OÖ. Heimatblätter 1971, 25. Jahrgang, Heft 1/2

Das ,,Warzengrübl" bei Haslach Von W. Obergottsberger Wenn man, vom Ort Haslach auf der Sternwald-Bundesstraße kommend, die Brücke über die Große Mühl passiert hat, liegt vor dem Wanderer ein Felsenrücken, auf dessen Höhe sich das Schloß Lahnitz befunden haben soll. Heute erinnern nur mehr einige wenige Mauerreste an Baulichkeiten an dieser Stelle. Der Hauptteil wurde in den Jahren 1955 bis 1959 beim Bau der Sternwald-Bundesstraße zerstört. Am nördlichen Abhang des Berges führt ein Serpentinen weg zur Oberkante des Felsens empor, die einer Plattform ähnlich ist. Auf dieser Granitplatte von rund 3 X 2 m befindet sich nun, dicht am Wege, das „Warzengrübl". Es besteht aus einem elliptischen Loch von 10x6,5 cm und weist eine Tiefe von 14 cm auf. In dieser Grube steht das Wasser 10 cm hoch und trocknet nach Aussage der Bevölkerung auch in den heißesten Sommermonaten nicht aus. Die Lage dieses Grübchens auf der Granitplatte wird markiert durch einen Abstand von 1 m vom Süd- und 0,55 m vom Ostrand derselben. Eine genaue Durchmusterung der Felsplatte ergibt, daß außer diesem „Warzengrübl" auch noch ein zweites Loch (9x4 cm) vorhanden ist, das aber von einem Felsriß durchzogen wird und daher kein Wasser speichern kann. Ich habe schon mehrere derartige Ausneh mungen gesehen und weiß durch die Aussagen alter Steinmetze, daß sie von Menschenhand stammen und den Zweck hatten, den Stein zu spalten, indem man im Winter Wasser in sie schüttete. Die Sprengtätigkeit selbst überließ man dann der Wirkung des Frostes. Tatsächlich hat auch das zweite Loch seinen Zweck erfüllt, wie die Felsrinne zeigt. Das „Warzengrübl" hat offenbar nicht mitgespielt und blieb in seiner Figur erhalten. Wann diese Steinmetz arbeiten vorgenommen wurden, weiß heute natürlich niemand mehr zu sagen. Die Technik selbst ist altüberliefert und war bestimmt auch bereits unseren Vorfahren bekannt. Es ist nicht unwesentlich, bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß nach Auskunft der Gemeindekanzlei Haslach an dieser Stelle der leider viel zu früh verstorbene Dechant Stephan Böhler und sein Mitarbeiter, der ehemalige Gemeindesekretär Karl Koblmiller, in der Zeit von 1960—1963 einige Kleinfunde gemacht haben, die im OÖ. Landesmuseum als um 600 n. Chr. datiert worden seien. Wissen wir auch nicht, ob auch das „Warzengrübl" bereits so alt ist, so spricht der Abwitterungsgrad auch nicht gegen eine so frühe Entstehung. Jedenfalls wurde aus dem einstigen Stemmloch nun ein Objekt der Volksheilkunde und des Volks glaubens. Denn noch heute suchen viele Menschen erst das Warzengrübl auf, ehe sie einen Arzt zu Rate ziehen. Dies bestätigte mir auch der Gemeindearzt, Herr Dr. H. Göppl, der zum Beispiel dem Mechanikermeister K. aus H. eine große Warze am Finger operativ ent fernen wollte. Dieser aber ging, um sich dem operativen Eingriff zu entziehen, zunächst bei Vollmond zum Warzengrübl, tauchte den Finger eine Minute lang in das darin stehende Wasser, drehte sich um und ging ohne Umzuschauen nach Hause. Am zweiten Tag wieder holte er die Prozedur, und siehe da: die Warze verschwand! Der Glaube an die Wirksamkeit des geheimnisvollen Warzengrübls hatte mit einem neuen Beispiel dazu beigetragen, den Volksglauben zu festigen, der das darin stehende Wasser „heilend" macht.

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