OÖ. Heimatblätter 1971, 25. Jahrgang, Heft 1/2

Sowohl in Linz als später auch in Graz wurden Verordnungen erlassen, die zu kurze Röcke®' und „unartig ausgeschoppte Mieder" verbieten, wobei eine Verlängerung der damaligen Röcke bis zu den Waden verlangt wird. Wie wenig solche Verbote aber gegen die Mode vermochten, zeigt ein Reisebericht E. Maders aus dem Jahre 1809®®: „Nie noch sah ich so viele Schönheiten aus dem Bauern und Bürgerstand versammelt, als auf dem Jahrmarkt in Wels. Aber freilich trug der vorteilhafte oberösterreichische Bauernanzug (der Landmädchen, der Frauen und Männer) nicht wenig dazu bei. Ein reizender weißer Filzhut mit niedrigen seidenen Bande, das um den Busen flattert, bildet auch ein mittel mäßiges Gesicht schön. Das braune oder schwarze, dicht anschließende Korsett, mit zwey aufgeschlagenen Falten an den Hüften, setzt einen nymphenhaften Wuchs ins beste Licht und die zierlichen Leibchen, welche die Landmädchen tragen, zeigen ihren vollen, blü henden Busen in seiner natürlichen Gestalt und erhalten ihn darin. Die kurzen schwarzen Röcke - die Mädchen im Donautal tragen sie so kurz, daß diese Tracht durch ein Gesetz mußte verboten werden — bilden keine solchen Räder, wie bei den böhmischen Bauern dirnen und ihre lichtblauen Strümpfe und feinen Schuhe ohne Absätze kleiden ihre Füße ungleich besser." Die verbotene Kürze der Röcke und die ausgeschoppten Mieder wurden in den Ver ordnungen als „unanständige Kleidung", „unehrbare Kleidertracht", als „unehrbare Weibs kleidung", als „unehrbare und leichtfertige Tracht" und als „ärgerliche Weibskleidung" oder „Kleidertracht" bezeichnet. In den Verordnungen wird nur allgemein vom Land, zuweilen von einem Teil des Landes gesprochen. Der Hinweis von Mader auf das Donautal ist deshalb recht willkommen. In der gleichen Verordnung®® „zur Abstellung der Ausgelassenheit und des sündlichen Lebens unter dem jungen Bauernvolk" wird auch zu spätes Bis-in-die-Nacht-Tanzen®® verboten. Verboten wird auch das „ Gasseigehen" der Bauernknechte und Bauernsöhne, desgleichen nächtliche Zusammenkünfte oder das „Rockenreißen", die Freitänze und die „Ausfertigungen" oder „Hochzeitsgastereien®®". Während das Gasseigehen und das „Rocken reißen" (d. s. unsere sog. „Rockaroasn") allgemein bekannt sind, ist dies bei „Rüffelmahl" und „Rüffeltanz"®® weniger der Fall, bei denen die Leute auch „ausgeschrieen" wurden. Dabei wird auch der Brauch der Brechlerinnen angeführt, den Zutritt eines Mannes in die ®' Kommentar I 50; Buch I 132. — Patente S 203 Nr. 16, S 204 Nr. 17, S 231 Nr. 6, S 235 Nr. 13, S 257 Nr. 5, S 294 Nr. 3, S 323 Nr. 7, S 359 Nr. 7. - Verord. Linz 1. 5. 1753 und 16. 1. 1756. Graz 6. 2. 1767. Unehrbare Kleidertracht: Patent Linz 30. 4. 1764; unanständige Kleidung: Cirkulare Linz 3. 5. 1753; unehrbare Weibs kleidung: Cirkulare, Linz 12. 3. 1854; unehrbare und leichtfertige Tracht, welche in Theil des Landes allzu frech und ärgerlich ist. . . Verlängerung in eine solche Länge, daß sie den Fuß bis auf die Waden bedecken . . . die unartig ausgeschoppten Mieder . . . auf eine sittsamere Art abgeändert: Patent Linz 1. 5. 1753, ärgerliche Weibskleidung: Cirkulare Linz 11. 3. 1755, unehrbare Kleidungstracht: Patent Linz 18. 4. 1757 Patent Linz 15. 1. 1756 Patent Linz 20. 1. 1761, ärgerliche Kleidertracht: Patent Linz 3. 4. 1759. ®® E. Mader, Reise durch das Salzkammergut, Prag 1809 S. 30. ®° Kommentar I 50; Buch I 131. ®» Patente 8 214 Nr. 29, S 231 Nr. 6, S 243 Nr. 19, S 235 Nr. 13, S 203 Nr. 15, S 244 Nr. 3. - Patent Linz 10. 10. 1753 (Belohnung für Denunzianten) Cirkulare Linz 12. 3. 1754. Cirkulare Linz 23. 9. 1754: Ende des Tanzes im Winter die neunte, im Sommer die zehnte Stunde. Patent Linz 1. 1. 1753: 9 Uhr im Winter 10 Uhr im Sommer; Patent Linz 30. 4. 1754, Patent Linz 18. 4. 1757, 3. 4. 59. Cirkulare vom 12. 6. 1752: bis 9 bzw. 10 Uhr. Nächtliche Mahlzeiten und bei der hierländlichen Tanzart vorbeygehende Angebührlichkeiten abge stellt: Verweis auf Patente von 23. 11. 1731, 17. 8. 1737, 26. 4. 1738, 4. 5. 1748. ®i Patente S 270 Nr. 2, S. 323 Nr. 7, Patent Linz 16. 1. 1756, Patent Linz 3. 4. 1759, Patent Linz 2. 6. 1752. ®® V. Ceramb, Sitte und Brauch in Österreich. Graz 1948. S. 184 ff., 195 f. ®' A. Haberlandt, Taschenwörterbuch der Volkskunde Österreichs. II 23-25. Patente S. 323 Nr. 2, S 270 Nr. 2, 359 Nr. 7 Patent Linz 15. 1. 1756. „In mehreren Bezirken üblich das sog. Rockenreißen, wodurch viel Übel, Ärgerniß, Sittenverderbnis bei diesen nächtlichen Zusammenkünften." Patent Linz 9. 4. 1759: gefährliches Rockenreißen; Patent Linz 28. 2. 1761: die Manns- u. Weibspersonen, die wegen Haarriffeln oder Precheln zusammenkommen, übernachten gegen alle Ehrbarkeit beisammen in einem Stadl.

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