OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 3/4

stehen, und in diesem Sinne kann man sie als Volkskrippen bezeichnen. Nicht ihre Auf wendigkeit und die Fülle an Gestalten ist ihr Hauptmerkmal, sondern ihre Innigkeit, ihre Echtheit im Empfinden des Wunders der Heiligen Nacht, das sich jedes Jahr erneuert. Die Figuren sind 8 bis 10 Zentimeter hoch, knieende Personen, Hirten und Tiere im sicher geschauten Größenverhältnis entsprechend kleiner. Der Nährvater Josef trägt einen langen Stab, sein runder, im Zopfmuster geflochtener Hut hat einen niedrigen Kopfteil. Maria kniet vor der Krippe, ihren Kopf umgibt der Heiligenschein. Das Jesuskind ist ein Kind im Wickelpolster, der auch aus Stroh ist, seine Unterarme sind angewinkelt wie immer bei zufriedenen Kindern in der Wiege. Auch dieser kleine Heiland hat einen Heiligenschein und seine Krippe ist nichts als eine in zwei Hälften aufgeschnittene Rinne, die mit Bartmoos (Bartflechte, Baumbart) ausgelegt ist und auf einem Kraxengestell ruht. Die Heiligen Drei Könige tragen ihre Attribute; Melchior trägt das Licht, eine Lampe mit rotem runden Wachskern unter einem eckigen Strohdächlein, was nach einer brennenden Laterne aus sieht, Balthasar, die würdigste und größte Gestalt der drei, wie schon seine Krone und seine vornehme Haltung aussagt, hält mit beiden Händen eine Schatulle, Geschenk des Morgen landes an den Menschensohn, sie ist nichts anderes als eine kleine Spanschachtel, und Kaspar, der schwarze Mann, umfaßt mit seinen Händen einen langen Stab, auf den ein Stern aufge steckt ist. Ein Hirt mit geflochtenem spitzen Hut, einem richtigen Melkerhut, kniet gerade nieder, eine Frau aus dem Volk mit unter dem Kinn zusammengebundenem Kopftuch steht an der Krippe, und ein Mädchen mit zwei geflochtenen Zöpfen am Rücken und einer Kopfbedeckung ähnlich wie der Hirt, nur zierlicher, eilt herbei. Alle haben keine Gesichter mit Stirn, Augen, Nase, Mund, sondern nur eine glatte Fläche, die beim König Kaspar schwarz gefärbt ist. Jede Figur ist durch Abbinden des Strohkörpers mit Bast in ihren Haupt teilen wie Kopf, Brust, Arme genau erkennbar geformt. Auf die Illusion der Bewegung ist besonderes Augenmerk gelegt, und so entsteht der Eindruck des Lebendigen aller Personen und Tiere. Die Kleidung ist nur angedeutet, hebt sich aber in ihrem sichtlich alpenländischen Schnitt ab, ausgenommen das Übergewand der drei Könige und des Nährvaters Josef, deren Togen, nur Strohhalme, über die Schultern gelegt und nach unten ausein anderstehend sind, was die einzelne Figur erst recht lebendig erscheinen läßt. Diese Über gewänder wie auch die Jacken der Frauen und Hirten sind mit farbigen - roten, blauen, grünen und braunen - Bindfaden um die Mitte zusammengebunden, wodurch es bei den Frauen zu einer höheren oder niedrigeren Taille kommt. Die Strohkrippen von Maria Kalab erinnern in ihrer Anlage und Innigkeit, besonders aber in dem Anschein der Beweglichkeit ihrer Figuren an die frühen, mit eigenartigen Lasuren bemalten Krippen des bekannten Tiroler Bildhauers und Bildschnitzers Martin Harb in Schwaz, der sich eingedenk froher Sommertage in Schlierbach als Gast im Hause der Eltern seines Schulfreundes, Harb-Schlierbach nennt, so an seine berühmt gewordene Luther-Krippe, wie er sie zum Protest - Luther, der große Protestierer an der Schwelle einer Zeitenwende - gegen die sogenannten schönen Krippen benannt hat. Wie bei Harb tritt auch bei Maria Kalab das ewig Menschliche, das Ärmliche dieser Geburt zu Bethlehem hervor. Der Stall ist nur eine über und über mit Bartflechte bedeckte Baumwurzel, deren Bogen über oder hinter der Krippe gleichnishaft ein Spiegelbild der Armut dieses göttlichen Kindes ist. Hierin liegt doch der zu Anfang ausgesprochene Symbolcharakter der Weihnachts krippe für unsere Tage: daß am Ende jeder Mensch ohne sein Gut von der Erde scheiden muß, nackt wie er ankam und genauso arm wie Jesus, der Menschensohn der Bibel. Das könnte die Menschen noch zur Besinnung führen, zumindest in der Weihnachtszeit.

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