OÖ. Heimatblätter 1971, 25. Jahrgang, Heft 3/4

JAHRGANG 25 1971 HEFT 3/4

Oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Institut für Landeskunde von Oberösterreidi Sdiriftleiter; Hodisdiulprofessoi Hofrat Dr. Ernst Burgstaller Jahrgang 25 Heft 3/4 Juli —Dezember 1971 INHALT Keplers Trauung in Eferding von Georg Wacha Die Stadt Steyr in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges von Josef Ofner Die Verbreitung der ersten Stelzhamerlieder von Horst Lerch Liebenau — Liebenecker von Anton Mitmannsgruber Die Entwicklung von Bergbau und Industrie in Oberösterreich (1841—1873) von Gustav O t r u b a und Rudolf Kropf Anhang: Industrietopographie von Gustav O t r u b a und Rudolf Kropf Julius Hann, ein großer Oberösterreicher Zu seinem 50. Todestag von Alois Topitz Schrifttum Bibliographie des Weihnachtsliedes „Stille Nacht, heilige Nacht" Nachtrag, zusammengestellt von Alois L e e b

Zuschriften an die Schriftleitung: Schriftleiter: Hochschulprofessor Hofrat Dr. Ernst Burgstaller 4020 Linz a. d. D., Landstraße 24/111, Ruf 26 4 26 Zuschriften an den Verlag: Institut für Landeskunde von Oberösterreich, Linz a. d. D., Landstraße 24/III, Ruf 26 4 26 Druck: Oberösterreichischer Landesverlag, Linz a. d. D.

Keplers Trauung in Eferding Georg Wacha Susanna Kepler, geb. Reuttinger, * 25. 12. 1589, t 30. 8. 1636. 1. Kepler in Linzer Sicht. 2. Die religiösen Verhältnisse in Eferding an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhun dert. 3. Kaiser Matthias auf dem Wege nach Regensburg in Linz. 4. Die Seuche in Linz. 5. Keplers Trauimg in Eferding. Am 30. Oktober 1613 wurde der kaiserliche Mathematiker Johann Kepler zu Eferding in zweiter Ehe mit Susanna Reuttinger getraut. In einem Brief vom 23. Oktober 1613 legte er ausführlich seine Heiratsprojekte dar und schrieb über seine Braut: „Susanna ist der Name, die Eltern Johann Reuttinger und Barbara, Bürger der Stadt Eferding, der Vater seines Handwerks Tischler, beide bereits gestorben^." Wie alle historischen Geschehnisse ist auch dieses vielschichtig. Zu den simplen Fest stellungen des wer, wann und wo kann man aber noch die Fragen nach warum dort, warum damals stellen und damit die Einordnung in den Zeitablauf, die Einfügung in das historische Gesamtbild erreichen. Die Wirkung auf den unbeteiligten Zuschauer ist wieder eine andere Facette des Bildes. Wie mag dieses Ereignis auf die Zeitgenossen gewirkt haben? Wie sahen sie Kepler? 1. Kepler in Linzer Sicht Aus Prag, vom Hof des kürzlich verstorbenen legendenumwobenen Kaisers Rudolf II. kam ein Witwer nach Linz. Daß er aus religiösen Gründen mehr als ein Jahrzehnt früher aus Graz vertrieben worden war, wird ihm vielleicht in der noch überwiegend protestan tischen Bevölkerung der Landeshauptstadt ob der Enns Sympathie verschafft haben. Er schilderte sich selbst als „schmächtig, saftlos und mager^", war eher von zwergenhaftem Wuchs, trug der Mode der Zeit entsprechend einen breiten Kinnbart und einen buschigen Schnurr bart, schon von ersten grauen Fäden durchzogen. Er hatte die Vierzig schon überschritten, und seine Tätigkeiten waren nicht dazu angetan, beim gemeinen Bürger und Handwerks mann Zutrauen zu erwecken. Da saß er doch nächtens, durch eine Zipfelmütze gegen die Kälte geschützt, und beobachtete die Sterne. Bei einer Mondesfinsternis' hatte er sich einen ^ Die Schilderung der Braut stammt aus einem Brief Keplers an einen Unbekannten (wohl den kaiserlichen Rat Baron von StrahlendorfF) aus Eferding vom 23. Oktober 1613, Johannes Kepler, Gesammelte Werke, hg. von Max Casper, Bd. 17 (Briefe 1612—1620), 1955, Nr. 669, S. 79 ff. Eine Übersetzung bei Max Caspar und Walther von Dyck, Johannes Kepler in seinen Briefen, Bd. 2, 1930, S. 25-38, und Justus Schmidt, Johann Kepler, Linz 1970, S. 246 f., n. 65 (Auszug). ' Die Beschreibung Keplers aus dem in der vorigen Anmerkung zitierten Brief. Das Aussehen ist aus dem Bildnis zu erschließen, das im Alter von 39 Jahren von Kepler in Prag gemalt worden ist (Schmidt, Kepler, Frontispiz und Umschlag). Zur Beschreibung des Bildes (Schmidt S. 2) ist richtigzustellen, daß es rechts oben selbstverständlich heißt „AETATIS SUAE 3gji6io" und nicht „Aetatis suae i6io". Die Frage der Por trätechtheit dieses Bildnisses, von Justus Schmidt als einzige authentische Wiedergabe bezeichnet (S. 173: „Alle übrigen Darstellungen Keplers sind wertlos"), ist noch nicht eindeutig geklärt. Hervorzuheben bleibt, daß die Untersuchung durch einen Fachmann (Hochschulprofessor Dr. Helmut Kortan, Meisterschule für Konservierung und Technologie an der Akademie der Bildenden Künste in Wien) erstens die Gleich zeitigkeit von Bild und Beschriftung ergeben hat, zweitens die Feststellung, daß sowohl der technische Aufbau der Malerei als auch der gesamte Materialcharakter dieser Beschriftung nicht widerspricht (Schreiben an den Verfasser, datiert 6. Juni 1968, Stadtmuseum Linz). Martha List hat in ihrem Vortrag beim KeplerSymposion in Linz im August 1971 die Authentizität erneut abgelehnt. ' Die Unterlage für die obige Schilderung bietet die Observatio Eclipsis Lunae Anno MDCXVl als Beilage zum Brief Keplers an Michael Mästlin vom 22. Dezember 1616, Werke 17, Nr. 750, S. 206, übersetzt bei Schmidt, Kepler, S. 251. Die Mondfinsternis hatte am 27. August 1616 stattgefunden.

