Jahre vorher gesperrte Schule - der notgedrungen protestantenfreundlichen Haltung Erz herzog Matthias' im Bruderzwist entsprechend - wieder geöffnet worden, Matthias Anomäus, Doktor der Medizin und an mathematischen Studien interessiert, war der neue Rektor. Wohl fast jeder aus dem Lehrkörper oder sonst in Diensten der Stände Stehende hatte irgendeine Beziehung, hatte wissenschaftliche oder sogar persönlich-freundschaftliche Kon takte zu Kepler. Mit dem Konrektor der Landschaftsschule, dem kaiserlichen Poeta laureatus Ennius Ziegenmayr, mögen Sprachgewalt und Ausdrucksreichtum Keplers sowohl im Latei nischen als auch im Deutschen das verbindende Element gewesen sein, mit dem Komponisten Johann Kraut, genannt Brassicanus, Keplers Versuche mit dem Monocord zum Beleg für die den Kosmos beherrschende Harmonie. Lfnd mit dem Präzeptor Florian Crusius, Arzt und Philosoph, bestand noch nach dessen Abgang aus Linz (1611) brieflicher Kontakt. Als ständischer Ingenieur war 1610 der auf Befestigungstechnik spezialisierte Georg Stripf aufgenommen worden, der sich auch mit geometrischen und astronomischen Problemen befaßte und vielleicht aktiv bei der damals geplanten Erweiterung der Stadt Linz mitge wirkt hat®. Später mußte Kepler aktiv für seine Kollegen an der Landschaftsschule tätig sein. Dies gilt speziell für die Betreuung der Verlassenschaft nach Hieronymus Megiser und die Sorge um die ständische Bibliothek im Jahre 1620®. Keplers Stellung zum Adel des Landes ob der Enns ist schwerer zu umreißen. Als er sich im Juni 1611 offiziell um die Anstellung in Linz bewarb, da waren dem schon Jahrzehnte vorher Kontakte mit oberösterreichischen Adeligen vorausgegangen. Dabei ist immer wieder das Projekt einer Landkarte zu erwähnen^". Bei der ersten Anknüpfung von Bezie hungen Keplers zu Linz, bei seinem Kontakt mit Georg Erasmus Tschernembl anläßlich dessen Reise nach Graz 1595 (um Unterstützung im Kampf gegen die aufständischen Bauern zu erbitten) bildete schon das Angebot, eine Landkarte zu zeichnen, den Mittelpunkt des Gespräches. Es ist bisher nicht geklärt worden, wieso Kepler in seinem detaillierten Bericht über die Unterredung an seinen Lehrer Michael Maestlin von einem Ersuchen der nieder österreichischen Stände spricht, für die doch Tschernembl nicht verhandlungsberechtigt war. Ein Irrtum Keplers ist kaum möglich, denn er charakterisiert seinen Gesprächspartner als „quidam Baro a Tzernem, qui ab superioris Austriae proceribus huc missus est" und setzt dann fort: „Inde postulatum Inferioris Austriae Ordinum {sie ille dicebat) exponit, qui cupiant Tabulam Inferioris Austriae Geographicam ex me concinnari"'^''-. Es gehörte durchaus zu den Autarkiebestrebungen des Landes ob der Enns, neben der Instandsetzung der Waffen und Rüstungen in den Zeughäusern, neben den Versuchen um Aufrichtung einer eigenen Münzstätte auch eine genaue Landkarte zu erhalten. In dem Anstellungsdekret ist also die kartographische Tätigkeit ausdrücklich genannt, und Kepler wird 1616 von den Ständen gerügt, weil er diese Arbeit vernachlässigt hatte. Noch ein anderes Argument geht aus Keplers erstem Gespräch mit Tschernembl herhervor. „Is me vocat, initium sermonis facit a certitudine mei Calendarii in articulo de seditionibus'^^." ® Hier und in der Folge Nachweise aus den Bänden der Linzer Regesten (Linz 1950 ff.): Georg Stripf: Bestallung 1610, B II A 9/11428, B II A 25/17567, B II A 27/18054; Urlaub nach Dänemark, B II A 9/11527, B II A 25/17567; Verlassenschaft 1612, B II A 9/11549, B II A 27/18042, 18043. Justus Schmidt, Linzer Kunstchronik 3, 1952, S. 128. ° Drei Aktenstücke darüber bei Schmidt, Kepler, S. 301 ff., als Anhang, die Regesten im Band B II A 11. Kreczi, Kepler, Holzwurm usw., 1947, S. 15-21. Der Abdruck des Briefes vom 20./SO. Oktober 1595 nach den Opera omnia, ed. Frisch 1, 1858, S. 19, bei Hans Sturmberger, Georg Erasmus Tschernembl, 1953, S. 64 f., Anm. 119 f., dazu auch S. 251 f. Vgl. jetzt die Briefausgabe in den Gesammelten Werken, Band 13, 1945, Nr. 24, S. 46 f. Wie Anmerkung 11.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2