Eine moderne Weihnachtskrippe aus Stroh Versuch einer zeitgemäßen Gestaltung Carl Hans Watzinger Die Krippe als Symbolträger, das ist die heutige Funktion der Weihnachtskrippe in der Familie. Dazu schreibt Otfried Kastner"^: „Mit dem beispiellosen Erwachen, mit dem man sich heute religiösen Fragen zuwendet, hat sich auch die Einstellung zur Krippe ge ändert; man bemüht sich, eine Krippe zu besitzen. Doch ist es schwer, Figuren zu erwerben. Geht man in die einschlägigen Geschäfte, begegnet man Typen, die, dem allgemeinen Geschmack angepaßt, nicht recht befriedigen können. Gibt man Schnitzern des Salzkammer gutes einen Auftrag, so muß man jahrelang warten." In dieser Lage war auch Frau Maria Kalab in Micheldorf a. d. Krems, als sie vor Jahren eine Krippe für ihre Familie - sie ist Gattin eines Lehrers und Mutter dreier Kinder - erstehen wollte. Schließlich verfiel sie auf den Gedanken, selbst Figuren zu einer Krippe aus Stroh herzustellen. Das war 1960. Maria Kalab hat dann eine vollständige Krippe hergestellt. Im Verlauf der Jahre hat sie mehrere Krippen mit Strohfiguren verfertigt, wie sie ihrer Auffassung entsprachen, und mit ihnen guten Widerhall im Umkreis von Micheldorf gefunden. Es könnte nun angenommen werden, daß bei diesen Krippen die Flechtarbeiten aus Maisstroh, die aus dem Burgenland und Ungarn in die westlichen Bundesländer gekommen sind, zumindest anregend auf Maria Kalab gewirkt haben könnten. Das ist aber nicht der Fall. Maria Kalab kam vielmehr über einen von ihr ausgeführten Christbaumschmuck - Strohsternen — zu ihrer Technik. Sie verwendet für ihre Krippenfiguren Haferstroh, ein Material, das glänzt und auch Festigkeit genug besitzt, die Form zu halten. Maria Kalab hat mit ihrer Krippenherstellung das handwerkliche Erbe ihrer Eltern angetreten. Ihr Vater Karl Übleis, Besitzer der Pfaffenried, eines Bauernhauses in der Gemeinde Micheldorf, ist ein geschickter Handwerker, wie dies bei unseren Bauern, vor allem den Bergbauern, häufig zutrifft, und ihre Mutter war eine ausgezeichnete Strickerin. Stroh als Material für ihre volkskünstlerische Betätigung hat es Frau Maria Kalab also von Anfang an angetan, wie schon ihr schlichter Christbaumschmuck erkennen läßt. In letzter Zeit ist sie dazu übergegangen, gefärbte Ostereier, ähnlich wie dies in einzelnen östlichen Volkskunstlandschaften der Fall ist, mit Stroh zu verzieren. Dabei hat sie guten künstlerischen Geschmack entwickelt. Vor Jahren, als in der Micheldorfer Gegend der Almabtrieb noch besonders festlich begangen wurde, hat sie auch bei der Herstellung des fürs „Aufkranzen" verwendeten Tierschmuckes Stroh als leicht zu bewältigendes Arbeits material (neben Rauschgold, Blumen und Tannenreisig) verwendet, ohne daß sie aber mit dieser Bekränzung des in die heimischen Stallungen einziehenden Viehs etwa etwas besonderes Neues beabsichtigt hätte. Sie versuchte nur eine geschickte und ansprechende Fortführung des alten Brauches. Die Kalab'schen Weihnachtskrippen sind kleinere Krippen und beschränken sich zu meist nur auf die Hauptfiguren. Diese Micheldorfer Strohkrippen sollen ja in den Wohnungen ^ Otfried Kastner, Die Krippe. Band 3 der Denkmäler der Volkskultur aus Oberösterreich. Herausgeber: Dr. Franz Lipp. 1964 im Oberösterreichischen Landesverlag, Linz, Seite 171.
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