Beobachtungspunkt auf dem Pöstlingberg ausgesucht. Knapp vor dem Schließen des Stadt tores stieg er mit zwei Begleitern in einstündigem Fußmarsch hinauf, stellte auf einem abge ernteten Feld seine Geräte auf. Ein Bauer in der Nähe aber hatte ihn bemerkt, zwei Stunden hindurch schlug dieser lärmend die Torflügel aneinander und schrie sich heiser, schickte schließlich einen Boten aus, der die Nachbarn herbeirief, um die lästigen Fremden zu ver treiben. Ein Baumstumpf in einiger Entfernung vom ursprünglichen Platz mußte dann als Unterlage dienen, doch waren weder Fackel noch Kerze aufzutreiben, das Anzünden eines offenen Feuers aber wegen der Brandgefahr nicht ratsam. Mit glühenden Kohlen hantierend wurden auf dem hölzernen Instrument die Marken eingebrannt, Kepler selbst lag ausge streckt auf dem Boden und zeichnete auf taufeuchtem Papier teils bei Mondlicht, teils beim Schein der glimmenden Kohle die Beobachtungen auf. — Gelegentlich fuhr der unheimliche Zeitgenosse von Ort zu Ort, besah die Kirchen, ging den Flüssen und Bächen nach, fragte nach den Bergen und Höhenzügen und beschritt verwachsene Pfade. Argwöhnische Bauern stellten ihn immer wieder zur Rede, wollten grob gegen ihn werden, und nur durch reich liches „Trinkgeld" (im wahrsten Sinne des Wortes) konnte Kepler Auskünfte erhalten — meist endete es damit, daß der Gewährsmann nicht mehr antworten wollte oder vom Alkohol betäubt war^. Kepler besaß auch ein kleines, vollkommen abgedunkeltes Zelt, das gerade für eine Person ausreichte. Es war wie eine Windmühle drehbar und bot die Möglichkeit, durch ein wenige Zentimeter großes Loch mit einem Linsensystem auf speziell vorbereitetem Papier die Linien der Landschaft nachzuzeichnen. Der englische Gesandte Sir Henry Wotton bewunderte bei seinem Besuch in Keplers Arbeitszimmer im August 1620 eine solche Land schaftszeichnung, als deren Autor sich jener lächelnd bekannte: „non tanquam pictor, sed tanquam mathematicus^". — Und schließlich wußte man, daß Kepler Voraussagen für die kommenden Jahre verfaßte, ja daß immer wieder Besucher zu ihm kamen, denen er das Schicksal aus den Sternen deuten mußte». Es liegt kein zeitgenössischer Bericht vor, aber man wird wohl nicht fehlgehen mit der Meinung, daß Kepler den einfachen Leuten seiner Umwelt als Schrullenkopf, als unheimlicher Patron, ja selbst als Zauberkünstler erschienen sein muß. Für die Bediensteten der oberösterreichischen Stände' stellten sich die Verhältnisse wiederum ganz anders dar. Da war ein Mann nach Linz gekommen, der durch mehr als ein Jahrzehnt dem verstorbenen Kaiser gedient hatte, der wegen dessen Vorliebe für Astro nomie, Naturwissenschaften, Alchemie usw. zu den Bevorzugten am Prager Hof gehört hatte und jetzt um die Auszahlung seiner Besoldungsrückstände kämpfen mußte. Kepler war ein Landsmann des ehemaligen Rektors der Landschaftsschule in Linz, des Schwaben Johannes Memhard, dem noch immer die Betreuung der ständischen Bibliothek oblag. Im Jahre 1609 war die durch Eingreifen der kaiserlichen Reformationskommissäre acht * Kepler schildert in ähnlicher Form seine Arbeit an der oberösterreichischen Landkarte im Bericht an die Stände vom 9. Mai 1616, Gesammelte Werke 17, Nr. 734, S. 172 fT., übersetzt bei Caspar - von Dyck 2, S. 57 ff., und bei Schmidt, S. 249 f. Dazu ausführlich Hanns Kreczi, Kepler, Holzwurm und die oberöster reichische Landkarte, Beiträge zur Linzer Stadtgeschichte 1, 1947, S. 15-21. » Die Beschreibung mit einer Abbildung der betreffenden Stelle aus den gedruckten englischen Briefen Sir Henry Wottons bei Walther Gerlach-Martha List, Johannes Kepler, 1971, S. 181 und Abb. 204. » In den Pulkowoer Kepler-Manuskripten, Band 18 und 21, finden sich Horoskopfiguren für insgesamt rund 800 Personen, einige aus Studienzwecken von Kepler angelegt, viele auf Bestellung. Ausführlich behandelt wurde bisher nur eines: Martha List, Das Wallenstein-Horoskop von Johannes Kepler, in: Johannes Kepler, Werk und Leistung, Katalog 1971, S. 127—136. Die im Wiener Kunsthistorischen Museum befindliche Ausführung bei Schmidt, Kepler, S. 176, Nr. 142. ' Zu Keplers Kontakten zu den Mitgliedern der Landschaftsschule und zu anderen Bediensteten der Stände vgl. Georg Wacha, Linz zur Zeit Keplers, in: Johannes Kepler, Werk und Leistrmg, Katalog 1971, S. 21 f.

Jahre vorher gesperrte Schule - der notgedrungen protestantenfreundlichen Haltung Erz herzog Matthias' im Bruderzwist entsprechend - wieder geöffnet worden, Matthias Anomäus, Doktor der Medizin und an mathematischen Studien interessiert, war der neue Rektor. Wohl fast jeder aus dem Lehrkörper oder sonst in Diensten der Stände Stehende hatte irgendeine Beziehung, hatte wissenschaftliche oder sogar persönlich-freundschaftliche Kon takte zu Kepler. Mit dem Konrektor der Landschaftsschule, dem kaiserlichen Poeta laureatus Ennius Ziegenmayr, mögen Sprachgewalt und Ausdrucksreichtum Keplers sowohl im Latei nischen als auch im Deutschen das verbindende Element gewesen sein, mit dem Komponisten Johann Kraut, genannt Brassicanus, Keplers Versuche mit dem Monocord zum Beleg für die den Kosmos beherrschende Harmonie. Lfnd mit dem Präzeptor Florian Crusius, Arzt und Philosoph, bestand noch nach dessen Abgang aus Linz (1611) brieflicher Kontakt. Als ständischer Ingenieur war 1610 der auf Befestigungstechnik spezialisierte Georg Stripf aufgenommen worden, der sich auch mit geometrischen und astronomischen Problemen befaßte und vielleicht aktiv bei der damals geplanten Erweiterung der Stadt Linz mitge wirkt hat®. Später mußte Kepler aktiv für seine Kollegen an der Landschaftsschule tätig sein. Dies gilt speziell für die Betreuung der Verlassenschaft nach Hieronymus Megiser und die Sorge um die ständische Bibliothek im Jahre 1620®. Keplers Stellung zum Adel des Landes ob der Enns ist schwerer zu umreißen. Als er sich im Juni 1611 offiziell um die Anstellung in Linz bewarb, da waren dem schon Jahrzehnte vorher Kontakte mit oberösterreichischen Adeligen vorausgegangen. Dabei ist immer wieder das Projekt einer Landkarte zu erwähnen^". Bei der ersten Anknüpfung von Bezie hungen Keplers zu Linz, bei seinem Kontakt mit Georg Erasmus Tschernembl anläßlich dessen Reise nach Graz 1595 (um Unterstützung im Kampf gegen die aufständischen Bauern zu erbitten) bildete schon das Angebot, eine Landkarte zu zeichnen, den Mittelpunkt des Gespräches. Es ist bisher nicht geklärt worden, wieso Kepler in seinem detaillierten Bericht über die Unterredung an seinen Lehrer Michael Maestlin von einem Ersuchen der nieder österreichischen Stände spricht, für die doch Tschernembl nicht verhandlungsberechtigt war. Ein Irrtum Keplers ist kaum möglich, denn er charakterisiert seinen Gesprächspartner als „quidam Baro a Tzernem, qui ab superioris Austriae proceribus huc missus est" und setzt dann fort: „Inde postulatum Inferioris Austriae Ordinum {sie ille dicebat) exponit, qui cupiant Tabulam Inferioris Austriae Geographicam ex me concinnari"'^''-. Es gehörte durchaus zu den Autarkiebestrebungen des Landes ob der Enns, neben der Instandsetzung der Waffen und Rüstungen in den Zeughäusern, neben den Versuchen um Aufrichtung einer eigenen Münzstätte auch eine genaue Landkarte zu erhalten. In dem Anstellungsdekret ist also die kartographische Tätigkeit ausdrücklich genannt, und Kepler wird 1616 von den Ständen gerügt, weil er diese Arbeit vernachlässigt hatte. Noch ein anderes Argument geht aus Keplers erstem Gespräch mit Tschernembl herhervor. „Is me vocat, initium sermonis facit a certitudine mei Calendarii in articulo de seditionibus'^^." ® Hier und in der Folge Nachweise aus den Bänden der Linzer Regesten (Linz 1950 ff.): Georg Stripf: Bestallung 1610, B II A 9/11428, B II A 25/17567, B II A 27/18054; Urlaub nach Dänemark, B II A 9/11527, B II A 25/17567; Verlassenschaft 1612, B II A 9/11549, B II A 27/18042, 18043. Justus Schmidt, Linzer Kunstchronik 3, 1952, S. 128. ° Drei Aktenstücke darüber bei Schmidt, Kepler, S. 301 ff., als Anhang, die Regesten im Band B II A 11. Kreczi, Kepler, Holzwurm usw., 1947, S. 15-21. Der Abdruck des Briefes vom 20./SO. Oktober 1595 nach den Opera omnia, ed. Frisch 1, 1858, S. 19, bei Hans Sturmberger, Georg Erasmus Tschernembl, 1953, S. 64 f., Anm. 119 f., dazu auch S. 251 f. Vgl. jetzt die Briefausgabe in den Gesammelten Werken, Band 13, 1945, Nr. 24, S. 46 f. Wie Anmerkung 11.

