Georg Kotek und Raimund Zeder. Ein Öster reichisches Volksliederbuch. 2. Auflage, heraus gegeben von G. Kotek. Tm Eigenverlag Dr. G. Kotek, Wien 1969, 418 Seiten. Immer, wenn ganz schwere Heimsuchungen das Volk zu Boden drücken und die Lage fast hoffnungslos erscheinen lassen, wendet es sich unbewußt dem Ur quell seines Wesens zu: den Gütern der Volkskultur, aus denen es, soweit wir die Geschichte überblicken, in solchen Zeiten noch immer stärkende Kraft ge schöpft hat. Und zu allen Zeiten fanden sich auch jene Männer, die imstande waren, die Wege zu erschlie ßen, die zu dem schon längst verschüttet und ver trocknet geglaubten Jungbrunnen führen. Für Öster reich war ein solcher Wegbereiter in der Zeit „nach der tiefsten Erniedrigung des Volkes" während der Franzosenkriege Josef v. Sonnleithner — übrigens ein Onkel Franz Grillparzers -, der 1819 eine allge meine Sammlung der Volkslieder in sämtlichen österreichischen Kronländern anregte. Ihm folgten (nach dem vorbildhaften Sammeln durch Dr. J. Pommer) nach dem ersten Weltkrieg die berühmten Altmeister der österreichischen Volksliederforschung Raimund Zoder, Dr. Georg Kotek und in Ober österreich Dr. HansCommenda, dieselben Männer, die sich auch nach 1945 sofort wieder in den Dienst der Wahrung der Volkskultur gestellt haben. Kotek imd Zoder bearbeiteten für den Osterreichischen Bundesverlag ein dreigliedriges Volksliedbuch („Stim men der Heimat" mit den Abschnitten „Schöne Heimat", „Eilendes Leben" und „Rimd um die Liebe"; im 2. Band mit dem Sammeltitel „Im Heimgarten" die Gruppierungen „Werkendes Volk" rmd „Fröh liche Stimden" und in Band 3, überschrieben mit „Stille Stunden", mit den Abschnitten „Alte Ge schichten", das heißt Lieder im Balladenton, und „GeistKches Jahr"), aus dem alsbald ein Auswahlband zusammengestellt wurde, der so großen Anklang fand, daß er rasch vergriffen war. Erst im Verlauf der vom Bundesministerium für Unterricht 1969 veranstal teten Feiern unter dem Motto „150 Jahre Volkslied sammlung in Osterreich" konnten wieder Mittel für die längst fällige Neuauflage flüssiggemacht werden, die nun, nach dem Tode R. Zoders (1963), von G. Kotek, dem hochverdienten Getreuen Eckart der Volksgesangsvereine, allein besorgt wurden. So schlicht der Band auch äußerlich ist, so sehr trifft auch für ihn zu, was die einstigen Herausgeber in einem ihrer Vorworte festgestellt haben, daß er nämlich „eine Auswahl des schönsten enthält, das den Heraus gebern im Laufe der jahrzehntelangen Lebensarbeit im Zeichen des Volksliedes tmtergekommen ist". Beglückt wird jeder Benützer dieses handlichen Ban des feststellen, daß es eine bewimdemswerte Fülle von klangvollen und ergreifenden Melodien im ge sanglichen und sprachlichen Ausdruck tiefempfun denen Leides und himmelaufjauchzender Freude und besinnliche Geschichtsüberlieferung im Ton balladesken Liedes der Menschen des einfachen Volkes in allen Bundesländern birgt und damit zum musikalischen Zeugnis dessen wird, was uns als In begriff der „Heimat" teuer ist. Zu jedem Lied sind auch, soweit bekannt, die ersten Aufzeichner sowie Ort und Zeit der Aufzeichnung vermerkt. Man wird vernünftigerweise auf Qualitätsver gleiche mit den heute angebotenen Schlagern aller Sorten meist internationaler Prägung verzichten - leicht vergängliche „Hits" hat es in dieser und jener Form zu allen Zeiten gegeben -, aber man wird angesichts dieser unvergänglichen Äußerungen ange stammten VoUcstums Peter Rosegger zustimmen müssen, wenn er einmal in seinem „Heimgarten" schreibt: „Das Volkslied sei wie der Wein, echt und rein! Je älter ein Volkslied ist, desto besser ist es, denn die schlechten vermögen nicht Jahrhimderte zu überdauern. Je einfacher das Lied ist, desto leichter bleibt es im Ohr hängen und klingt dort nach in langen künftigen Zeiten und bringt nach Jahren, wenn mans wieder hört, vergangenes Leben zmück." E. B. Otto Swoboda, Lebendiges Brauchtum. Mit einer Einführung von Friederike Prodinger. Residenz-Verlag, Salzburg 1970. 134 Seiten, 48 Abbildungen, davon 47 Farbtafeln. Sicherlich wird niemand verlangen, daß in einem einzigen, noch dazu verhältnismäßig schmalen Band sämtliche noch lebendigen Bräuche (selbst in der unausgesprochenen Beschränkung auf das Jahres brauchtum) in Bild und Wort behandelt zu finden. Man muß, besonders wenn es sich um die Leistung eines einzelnen handelt, sich auf das Nächstliegende beschränken rmd das Fernerliegende nur in Proben vorführen, sowenig dies, wie sein Nachwort zeigt, der Autor selbst wahrhaben will. Wie richtig unsere Feststellung aber ist, zeigt die Verteilung der Bilder mit ihren erläuternden Texten, von denen unter den 47 Färbtafeln nicht weniger als 17 allein auf Salzburg (wohl die Heimat des Autors), 8 auf das unmittelbar benachbarte Tirol, 7 auf die ebenfalls benachbarten Landschaften der Steiermark und 6 auf die ober österreichischen Randgebiete au der Salzburger Grenze entfallen. Wesentlich weniger beziehen sich auf die übrigen Bundesländer: 4 auf Kämten, 3 auf Niederösterreich, 2 auf Wien, je 1 auf Burgenland und Vorarlberg. Selbstverständlich ist es nicht so, daß etwa diese östlichen und südlichen Gebiete Öster reichs eine geringere Traditionskraft bewahrt hätten als die westlichen, sie liegen nur abseits des Arbeitsradius des Verfassers. Dadurch fehlen auch bedeutende Er scheinungsformen der österreichischen Brauchkultur, wie zum Beispiel die Mühlviertler „Rauhnachts singer", die kämtnerisch-steirischen winterhchen Volksschauspiele, der Vorarlberger „Funken", die innerösterreichischen Osterfeuer, um nur wenige besonders bezeichnende zu nennen. Aber das liegt im Wesen der Arbeitsweise, die uns andererseits so her vorragende Aufnahmen des tirolerisch-salzburgischen Perchten- und Schemenbrauches, der steirischsalzburgischen Riesengestalten, der Oberndorfer Schif ferbräuche, der St. Jakobener und Halleiner Schützenund Schwerttänze, der Krakaudorfer „Glockfaschinge" und „Hühnergreifer" usw. beschert hat, wie sie keine volkskundliche Publikation bisher geboten hat. Schon diese ausgezeichneten Bilder allein würden genügen, um dem Werk einen bevorzugten Platz in der Bibliothek jedes Volksforschers zu sichern. Dazu kommt aber noch die wohlfundierte Situationsana lyse des gegenwärtigen Brauchtums und der österrei chischen Brauchtumspflege durch Dr. F. Prodinger, die um die Erforschung und Pflege der Salzburger Volkskultur hochverdiente Direktorin des Salzburger Landesmuseums, die in knappen Zügen die vielfältigen Ursprünge und Beeinflussungen der Brauchformen in
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