übrigens fügte es sich, daß Hieronymus Megiser, 1613 als landschaftlicher Historiker und Sprachlehrer nach Linz berufen, in einer ähnlichen Situation war wie Kepler. Megisers erste Frau Katharina, die Tochter des Frankfurter Buchhändlers Spieß, war am 9. April 1612 gestorben^®. Das jüngste der sechs Kinder Megisers war damals noch nicht drei Jahre alt, die älteste konnte aber den Haushalt schon versorgen. Am 15. Jänner 1614 heiratete Lukretia Megiser jedoch den verwitweten kaiserlichen Hartschier-Rottmeister Sixtus Kolbenschlag und der etwa sechzigjährige Vater mußte sich zu einem zweiten Ehebunde entschließen. Er wählte die um Jahrzehnte jüngere Susanna Memhard, die Tochter seines Universitätsffeundes; die Hochzeit fand am 29. September 1614 statt®'. Diese Familienverbindung vertiefte auch freundschaftliche Bande zwischen Kepler und Megiser. Um aber die Gründe für die Trauung Keplers in Eferding zu verstehen, muß hier zunächst kurz sein Verhältnis zur Linzer Geistlichkeit skizziert werden. Als er 1612 nach Linz übersiedelte, wirkte dort im Landhaus seit dem Vorjahr der vom württembergischen Konsistorium in Stuttgart eingesetzte lutherische Pfarrer Daniel Hitzler". Dieser vertrat die orthodox-lutherische Theologie württembergischer Prägung und damit die Lehre von der Allgegenwart des Fleisches Christi, insbesondere im Abendmahl. Der Ungläubige, der am Abendmahl teilnimmt, empfangt den Leib Christi, aber nicht in geistlicher Weise und damit ihm selbst zum Schaden. Er würde schuldig am Leib Christi, und dies hätte den Verlust der Gnade zur Folge. Die Betonung der Allgegenwart des Fleisches Christi und insbesondere seiner Gegenwart im Abendmahl richtet sich gegen die calvinische Lehre, wonach der Leib Christi sich seit der Himmelfahrt im „Himmel" befinde und im Abendmahl Christus daher nur als Geist gegenwärtig sein kann. Brot und Wein wären danach nur Zeichen, zu denen der Geist hinzutreten müsse. Kepler - zwar katholiseh getauft, aber lutherisch erzogen - blieb bei diesem Bekenntnis, berief sich auf die Augsburger Konfession, verweigerte aber die Unterschrift unter die Konkordienformel, die Lehrformulierung des größten Teils des deutschen Luthertums am Beginn der orthodoxen Lehrentfaltung. In ihr wurde die calvinische Lehre förmlich verdammt. Diese Verwerfungen verstand Kepler als Verdammung der reformierten Christen überhaupt - die Konkordienformel meinte das allerdings nicht so eindeutig —, und das schien ihm gegen den Geist der christliehen Bruder liebe zu verstoßen. Kepler hatte bereits in Prag den Predigern seine Zweifel geschildert, diese hatten aber offenbar daran nicht ernstlich Anstoß genommen. Im Jahre 1609 hatte er dem Herzog von Württemberg seine Auffassung dargelegt, da mit einer etwaigen An stellung an der Universität Tübingen die Auflage verbunden gewesen wäre, die Konkordien formel zu unterschreiben. Das Konsistorium hatte damals eine Berufung Keplers abgelehnt. In Linz schilderte Kepler dem Landhausprädikanten wiederiun seine Bedenken, Hitzler fühlte sich daraufhin nicht in der Lage, ihm das Abendmahl zu reichen. Kepler sah sich von der Kommunion ausgeschlossen! Hitzler hatte seine Entscheidung nicht aus juristischen, sondern aus seelsorglichen Gründen getroffen. Wie könnte jemand am Abendmahl teilGerhard Salomon, Magister Johannes Memhard, der adeligen Landschaftsschule zu Linz Rektor, und seine Familie, Heimatgaue 15, 1934, S. 176. Salomon a. a. O. Die Frage der Autorschaft von Megisers Annales Garinthiae u. a. können hier nicht be rührt werden, vgl. Karl Großmann, Megiser, Christalnick und die Annales Garinthiae, Mitt. des Instituts für Österr. Geschichtsforschxmg 57, 1949, S. 359 ff., Wilhelm Neumann, Michael Gothard Christalnick, Kärntner Museumsschriften 13, 1956. Ich stütze mich bei der kurzen Zusammenfassung der theologischen Aspekte auf Jürgen Hübners Arbeit „Kepler und Daniel Hitzler", in: Johannes Kepler, Werk und Leistung, Ausstellung 1971, S. 73-80. Dort auch die ältere Literatur, speziell der Aufsatz von Othmar Wessely, Daniel Hitzler, Jahrbuch der Stadt Linz 1951 (1952), S. 282 ff. Zur Konkordienformel vgl. Anmerkung 52.
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