Die Einleitung der Verhandlungen bildete also der Hinweis auf das Eintreffen von Keplers Voraussagen in dem betreffenden Jabreskalender. Und hier ist sieber ein wichtiger Grund für die Stände des Landes ob der Enns zu finden, solch einen Mann an sich zu binden: Er sollte ihnen die günstigen oder gefahrlichen Aspekte bei ihrem Vorgehen berechnen, sie erwarteten von ihm eine Tätigkeit etwa in Form eines Hofastrologen. Und sicher waren es in erster Linie die Vertreter des Herrenstandes, die sich von Kepler das Horoskop stellen ließen^'. Und als es zu einer Art Kampfabstimmung zwischen den Vertretern des Herren standes und denen des Ritterstandes im Jahre 1616 kam, ob Keplers Vertrag verlängert werden sollte, da waren es die Erstgenannten, die ihm zum Siege verhalfen - zum Sieg in einem Streit, an dem er gar nicht beteiligt war, wie er es selbst ausdrücktet^. Zur Familie der Hohenfelder, welche die Schlösser Aistersheim, Almeck, Peuerbach und Weidenholz besaß, hatte Kepler schon als Student in Tübingen Verbindung erlangt. Marx Hohenfelder studierte mit seinen zwei jüngeren Brüdern Ludwig und Wolfgang dort, Kepler sandte ihnen von Graz seinen ersten Kalender auf 1595 und erbat durch Maestlin von ihnen ein Gedicht zum „Mysterium cosmographicum". Marx war auch Hörer von Keplers Lehrer Michael Maestlin und Defensor seiner Disputation „De eclipsibus solis et lunae". 1609 wurde Wolf Hohenfelder zum Scholarchen oder Inspektor der Linzer Landschaftsschule bestellt, nach seinem Tode 1616 übernahm sein Bruder Ludwig das Amt, kam aber nur selten nach Linzts. Auch Helmhard Jörger hatte in Tübingen studiert, als Hofkammer präsident stellte er 1610 in den kritischen Tagen des Zwistes zwischen Rudolf II. und Matthias sein Amt zur Verfügung und begab sich nach Oberösterreich zurück. Er riet Kepler schon im Dezember 1610 zur Übersiedlung ins Land ob der Enns und zum Eintritt in den Dienst der Stände^'. Kepler besorgte in Linz wissenschaftliche Literatur für Jörgers reiche Bibliothek, er widmete diesem und Maximilian von Liechtenstein die „Stereometria doliorum" als Neujahrs gabe für 1613, selbstverständlich verfaßte er auch ein Horoskop für Helmhard Jörger^'. Die Gattin Helmhard Jörgers, Maria Magdalena, geborene von Polheim^®, beriet Kepler bei der Brautschau im Jahre 1613. Auch mit dem Vater, dem kaiserlichen Hof kammerrat und Generalobristen der Landschaft ob der Enns Wolfgang Jörger, scheint Kepler in gutem Einvernehmen gestanden zu haben. Er notierte sich wichtige Daten aus dessen Jugendjahren, verfaßte auf den am 7. März 1613 Verstorbenen eine Leichenrede und war bei der feierlichen Beisetzung in Steyregg am 1. Mai 1613 anwesend^'. Leider ist noch kein Verzeichnis der oben in Anmerkung 6 genannten rund 800 Horoskope veröffentlicht. Von oberösterreichischen Adeligen sind darunter das von Georg Erasmus Tschernembl (26. 1. 1567), Hans Georg Tschernembl (23. 5. 1577; siehe Sturmberger, Tschernembl, S. 251 ff.), HehnhardJörger (17. 2. 1572; siehe Anmerkung 17) und Adam Graf Herberstorff enthalten. Vgl. auch Briefe von Gundacker von Pol heim (16. 11. 1614), Hans Wilhelm von Zelking (4. 1. 1615) und Job Hartmann von Encnkel (13. 7. 1619, für sein Töchterchen) in den Gesammelten Werken, Band 17. " Schon im November 1613 ist unter den Vorschlägen für Instruktionen und Einsparungen der Landschaft auch Kepler genannt; er habe eine ziemlich hohe Bestallung, seine Leistung sei aber gering. Es bliebe den Ständen überlassen, ob er weiterbehalten werden solle. Der Punkt wurde dann wieder gestrichen. Linzer Regesten B IIA 24/17346, Pt. 8. Justus Schmidt, Johann Keplers Linzer Wohnhaus, Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1970 (1971), S. 22 (Wieder abdruck aus „Linzer Aspekte" 1970, S. 55 f.). Martha List, Die Wohnstätten von Johannes Kepler in Linz, Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1970 (1971), S. 25 ff. Der Brief in den Gesammelten Werken, Bd. 16, Nr. 602. " List, ebenda, S. 27, nach einem Versteigerungskatalog von 1940. Vgl. auch Anmerkung 13. Heinrich Wurm, Die Jörger von Tollet, 1955, S. III f. (Heirat am 6. Mai 1596, gestorben 1618), S. 291 (Stammtafel). - Erwähnt sei überdies die Taufpatin von Keplers Tochter Katharina (31. Juli 1617), die Witwe Rosina Freiin von Herberstein, eine geborene von Polheim. Sie war eine Schwester von Maria Mag dalena Jörger, geb. Polheim, siehe Johann Adam Fh. von Hoheneck, Die Löbliche Herren Herren Stände deß Ertz-Hertzogthumb Oesterreich ob der Ennß 2, 1732, S. 102. " Auf diese bisher unbekannten Quellen in den Pulkowoer Kepler-Handschriften hat Martha List, Kunstjahr buch 1970, S. 26, erstmals hingewiesen.

