OÖ. Heimatblätter 1972, 26. Jahrgang, Heft 1/2

A. Golz eine Liszt=Pflegestätte intimster Art gefunden — das Kennenlernen des Lisztschen Schaffens in tiefster Seele traf. Nun stand ich vor dem Meister!" Liszt lud in der Folge August Göllerich ein, nach Weimar zu kommen, um sein Schüler zu werden. Freudig und bewegt entsprach August Göllerich dieser Aufforderung und folgte dem ehrenden Ruf nach Weimar. Max Auer will wissen, daß Toni Raab die Leh= rerin Göllerichs war'®, von der er den letzten Schliff, bevor er zu Liszt kam, erhielt. In seiner frühen Linzer Zeit hat ihn der aus Rostock stam= mende August Wiek unterrichtet. Göllerich nennt Toni Raab eine der „geistvoll= sten Persönlichkeiten und Technikerinnen des Liszt=Kreises"". Auch Peter Raabe zählt sie zu den bekanntesten und bedeutendsten Schülerin= nen von Liszt. Antonia Raab (siehe Abb. 2) kam am 23. Sep= tember 1846 als Tochter von Anton Schinhan}^, der 1850 aus Zistersdorf (Niederösterreich) kom= mend, zum Vorsteher des neu errichteten Be= zirksgerichtes in Retz (Niederösterreich), ernannt wurde, zur Welt. Schinhan mietete sich im Hause Hauptplatz 25 ein, das er alsbald durch Kauf erwarb. Antonia Schinhan dürfte ersten Klavier= Unterricht durch ihren Vater, dessen Klavier= spiel gerühmt wurde, erhalten haben. Zur wei= teren Ausbildung wurde sie nach Wien geschickt, wo Franz Liszt auf ihre Begabung — man weiß freilich nicht wo — aufmerksam wurde. Liszt lud die, wie Anton Resch berichtet, „mittlerweile durch Heirat mit einem k. k. Hauptman zur Antonia Raab gewordene junge Künstlerin ein, zu ihm nach Weimar zu kommen." Resch berich= tet aufgrund sicherer Quellen weiter, daß sich Liszt einige Male bei Antonia Raab in Retz auf= hielt. Der Retzer Männergesangs=Verein hat deshalb anläßlich der Wiederkehr des 150. Ge= burtsjahres und des 73. Todesjahres im Jahre 1.96X eine Gedenktafel am Haus Hauptplatz 25 angebracht, die auf die Besuche Franz Liszts in diesem Hause hinweist. Antonia Raab starb am 12. Juni 1902 in Hadersdorf=Weidlingau (bei Wien) und fand ihre letzte Ruhestätte in Retz. Toni Raab dürfte zweifellos mit zu den hervor= ragendsten Klavierspielerinnen ihrer Zeit gehört haben. Einer der Höhepunkte in ihrer Virtuosen» laufbahn war sicherlich ihre solistische Mitwir» kung im 6. Abonnementkonzert der Wiener Philharmordker am 27. Jänner 1878 (Spielzeit 1877/78), als sie das Klavierkonzert f=moll op. lö von Adolf Henselt unter der Leitung von Hans Richter spielte'®. Die Verbindung von Toni Raab zu ihrem Leh= rer war einerseits durch treue Anhänglichkeit und von Seiten Liszts durch besondere Wert» Schätzung, die er seiner Schülerin entgegen» brachte, gekennzeichnet. Dies ist uns freilich nur aus wenigen Briefen bekannt. In einem aus Budapest, in französischer Sprache an Toni Raab gerichteten Brief schreibt M. Prahäcs im Kommentar zur diesem Briefe: ,,1) Tony Raab . . . war auch in Pest jahrelang Liszts Schülerin. Zarembski gegenüber sprach er mit groß» ter Anerkennung von Frau Tony Raab, die am 12. Dezember 1877 auf dem Pester Konzert des belgischen Cellisten Mr. de Swert „a joue admirab» lement les ,Zigeunerweisen' de Tausig" (Br. II. Nr. 218). Dasselbe Werk trug Tony Raab auf einer Matinee der Musikakademie vor (24. März 1878). Bei dieser Veranstaltung traten Liszts beste Sdiüler auf." Ferner: „7) Aus einem Brief Kornel Abränyis an Erkel wissen wir, daß es Liszts Wunsch war, Tony Raab auf der ersten Matinee, mit der der Festsaal der neuen Mu= sikakademie in der Sugar=Straße eingeweiht werden sollte, auftreten zu lassen (14. März), doch Tony Raab lag, wie Abränyi schrieb, in Wien krank dar» nieder; ihre Vertreterin wollte Liszt auf der Gene» raiprobe bestimmen. So kam Tony Raab erst 1881 wieder nach Pest. Sie trat am 1. Februar beim Kon» zert des Streichquartetts Krancsevics auf und gab am 10. Februar ein eigenes Konzert, bei dem Liszt anwesend war." Liszt teilte Toni Raab audi mit, daß er sich sehr über ihre Erfolge in Wien und Graz freute, worüber ihm Bösendorfer'® berichtete. Max Auer: August Göllerichs Beziehungen zu An» ton Bruckner. In: In memoriam . . . hrsg. von Gisela Göllerich. Linz 1928. S. 8. A. G ö 11 e r i c h, Erinnerungen, S. 2. Vgl. Anton Resch. Herr Direktor Steurer, Retz, der mich auf den Aufsatz von Anton Resch aufmerksam machte und mir auch sonstige wertvolle Hinweise gab, danke ich an dieser Stelle herzlich für seine Be» mühungen. Vgl. Festschrift Wiener Philharmoniker 1842—1942, hrsg. von Wilhelm J e r g e r, Statistik von Dr. Hedwig Kraus und Karl Schreinzer. Wien 1942, S. 65, 140, 204. M. P r a h ä c s, Brief und Kommentar Nr. 422. " Der Klavierfabrikant Ludwig Bösendorfer (1835 bis 1919) in Wien.

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