OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 3/4

Gilbert Trathnigg 1 Am 2. Oktober 1970 erwiesen Freunde und Kollegen auf dem Friedhof in Wels Museums direktor Konsulent Professor Dr. Gilbert Trathnigg die letzte Ehre. Nicht nur die Stadt Wels, sondern wissenschaftliche Kreise des In- und Auslandes haben mit dem Verblichenen einen Geschichtswissenschafter verloren, der sich bereits zu Lebzeiten durch seine wertvollen Veröffentlichungen ein unvergängliches Denkmal schuf. Seit dem Jahr 1952 wirkte Dr. Gilbert Trathnigg in Wels. Vorerst wurde ihm der Auf gabenbereich der Gestaltung der Schauräume in der Burg Wels übertragen, und so ent standen dort das Sterbezimmer Kaiser Maximilians I., das Lapidarium, das Landwirtschaftsmuseum mit dem angeschlossenen Mostpressenmuseum, das Messemuseum und das Gewerbemuseum, welches eine wohl einzigartige Sammlung von Gebildbroten besitzt. Gilbert Trathnigg ist es zu verdanken, daß diese umfassende Sammlung - bisher konnte nur ein Teil davon ausgestellt werden - der Stadt Wels erhalten bleiben konnte. Herr Professor Dr. Ernst Burgstaller - ihn verbanden mit Dr. Gilbert Trathnigg nicht nur fachwissenschaft liche Interessen, sondern vor allem auch innige Freundschaft — stellte die Exponate der Stadt Wels zur Verfügung. Seit 1954 leitete Gilbert Trathnigg auch das Stadtmuseum und Archiv der Stadt Wels. Die Neuaufstellung der Biedermeiersammlung, der prähistorischen Sammlung und der römischen Sammlung geht auf ihn zurück. Gilbert Trathnigg wurde am 26. April 1911 in St. Pölten geboren und verbrachte dort und in Wiener Neustadt seine Jugend. Sein Vater war in St. Pölten Gymnasialdirektor und besaß als Germanist weithin einen bedeutenden Ruf. Von 1930 bis 1934 studierte Gilbert Trathnigg an der Universität Wien Altertumskunde, Archäologie, Urgeschichte, Volkskunde, Germanistik und Skandinavistik und besuchte nach seiner Promotion das Institut für Österreichisehe Geschichtsforschung. Vorerst war Dr. Gilbert Trathnigg in St. Pölten als Familienforscher tätig. Im Jahre 1936 erhielt er eine Berufung an das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, wo er auch die Vorarbeiten für seine Habilitierung aufnahm. Sein Ziel, die Laufbahn als Hoch schullehrer anzutreten, wurde durch den Weltkrieg unterbrochen. In den Jahren 1940 bis 1945 stand Dr. Gilbert Trathnigg im Kriegseinsatz in Frankreich, Rußland, Polen und am Balkan. Schwere Zeiten brachten für ihn und seine Familie das Kriegsende und die NachKriegszeit. Nicht nur im Beruf, auch als treusorgender Familienvater pflichtbewußt und beispielgebend, scheute er keine Mühen, um für den Unterhalt seiner Gattin Frau Dr. Herta Trathnigg und seiner drei Kinder Sorge zu tragen. Dr. Gilbert Trathnigg, ein Mann der Wissenschaft, bewährte sich auch im praktischen Leben. Als Arbeiter im Baufach, als Lager verwalter und Büroangestellter schuf er seiner Familie ein Auskommen. Seit 1948 betätigte er sich wieder als Archivar. Wertvolle wissenschaftliche Arbeiten entstanden auch aus seiner Tätigkeit im oberösterreichischen Raum. Es schien, als wolle Dr. Gilbert Trathnigg mit unermüdlicher Schaffenskraft jene Zeit, die ihm für seine wissenschaftliche Tätigkeit und für die Forschungsarbeit durch die Kriegs und Nachkriegsjahre entgangen war, so schnell wie möglich wieder nachholen.

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