Auf die Verbindung Keplers mit Georg Erasmus Tschernembl ist schon hingewiesen worden; leider sind die schriftlichen Nachrichten während der Linzer Jahre Keplers gering, einen um so stärkeren persönlichen Kontakt wird man aber annehmen dürfen^". Und das Interesse für astronomische Fragen war sicher in den Kreisen des Adels bedeu tend, war doch dieser bis zu dem schweren Bruch durch Gegenreformation und Exilierung Träger und Förderer der Wissenschaft (was später auf die Jesuiten und die Stifte des Landes überging, man denke an die Observatorien auf Jesuitenkollegien etwa in Wien, auf dem Nordico in Linz, an die Bauwerke dafür in Kremsmünster und in Lambach). Zusammen fassend sei Kepler selbst zitiert, der sicher mit Recht davon sprach, „das sonderlich diser Ortten vil adeliche Gemüther sich finden, welche nach dem hochlöblichen Exempl ihrer Landsfiürsten und Herrn von dem Haifi Österreich den mathematischen Künsten und Betrachtung der allerweisesten und zürlichisten Werckhe Gottes in Erschaffung Himmels und der Erden, hindangesetzt aller anderer Khurzweil, vernünffliglich ergehen^^.'^ Kepler kam im Mai 1612 nach Linz. Seine Kinder, die zehnjährige Susanne und den viereinhalbjährigen Ludwig, hatte er zuerst bei der Witwe Pauritsch in Kunstadt gelassen, dann nach Wels zu Johann Seidenthaler gebracht. Johann Memhard, der frühere Rektor der Landschaftsschule, hatte seinen Landsmann Kepler auch während dessen Grazer und Prager Aufenthalt nicht aus den Augen verloren, wahrscheinlich stieg Kepler in den ersten Wochen der Linzer Zeit bei ihm ab. Es scheint, daß Kepler schon im September 1612 seine beiden Kinder aus Wels zurückholte und zusammen mit seinem Gehilfen B. Ursinus im Hause von Hans Christoph Plattl lebte''''. Über die Person dieses Linzers - der im gleichen Jahr als Testamentszeuge des Landschaftsingenieurs Stripf auftrat®® und daher mit den Ständen des Landes ob der Enns in Verbindung gestanden haben mag — ist wenig bekannt. Ein Brief des Ursinus an den zu Prag weilenden Kepler vom Februar 1613 endet mit den Worten „Dominus Platelius et Tui Te salutant". Im Juni 1613 ist eine Anschrift an Kepler „inn der Vorstatt zum Weingarten" überliefert, die sich auf diese Unterkunft beziehen könnte®*. Im Jahre 1613 begründete Kepler einen eigenen Hausstand in der Hofgasse®®, wo bisher nicht eindeutig feststellbar war, in welchem Haus nun Kepler die nächsten Lebensjahre verbrachte. Es wurden das Starhemberger Haus Nr. 9 (Kreczi) und das Polheimer Haus Nr. 7 genannt (Reicherstorfer), Justus Schmidt plädierte für das Hohenfelder Freihaus Hofgasse Nr. 21®', Martha List machte das Jörgersche Freihaus Hofgasse Nr. 22 wahrschein lich®'. ®' Zu dem von Sturmberger S. 252 f. herangezogenen Brief eines unbekannten Begleiters Keplers vom 20. Jänner 1616 (nicht in den Gesammelten Werken) kommt Keplers Aufzeichnung über den Jahresablauf 1616 hinzu, wo er ausdrücklich erwähnt „Im Januar Reise zu Baron Tschernembl über Steyr und Enns", Schmidt, Kepler, S. 248 (Übersetzung nach Revotutio anni i6i6. Frisch 8, 2, S. 832). ®' Gesammelte Werke 16, 1954, Nr. 617, S. 381, Caspar- von Dyck 1, S. 387; gekürzte Übersetzung bei Schmidt, Kepler, S. 243. ®® Der Hinweis auf diese Wohnstätte erstmals bei Martha List, Die Wohnstätten von Johannes Kepler in Linz, Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1970 (1971), S. 28. ®' Linzer Regesten, B II A 9/11549 b, B II A 27/18043 a, vgl. Anmerkung 8. ®* Rudolf Reicherstorfer, Des Astronomen Kepler Linzer Wohnstätten, in: Gestalter und Gestalten, Schriften reihe Linz, Erbe und Sendung, 1943, S. 22 f., Hanns Kreczi, Joharmes Kepler in Linz, Bilder aus vergan genen Tagen (Linzer Reihe 1), 1947, S. 55 und 82, Anm. 20, List, Kunstjahrbuch 1970, S. 28. Reicherstorfer zitiert unter den Briefstellen, die sich auf die Hofgasse beziehen, als erste eine Anschrift von „Dienstag nach Maria Himmelfahrt 1613", das wäre also vom 20. August 1613 (S. 23), List vom 12. De zember 1613 (S. 28 f.). In der Einleitung zur „Messekunst Archimedis" sagt Kepler, daß er im vergangenen November eine neue Gattin in sein Haus eingeführt hatte und damals etliche Fässer Wein in sein Haus schaffen ließ. Schmidt, Wohnhaus, Kunstjahrbuch 1970, S. 22 ff. (Wiederabdruck aus „Linzer Aspekte", 1970, S. 55 f.) ®' List, Wohnstätten, Kunstjahrbuch 1970, S. 29 ff.

übrigens fügte es sich, daß Hieronymus Megiser, 1613 als landschaftlicher Historiker und Sprachlehrer nach Linz berufen, in einer ähnlichen Situation war wie Kepler. Megisers erste Frau Katharina, die Tochter des Frankfurter Buchhändlers Spieß, war am 9. April 1612 gestorben^®. Das jüngste der sechs Kinder Megisers war damals noch nicht drei Jahre alt, die älteste konnte aber den Haushalt schon versorgen. Am 15. Jänner 1614 heiratete Lukretia Megiser jedoch den verwitweten kaiserlichen Hartschier-Rottmeister Sixtus Kolbenschlag und der etwa sechzigjährige Vater mußte sich zu einem zweiten Ehebunde entschließen. Er wählte die um Jahrzehnte jüngere Susanna Memhard, die Tochter seines Universitätsffeundes; die Hochzeit fand am 29. September 1614 statt®'. Diese Familienverbindung vertiefte auch freundschaftliche Bande zwischen Kepler und Megiser. Um aber die Gründe für die Trauung Keplers in Eferding zu verstehen, muß hier zunächst kurz sein Verhältnis zur Linzer Geistlichkeit skizziert werden. Als er 1612 nach Linz übersiedelte, wirkte dort im Landhaus seit dem Vorjahr der vom württembergischen Konsistorium in Stuttgart eingesetzte lutherische Pfarrer Daniel Hitzler". Dieser vertrat die orthodox-lutherische Theologie württembergischer Prägung und damit die Lehre von der Allgegenwart des Fleisches Christi, insbesondere im Abendmahl. Der Ungläubige, der am Abendmahl teilnimmt, empfangt den Leib Christi, aber nicht in geistlicher Weise und damit ihm selbst zum Schaden. Er würde schuldig am Leib Christi, und dies hätte den Verlust der Gnade zur Folge. Die Betonung der Allgegenwart des Fleisches Christi und insbesondere seiner Gegenwart im Abendmahl richtet sich gegen die calvinische Lehre, wonach der Leib Christi sich seit der Himmelfahrt im „Himmel" befinde und im Abendmahl Christus daher nur als Geist gegenwärtig sein kann. Brot und Wein wären danach nur Zeichen, zu denen der Geist hinzutreten müsse. Kepler - zwar katholiseh getauft, aber lutherisch erzogen - blieb bei diesem Bekenntnis, berief sich auf die Augsburger Konfession, verweigerte aber die Unterschrift unter die Konkordienformel, die Lehrformulierung des größten Teils des deutschen Luthertums am Beginn der orthodoxen Lehrentfaltung. In ihr wurde die calvinische Lehre förmlich verdammt. Diese Verwerfungen verstand Kepler als Verdammung der reformierten Christen überhaupt - die Konkordienformel meinte das allerdings nicht so eindeutig —, und das schien ihm gegen den Geist der christliehen Bruder liebe zu verstoßen. Kepler hatte bereits in Prag den Predigern seine Zweifel geschildert, diese hatten aber offenbar daran nicht ernstlich Anstoß genommen. Im Jahre 1609 hatte er dem Herzog von Württemberg seine Auffassung dargelegt, da mit einer etwaigen An stellung an der Universität Tübingen die Auflage verbunden gewesen wäre, die Konkordien formel zu unterschreiben. Das Konsistorium hatte damals eine Berufung Keplers abgelehnt. In Linz schilderte Kepler dem Landhausprädikanten wiederiun seine Bedenken, Hitzler fühlte sich daraufhin nicht in der Lage, ihm das Abendmahl zu reichen. Kepler sah sich von der Kommunion ausgeschlossen! Hitzler hatte seine Entscheidung nicht aus juristischen, sondern aus seelsorglichen Gründen getroffen. Wie könnte jemand am Abendmahl teilGerhard Salomon, Magister Johannes Memhard, der adeligen Landschaftsschule zu Linz Rektor, und seine Familie, Heimatgaue 15, 1934, S. 176. Salomon a. a. O. Die Frage der Autorschaft von Megisers Annales Garinthiae u. a. können hier nicht be rührt werden, vgl. Karl Großmann, Megiser, Christalnick und die Annales Garinthiae, Mitt. des Instituts für Österr. Geschichtsforschxmg 57, 1949, S. 359 ff., Wilhelm Neumann, Michael Gothard Christalnick, Kärntner Museumsschriften 13, 1956. Ich stütze mich bei der kurzen Zusammenfassung der theologischen Aspekte auf Jürgen Hübners Arbeit „Kepler und Daniel Hitzler", in: Johannes Kepler, Werk und Leistung, Ausstellung 1971, S. 73-80. Dort auch die ältere Literatur, speziell der Aufsatz von Othmar Wessely, Daniel Hitzler, Jahrbuch der Stadt Linz 1951 (1952), S. 282 ff. Zur Konkordienformel vgl. Anmerkung 52.

