. November — 1886 12. Jänner 29 Unterrichtsstunden 1886 18. Febr. — 4. März 8 Unterrichtsstunden 1886 17. Mai —21. Mai 21. Mai — 31. Mai 5 Unterrichtsstunden 1886 15. Juni — 26. Juni Bemerkungen und einzelne Stunden Schluß der Tagebucheintragungen 103 Stunden Galt Göllerichs bisherige Tätigkeit in einem wei= ten Maße der Aufzeichnung seiner im Umgang mit Liszt gewonnenen Einsichten, der Abfassung einer kleinen Biographie, der Sammlung der Er= innerungen, der Aufstellung einer Namenliste von Liszts Schülern (183 Damen und 227 Her= ren), sowie eines Verzeichnisses der Werke Liszts in dem Band „Erinnerungen" (S. 271—331) — dies alles neben der Tätigkeit des Pianisten — so erfuhr mit dem Jahr 1890 das Leben des nun= mehr 31jährigen eine merkliche Änderung: Göl= lerich trat in den musikpädagogischen Dienst. Ausgewiesen durch seine bei Franz Liszt erwor= benen pianistischen Kenntrdsse, seine künstleri= sehe Reife, seine hohe Intelligenz und Bildung, wurde er ausersehen, die Leitung der nach Liszt'schen Lehrprinzipien geführten Ramann= Volkmann'schen Musikschulen in Nürnberg®^ zu übernehmen, die er bald durch Errichtung von Zweigschulen in Ansbach, Fürth und Erlangen erweiterte. Sechs Jahre später, 1896, gelangt er nach Linz. Göllerich wurde Musik= und Schub direkter des Musikvereins und der Musikver= einschule. Zugleich übernahm er auch die Lei= U. a. von C. v. Lachmund, A. W. Gottschalg. August Stradal. Die Übertragung der Tagebücher besorgte in muster= gültiger Weise Veit Wilhelm J e r g e r, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Lina Ramann (1833—1912) Biographin und auch Schü= lerin Franz Liszts, errichtete gemeinsam mit Ida Volkmann eine Musikschule in Nürnberg, der sie von 1865—1890 vorstand.
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