nehmen, wo der Leib Christi wahrhaft gegenwärtig ist, wenn dieser die Gegenwart ablehnt? Er würde sich am Leibe Christi selbst versündigen, und das wäre schlimmste Gotteslästerung. Kepler appellierte an das Konsistorium in Stuttgart, um wenigstens den Ausschluß vom Abendmahl rückgängig zu machen, wurde doch sonst von keinem Laien verlangt, die Konkordienformel zu unterschreiben, um zum Abendmahl zugelassen zu werden. Mit Brief vom 25. September 1612 machte sich aber das Stuttgarter Konsistorium Hitzlers Ansicht zu eigen, und Kepler blieb weiterhin vom Abendmahl im Linzer Landhaus ausgeschlossen! Noch sind zum Verständnis der Gründe für Keplers Trauung in Eferding einige Ex kurse nötig: Der erste führt in die religiösen Verhältnisse in Eferding und schildert auch die Stellung der Starhemberger, der andere geht auf Kaiser Matthias' Reise zum Reichstag nach Regensburg ausführlicher ein und beschreibt schließlich die Verhältnisse bei der Rück kehr des Hofes nach Linz im Herbst 1613. 2. Die religiösen Verhältnisse in Eferding an der Wende vom 16. zum 17. Jahr hundert Hier muß man ein wenig weiter ausholen, um die Verhältnisse zu Keplers Zeit zu ver stehen. Unter Graf Georg HI. von Schaunberg war die langsame Hinwendung zum Pro testantismus erfolgt. Nach dem Tode des Stadtpfarrers Johann von Prandt 1542 setzte er im folgenden Jahre einen lutherischen Prediger®^ ein, wodurch er König Ferdinand erzürnte. Graf Georg versuchte damals - zum letzten Male - die einstige Reichsunmittelbarkeit der Schaunberger geltend zu machen, gab aber dann klein bei, an die Stelle des Prädikanten kam Kaspar Sandböck, bisher Vikar zu Waizenkirchen, der aber sicher in einer Zeit, die immer mehr dem Protestantismus zuneigte, keinen leichten Stand hatte'^. Mehr als ein halbes Jahrhundert, seit 1498, hatte Georg HI. die Geschicke des Hauses Schaunberg ge lenkt, durch seine Verschwendungssucht, seine Prunkliebe war der Schuldenstand unge heuer angestiegen, schon 1546 hatte er seinen Söhnen alle Besitzungen bis auf die Stadt Eferding mit der Maut, das Penzingeramt, Mistelbach sowie die Weingärten und den Weinzehent zu Aschach überlassen®'. 1551 starb der ältere Sohn Johann, mit Testament vom 10. April 1554 vermachte Georg alle Güter seinem Sohn Wolfgang und nach dessen kinderlosem Tod den Söhnen seiner Tochter Anna, verehelichten Gräfin von Starhemberg. Noch vom Mai 1552 liegt ein Bericht des bayerischen Kanzlers Wiguleus Hundt über die Bewirtung Herzog Albrechts auf der Rückreise vom Linzer Fürstentage in Eferding vor, in dem die renaissancehafte Unmäßigkeit des Trinkens hervorgehoben und die Hofhaltung des greisen Grafen Georg als „hohe Schule" dieser Art gerühmt wird, 1554 starb er im hohen Alter von 82 Jahren. Wolfgang Graf zu Schaunberg bestätigte nun Richter, Rat und Bürgergemeinde der Stadt Eferding, er konfirmierte auch den verschiedenen Handwerken die Privilegien'^; er scheint kränklich gewesen zu sein" und verfügte 1557, daß nach seinem Ableben seine Gemahlin Anna, die Tochter Gabriel von Salamancas, den Nutzgenuß ver schiedener Besitzungen, darunter auch der Stadt Eferding mit Ungeld und Maut innehaben sollte. Am 12. Juni 1559 starb der letzte männliche Sproß dieses alten Geschlechtes und Max Dobünger, Der Protestantismus in Eferding und Umgebung bis zum Toleranzpatent, Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 72, 1956, S. 32 (Herr Hans?). " W. Kopal, Geschichte der Stadt Eferding (Sonderdruck aus Museal-Bericht 33), 1876, S. 74, beruft sich auf die Kirchl. Topogr. XVII, S. 49, als er sagt, der neue Stadtpfarrer konnte sich nur ktirze Zeit in seinem Amte behaupten. Doblinger, S. 33, übernimmt diese Angaben ohne Nachprüfung aus Kopal. " Kopal, S. 74. Otto Wutzel, Die Rechtsquellen der Stadt Eferding, FRA III/2, 1954, S. 29 ff., n. 23—27. " Wolf Graf von Schaunberg nahm am 11. Jänner 1556 am Wiener Ausschußlandtag teil, Eder 2, S. 77 f.

erhielt wie seine Verwandten ein prunkvolles GrabmaP' im Erbbegräbnis der Familie zu Pupping und ein Epitaph in der Stadtpfarrkirche zu Eferding". Anna Gräfin von Schaunberg war eine eifrige Protestantin, wenige Monate nach dem Tode ihres Gatten führte sie die Reformation vollends durch und setzte Magister Melchior Walther als Stadtpfarrer in Eferding ein®'. Sie suchte auch bei allen Benefizien lutherische Prediger einzusetzen" und forderte die Vogtsteuer von Stiftungen ein, wo sie ihr gar nicht zustand^". Im Jahre 1565 schritt die Schaunbergerin an die Auflösung des Puppinger Fran ziskanerklosters, wo schon 1562 nur noch zwei Mönche gehaust hatten. Sie verweigerte dem Ordensprovinzial den Eintritt, ließ die Glocken aus dem Turm nehmen, Paramente, Kirchen, Kleinodien und Bücher, soweit sie unverwendbar waren, auf den Märkten zu Eferding und Linz versteigern^^. Am 26. Juli 1569 starb Anna Gräfin von Schaunberg, im nächsten Jahr Erasmus von Starhemberg, der Schwager des letzten männlichen Schaunbergers'®. Nach verschiedenen Erbschaftseinigungen und einem Vergleich mit Kaiser Maximilian II. im Jahre 1572 hatte nun endgültig Rüdiger IX. von Starhemberg die Herrschaft inne". Die Flacianer, eine Abweichung von der im Reich anerkannten Augsburger Konfession, machten sich damals in Eferding breit. Der Name der Anhänger geht auf Matthias Flacius (eig. Vlacich) zurück, einen in Illyrien {„Flacius Illyricus") geborenen lutherischen Theologen, der 1544 Professor in Wittenberg und 1558 Professor in Jena geworden war. 1561 war er abgesetzt worden, da er die Erbsünde für die Substanz der menschlichen Natur erklärt hatte. 1573 verlieh Rüdiger IX. von Starhemberg die freigewordene Pfarre Eferding dem Flacianer Dr. Johann Friedrich Coelestinus (Himmler), früher Professor in Jena, im folgenden Jahre, als dieser nach Niederösterreich ging, wurde M. Hieronymus Haubold, ein Sachse, der vorher in Klagenfurt tätig gewesen war, dessen Nachfolger. Durch die Anwesenheit Joachims von Magdeburg und zweier anderer aus dem Reich vertriebener Flacianer seit 1580/81 wurden die Thesen der Sektierer noch weiter überspitzt, behauptete doch jener, die Leiber der im Glauben verstorbenen Christen seien auch nach dem Tode noch mit der Erbsünde behaftet. Zwischen dem seit 1582 tätigen Eferdinger Stadtpfarrer Adam Giller und den anderen Flacianern kam es zu mündlichen und schriftlichen Kontroversen, die das Eferdinger Gezänk weit über die Grenzen des Landes bekannt machten. Erst nach dem unerwarteten Tod Rüdigers am 5. Dezember 1582 änderten sich die Verhältnisse. Gundaker XI. Starhemberg als Vormund über die unmündigen Söhne Rüdigers führte die noch von diesem beabsichtigte Entfernung der Störenfriede durch, der Pfarrer von Peuerbach, M. Gallus Steininger, wurde vom Landschaftsprädikanten M. Thomas Spindler mit der Administration beauftragt, ab Georgi 1583 wirkten dann auf Vorschlag des Stuttgarter Konsistoriums M. Nikolaus Haselmayr aus Cannstadt und als Diakon M. Johann Bruder aus Baiingen. " Erwin Hainisch, Denkmale der bildenden Kunst, der Geschichte und der Kultur im politischen Bezirke Eferding, 1933, S. 41 und 44 f. (Reste des WoLfgang-Grabes), S. 45 (Grabplatte Graf Jörg = Georg von Schaunberg), S. 47 (Grabplatte Graf Johann von Schaunberg), Pupping s. Hainisch, S. 121 f. " Hainisch, S. 47 f. (Epitaph für Graf Wolfgang), Text bei Kopal, S. 79 f. Doblinger, Eferding, S. 33. Doblinger nach Kühne, Die Häuser Schaunberg und Starhemberg im Zeitalter der Reformation und Gegen reformation, 1880, S. 13. " Wutzel, FRA III/2, S. 37, n. 30 und 31. ■" Diese Nachricht zuerst bei Pillwein, Topographie 3, S. 230, wiederholt bei Kopal, S. 81, Karl Grienberger, Das Schifersche Erbstift, Linz 1897, S. 104, und bei Doblinger, Eferding, S. 33. Kurz erwähnt bei Hainisch, S. 121, vgl. auch die zitierten Reste der Grabdenkmäler in der Eferdinger Stadtpfarrkirche aus Pupping. " Die Grabrede hielt ihm M. Walther, der wohl bis 1573 Pfarrer war. Die Schwierigkeiten mit der Bestätigimg des Eferdinger Stadtrechts siehe bei Wutzel, FRA 111/2, S. 38 flf., n. 33-38. - Allgemein zum Übergang Eferdings an die Starhemberger vgl. Otto Wutzel, Eferding, Oberösterr. Heimatblätter 2, 1948, S. 296.

Der Bericht Haselmayrs aus dem folgenden Jahr läßt die Zerrüttung der Gemeinde erkennen. Über dreißig der reichsten Bürger und der adelige Obervogt (Rösch) waren vom Flacianismus förmlich bezaubert, sie hielten heimliche Konventikel und Winkelpredigten, besuchten Taufe und Abendmahl mit großen Unkosten und unter Gefahr der Kinder fünf bis acht Meilen weit auswärts^^. Daß in anderen Orten das Sektenwesen nicht so rasch verschwand, zeigte das Beispiel von Aschach. Der als Flacianer aus Eferding ausgewiesene Drechsler Peter Stanggasaga fand dort zur Zeit Wolfs von Liechtenstein (Alleinbesitzer der Herrschaft Stauf zu Aschach von 1573 bis 1593) Zuflucht und wurde 1591 lutherisch eingesegnet und auf dem St.-LorenzFriedhof bestattet. 1593 bewirkte dies nochmals einen gegen die Flacianer gerichteten Befehl Erzherzog Ernsts^®. Wolf von Liechtenstein hatte in Aschach einen flacianischen Prediger aufgenommen, auch die Polheimer in Wels sowie Achaz von Landau stützten die Sektierer*®. OfBziell herrschte aber in Eferding Ruhe, es konnten sogar Ausgaben für die Kirche (Glocke, Dach) bestritten werden, was immer auf halbwegs geordnete Verhältnisse hindeutet. Durch Verkauf und Teilung war die Herrschaft in Eferding nach Gundakers Tod 1585 von Gotthard von Starhemberg ab Jahresbeginn 1593 auf dessen Vetter Erasmus II. über gegangen. Pfarrer Haselmayr hatte die schweren Zeiten des Bauernaufstandes 1595 zu überstehen, er traute 1598 Erasmus von Starhemberg in Eferding und taufte am 12. Juni 1601 noch dessen erstes Kind. Wenige Wochen später verschied er, hinterließ aber die Pfarre nun wohlgeordnet. Ihm folgte noch im gleichen Jahr wieder ein Württemberger aus Baiingen, M. Ehrenfried Murschel. Auch dieser war auf die Reinhaltung der Augsburger Konfession bedacht. Der seines Glaubens wegen aus der Steiermark ausgewiesene Sekretär der steirischen Landschaft Kaspar Hirsch, der schon im Jahre 1600 in Eferding Zuflucht gefunden hatte und hier das Bürgerrecht erwarb, wurde von Murschel nicht zum Abendmahl zugelassen „propler suam doctrinam", weil dieser nämlich ein Anhänger des Schweizer Theologen Samuel Huber war. Murschel war es nun, der am 30. Oktober 1613 die verwaiste Bürgers tochter Susanna Reutinger mit Johannes Kepler ehelich verband. Nach der alten Stadt geschichte Eferdings fand die Trauung in der Pfarrkirche statt*', urkundlich nachweisbar ist die Abhaltung des Hochzeitsfestes im Gasthof zum Goldenen Löwen auf dem Stadt platz. Murschel wurde im gleichen Jahr 1613 vom Schlag getroffen. Nun genehmigte das Stuttgarter Konsistorium sein bereits eingereichtes Enthebungsgesuch - zum großen Be dauern der Familie Starhemberg und auch der Gemeinde. Murschel zog nach Reutlingen und Johann Josef Friderici wurde als Verweser in Eferding eingesetzt. Es ist nicht leicht, die bisher vorliegenden Angaben über die kirchlichen Verhältnisse in Eferding und über die Familie Reutinger (Reuttinger) zu ergänzen. Der Versuch, mehr über den Bürger Hans Reutinger und dessen Gattin Barbara (beide 1601 verstorben) zu erfahren, schlug fehl, da selbst eine Bevölkerungsliste für Eferding bis 1600 den Namen nicht ** Der Bericht ausführlich bei Eder (siehe Anmerkung 57) 2, S. 178. ** Max Doblinger, Der Protestantismus in Aschach an der Donau und Umgebung, Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 76, 1960, S. 3-35. *® Für Wels nur die Namen der Prediger bei Kurt Holter - Gilbert Trathnigg, Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart, 10. Jahrbuch des Musealvereines Wels 1963/64, S. 92. *' Kopal, S. III.

nennt*®. Das Pfarrarchiv ist ungeordnet*». Hier wären sicher noch Aufschlüsse zu erwarten, denn eine Stichprobe erbrachte unter den Handschriften und Rechnungen das „Jährlich Einkommen von Burgrecht und Diensten" für die Zeit von 1560 bis 1598, wo die Namen gegebenen falls gestrichen und durch die Besitznachfolger ersetzt waren - Reutinger war darunter allerdings nicht zu finden®». Die Rechnungen gehen zwar in protestantische Zeit zurück®*, doch konnte auch hier nichts Einschlägiges aufgefunden werden. Die jüngste Arbeit über Keplers theologische Stellung und sein Verhältnis zu Hitzler»® deutet schon an, daß Erasmus von Starhemberg calvinisch gesonnen war und möglicherweise einen calvinisehen Prediger in Eferding hielt. Hübner beruft sich dabei allerdings nur auf einen Brief Reichard Starhembergs»» an Fürst Christian von Anhalt vom 5. Jänner 1609, wo die Schwierigkeiten geschildert werden, die dem calvinischen Kultus in Österreich im Wege standen. Starhemberg wies damals darauf hin, daß etliche unter den Ständen ur sprünglich die Absicht gehabt hätten, ganz allgemein bei den Horner Auseinandersetzungen die Freistellung der Religion zu fordern, „darinnen sie färnemblieh ir intention auf den reformirten cultum gehabt", daß man sich aber dann mit der Religionskonzession, die „expresse auf die augspurgische Confession sich ziehet", beschieden habe. Die kleine Zahl von Calvinern im Lande ob der Enns mußte jeden Anlaß zu Zwist und Unfrieden meiden, und Starhemberg drückt seinen Zweifel darüber aus, ob die lutheranischen Stände den wenigen Calvinern - falls diese wegen ihrer Religion angefochten werden - Assistenz gewähren würden; er sieht kaum eine Möglichkeit, den „cultus purior" im Land einzuführen. Er selbst ist bereit, nach Erle digung einer Stelle in aller Stille einen calvinischen Prediger zu nehmen, der sich allerdings jeder theologischen Kontroverse enthalten müßte»*. Es ist anzunehmen, daß Georg Erasmus Tschernembl dem calvinischen Bekenntnis zugetan war und auch einen Seelsorger dieser Richtung auf Schwertberg beschäftigte. Hans Georg Tschernembl, sein Bruder, von 1605 bis 1615 Bestandinhaber der Herrschaft Ottensheim, könnte dort ähnlichen Einfluß ent faltet haben. Für Eferding ist es aber nicht nur reine Spekulation, dort eine Fortdauer des Sektierer tums anzunehmen. Nach dem plötzlichen Tod Reichard Starhembergs (auf Riedegg bei Gallneukirchen) zu Wien am 8. 2. 1613 war der jüngere Bruder Erasmus Haupt der Familie. " Otto Wutzel, Bevölkerung, Recht und Verfassung der Stadt Eferding in Oberösterreich vom 12. bis in das 16. Jahrhundert, Dissertation der philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck (maschinschrifthch) 1946, S. 139 fr. *» Im Oberösterreichischen Landesarchiv in Linz erliegt ein provisorisches Verzeichnis nach der Lage der Archivalien in den Kästen des ehemaligen Pfarrsaales. - Zu dieser Schwierigkeit bei Benützung des Pfarrarchives kommt die durch Neubau und Übersiedlung des Oberösterreichischen Landesarchivs in Linz un möglich gemachte Heranziehung des Starhembergischen Archivs. »» Pfarrarchiv Eferding, ungeordnet. »* „Raittung des glöchambts über St. Hypolithi Pfarrkirche alhie zu Eferding" 1623, unterzeichnet von M. Samuel Übermann, Pastor, und Erasmus der elter H. v. Starhemberg am 26. 1. 1624. Eine ähnUche Rechnung für 1626, Pfenning-, Kuchel- und Getreidedienst 1630-1633 u. a. m. »» Jürgen Hübner, Kepler und Daniel Hitzler, in: Johannes Kepler, Werk und Leistung, Ausstellung 1971, S. 73-80. Ergänzend zu dem Streit zwischen Kepler und Hitzler wegen Unterzeichnung der Konkordienformel sei hier darauf hingewiesen, daß in den ständischen Akten des Jahres 1613 zweimal Aus gaben für gedruckte formulae concordiae ausgewiesen werden: Am 28. August 1613 erhielt Daniel Hitzler 60 fl. für 50 Exemplare, am 30. August 1613 der Nürnberger Buchdrucker Abraham Wagenmann für zwei Exemplare 3 fl. 16 kr. Linzer Regesten B II A 9/11652 und 11658. »» Die Inhaltsangabe des Briefes nach Sturmberger, Tschernembl, S. 245. Dieser ist abgedruckt in Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges 2, 1874, Nr. 81. Beim Hinweis auf diesen Brief bei Hübner, S. 80, Anm. 23, irrtümlich Reinhard statt Reichard Starhemberg. »* Auch bei der Anstellung von Janus Gringalletus - aus Genf stammend - sieht Kepler im Jahre 1617 die Unmöghchkeit, daß dieser (aus Angst vor dem calvinischen Bekenntnis) die Oberaufsicht über Kinder der Landschaftsschule erhalten könnte. Schreiben an Matthias Bernegger vom 7. Feber 1617, Gesammelte Werke 17, Nr. 754, S. 211.

Im Jahre 1618 stellte er sich den Ständen wieder zur Verfügung und war mit Tschernembl der Anführer beim Einsetzen der ständischen Landesverwaltung. Nach dem bayerischen Ein marsch wurde im März 1621 auch Erasmus von Starhemberg verhaftet. Über die langwierigen Verhöre hat er später eine ausführliche Niederschrift aus dem Gedächtnis ausgearbeitet, aus der die Fragen und Beschuldigungen, nicht aber die Antworten zu ersehen sind. Unter Nr. 52 heißt es darin, ob er nicht in Eferding calvinistischen Gottesdienst und das Brotbreehen (beim Abendmahl) habe einführen wollen®®. Schon den Zeitgenossen blieben die wahren Verhältnisse verborgen. Die Calvinisten mußten ihr Bekenntnis verbergen, die Lutheraner hatten kein Interesse, durch Hinweis auf diese Abweichungen die Religionskonzession zu gefährden. Die zitierten Quellen sind aber doch Belege für die Zuneigung der Starhemberger zum Calvinismus und mögen die Annahme begründen helfen, daß auch religiöse Motive für Keplers Entschluß maßgebend waren, sich in Eferding trauen zu lassen. 3. Kaiser Matthias auf dem Weg nach Regensburg in Linz Im Jahre 1612 war Matthias nach den langwierigen Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Rudolf ans Ziel seiner Wünsche gekommen. Er trug die Kaiserkrone. Traditions gemäß hätte der erste Reichstag in Nürnberg stattfinden sollen, doch wurden 1613 alle Vor bereitungen für Regensburg getroffen. Kaiser Matthias zögerte mit der Abreise nach Linz, hoch schlugen auf dem Landtag ob der Enns die Wellen des politischen und religiösen Streites®'. Die Stadt Linz protestierte dort dagegen, daß evangelische Bürger ihrer Amter entsetzt worden waren und wandte auch ein, sie hätte nicht genügend qualifizierte katho lische Personen dafür zur Verfügung. Die protestantischen Stände rieten den Linzern bei Anwesenheit des Kaisers „ainen fuessfahl" zu tun - was schon Vorjahren für Kaiser Rudolf II. eine peinliche Szene bedeutet hatte®'. Weit schärfer war aber die Auseinandersetzung zwi schen den drei politischen Ständen (Herren, Ritter, Städte) und den Prälaten: Die letzteren weigerten sich, gewisse bloß in protestantischem Interesse gemachte Ausgaben wie zum Bei spiel Gesandtschaftskosten an die Höfe der unierten Reichsfürsten anzuerkennen. Erst am 25. Juni 1613 kam es durch Vermittlung der Landtagskommissäre, des Landeshauptmanns Wolf Wilhelm von Volkenstorf, Karls von Harrach, des Vizedoms Johann Adam Gienger und des Hofmarschalls Wolf Sigmund von Losenstein zum Ausgleich. Der älteste der Prälaten, Johann Wilhelm Heller von Garsten, erklärte sich den politischen Ständen zu derjenigen Unterstützung bereit, wie sie der Prälatenstand in Niederösterreich den dortigen Ständen gewähre. Sigmund Ludwig von Polheim als Vertreter des Herrenstandes gab die verlangte Gegenerklärung, daß man „beederseits freundlich, nachbarlich und verträulich" miteinander leben wolle®'. ®® Doblinger, Eferding, S. 41 und Anm. 84 auf S. 61 nach Starhembergisches Archiv im OÖ. Landesarchiv, Linz, Schuber 2 (Versch. Schriften). Auch in der Studie über Aschach (siehe Anmerkung 45) spricht Dob linger davon, daß Erasmus von Starhemberg die calvinischen Neigungen Tschernembls teilte (S. 15). Schon in einem Brief an Kepler vom 12. April 1613 erweist er sich als Anhänger Calvins auch in der Frage der Prädestination, Gesammelte Werke 17, Nr. 648, S. 47. ®' Über den Landtag vom 2. Mai bis 13. Juli 1613 vgl. verschiedene Angaben in den Linzer Regesten B II A 1/240, B II A 9/11615a, 11617, BUG 3/1575, 1580, 1588 (Rat zum Fußfall!). " Karl Eder, Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns 1525-1602, Studien zur Reforma tionsgeschichte Oberösterreichs 2, 1936, S. 153. ®' Über den Streit des Prälatenstandes mit den drei politischen Ständen und den Vergleich vom 25. Juni 1613 siehe Jodok .Stülz, Geschichte des Cistercienser-Klosters Wilhering, Linz 1840, S. 211, Franz Xaver Pritz, Geschichte des Landes ob der Enns, 2. Bd., Linz 1847, S. 338, Franz Xaver Stauber, Historische Ephemeriden über die Wirksamkeit der Stände von Österreich ob der Enns, 1884, S. 69 f., 167.

Damit war doch eine Beruhigung des politischen Klimas eingetreten. Und so zog Kaiser Matthias am 29. Juni 1613 in Begleitung seines Neffen Erzherzog Ferdinand in Linz ein'®. Dies ging in folgender Reihenfolge vor sich: Den Anfang machten die Stände mit ihren Gültpferden, dann folgten die Diener aller Herren und Ritter in einer vom Obersthof marschall festgelegten Anordnung, nach diesen wiederum die Kavaliere selbst und der gesamte Adel „in ainer troppa, doch sollen sy zimblich weit und nit gar zu eng auf einander reitten". Hierauf folgten der Obersthofmarschall, der Kämmerer, der Stallmeister sowie die geheimen und anderen Räte, alle unmittelbar vor Erzherzog Ferdinand. Nach diesem kamen die Lakaien und Reiter der Ehrenholde, umgeben von der weit auseinandergezogenen Garde der Trabanten, nach den Ehrenholden selbst der Obersthofmarschall mit dem Schwert unmittelbar vor dem Kaiser. Nächst dem Stadttor wartete der für diesen kaiserlichen Einzug vorbereitete Himmel'", Bürgermeister Jeremias Lechner begrüßte mit einer Rede - „pulcherrima oratione" sagte ein Zeitgenosse —, präsentierte die Schlüssel der Stadt und bat den Kaiser, sich unter den Baldachin zu begeben. Ein Dutzend der vornehmsten Bürger und Beamten von allen sieben landesfürstlichen Städten war zum Tragen des Himmels bestimmt. Dann folgten die Wagen mit der Kaiserin und „ihren adelichen frauen zimmern", begleitet hoch zu Roß vom Obersthofmeister der Kaiserin zur Rechten und vom Oberststabelmeister zur Linken. Den Abschluß bildeten die Hartschiere und eine „retroquardia" der sieben Städte von tausend Mann (drei Fähnlein) zu Fuß'^. Diese Ehrengarde marschierte bis in den ersten Hof des Schlosses, formierte sich dort in einer Schlachtordnung, feuerte drei Salven ab und zog durch das kaiserliche Schloß über den Gang herab in ihr Quartier. Die Reiter und Wagen sollten durch das Schloß durchfahren, das Abladen und das Abstellen der Pferde war eventuell im zweiten Hof möglich. Der Kaiser selbst ritt mit dem vom Landobristen angeführten Zug über den Platz bis zum Rathaus, begab sich dort durch die Gasse zur Pfarrkirche, nur von den „cavaglieri" und dem Hofstaat der Kaiserin begleitet. Die andere Reiterei wartete auf dem Platz auf die Rückkehr des Kaisers und nahm dann durch die Klostergasse und durch die neue Pforte beim Tummelplatz ihren Weg aufs Schloß. Besprechungen mit Erzherzog Ferdinand füllten die nächsten Tage aus, da dieser Linz nach kurzer Zeit verließ, um während der Abwesenheit des Kaisers von Wiener Neustadt aus die Regierungsgeschäfte zu versehen. Vom 3. auf den 4. Juli 1613 fanden Erzherzog Ferdinand und seine Begleitung mit 295 Pferden Unterkunft im Stift St. Florian'®. Dem Kaiser dauerte der Aufenthalt in Linz zu lange", am 11. Juli brach er mit ansehnlicher Begleitung zu einem Besuch in den oberösterreichischen Abteien auf. Bei der Übernachtung " Beschreibungen des Einzugs in Linzer Regesten B II A 9/11629, B II C 3/1596 und BUK 2/467 (irrig 1614 datiert). Vgl. Hans Commenda, Adelige Aufzüge im alten Linz, Jahrbuch des Oberösterreichischen Museal vereines 108, 1963, S. 193. Der Baldachin war ein Wunsch des Kaisers, er sollte nicht über 250 fl. kosten. Linzer Regesten B II C 3/1594ff. Er wird auch bei den kurzen Angaben über den Empfang in Guilliman-Windecks Handschrift erwähnt (Österr. Staatsarchiv, Handschrift Böhm, Nr. 6, Band 3). "t Das erste Fähnlein bildeten 250 Mann von Steyr, das zweite rekrutierte sich aus Wels, Gmunden und Vöcklabruck, das dritte aus Enns, Freistadt und Linz. Den Hauptmann stellte Freistadt, den Fähnrich Enns, alle anderen Befehlshaber Linz. Vgl. den Landtagsbeschluß vom 10. Mai 1613, Linzer Regesten B II G 3/1582. " Die Rückreise Erzherzog Ferdinands erwähnt Wolfgang Lindner, Archiv für die Geschichte der Diözese Linz 6/7, 1910, S. 240. Die Archivalien in St. Florian bringen tatsächlich nur Verzeichnisse der Wagen und Pferde (Herrn DDr. Rehberger Can. reg. sei für freundliche Mithilfe gedankt), die Zahlen schon bei Jodok Stülz, Geschichte des regulierten Chorherren-Stiftes St. Florian, Linz 1835, S. 125, Johannes Hollnsteiner, Das Chorherrenstift St. Florian, österreichische Kunstbücher 56/57, 1928, S. 22 (irrig Erzherzog Ferdinand von Tirol!). „Vlmperatore stanco di tanta dimora in questo loco due giorni sono si e trasferito ad alcune riche badie quattro leghe di qua discoste. . ." Bericht des venezianischen Botschafters Girolamo Soranzo aus Linz vom 13. Juli 1613, Österr. Staatsarchiv, Germania dispacci, Bd. 47/48.

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