OÖ. Heimatblätter 1970, 24. Jahrgang, Heft 3/4

Das Rathaus der Eisenstadt Steyr Josef Ofner Den eindrucksvollen Steyrer Stadtplatz und das prächtige Rathaus würdigt Herbert Schindler in seinem Buch „Barockreisen in Österreich" mit folgenden Worten: „Der Rhyth mus seiner Häuserfronten ist am lebendigsten instrumentiert und hat eine Dominante, die reinste Bühnenarchitektur ist; das Rathaus von Gotthard Hayberger mit dem zartgliedrigen Zwiebelturm. Auf diese Mitte altösterreichischen Bürgerstolzes streben zwei Reihen von Bürgerbehausungen zu, eine dritte, langgezogene und sanft gebauchte erweist auf der Gegen seite ihre Reverenz Das in der ausklingenden Barockzeit erbaute Rathaus verdrängte ein altes, aus dem Mittelalter stammendes Ratsgebäude, dessen Geschichte vorerst berichtet sei. Herzog Albrecht V., der zu Anfang des Jahres 1422 von der Stadt Steyr zur Bekämpfung der Hussiten die beträchtliche Summe von 1500 Gulden gefordert hatte, gestattete am Montag nach St.-Mertens-Tag der Bürgerschaft, „wo es ihr füglich dunckt, ein Rath-Haus aufzu richten, Fleisch- und Brod-Bäncke darunter zu machen, die Nutz und Gült hievon aber zu gemeiner Stadt Frommen anzulegen®". Dieses Privilegium bekräftigte die Loslösung der durch den schwungvollen Handel mit Stahl-, Eisen- und Klingenwaren mächtig gewordenen Stadt aus der Jurisdiktion der Burgherrschaft. Der Stadtrat kaufte ein etwa in der Mitte der ennsseitigen Häuserreihe gelegenes Wohn gebäude und richtete es zu einem Rathaus ein®. An der Spitze der Stadtverwaltung stand damals noch der Stadtrichter. Erst zu Beginn des Jahres 1500 konnte ein gewählter Bürgermeister, es war Kaspar Flädarn, auf Grund eines kaiserlichen Privilegs vom 16. September 1499 die Amtstätigkeit im Rathaus aufneh men^. Überaus unruhig verliefen die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts. Ein Hand werkeraufstand erschütterte den inneren Frieden, die Lehre des Wittenberger Theologie professors Martin Luther beschäftigte heftig die Gemüter, eine furchtbare Feuersbrunst vernichtete 1522 den südlichen Teil der Innenstadt, und zehn Jahre später gelangten tür kische Reiterscharen bis an die Mauern der Eisenstadt. Als sich in der Folgezeit eine wirt schaftliche Prosperität abzeichnete, schritt 1538 die Stadtobrigkeit an die Erneuerung des bereits sehr baufälligen Rathauses, wobei nach Preuenhueber der platzseitige Trakt „fast gar von neuen aufgeführt" wurde®. Das verheerende Hochwasser des Jahres 1572 brachte die Gebäude an der Enns zum Einsturz. Auch das zum Rathaus gehörende Hinterhaus, in dem sich die Fleischbänke befanden, wurde zerstört. Den Wiederaufbau dieses Traktes und anderer Häuser leitete vermutlieh der aus Wien berufene Baumeister Bernhard Camada®. Abkürzungen: F. = Faszikel, L. = Lade, K. = Kasten, Rp. = Ratsprotokoll, VKSt. = Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr. - Alle in dieser Arbeit zitierten Quellen, deren Archivzugehörigkeit nicht angegeben ist, befinden sich im Archiv der Stadt Steyr. ^ H. Schindler, Barockreisen in Österreich, 1966, S. 145. ' V. Preuenhueber, Annales Styrenses, 1740, S. 84. — Die Orig.-Urkunde aus dem Jahre 1422 ist verschollen. ® Das Haus gehörte 1413 dem Bürger Heinrich Randolff. Preuenhueber, S. 84. * Mittelkasten, L. 3, Nr. 71 und 75. - J. Ofner, 470 Jahre Bürgermeisteramt in Steyr. Amtsblatt der Stadt Steyr, Jg. 10, Nr. 9, S. 3 f. ® Preuenhueber, Annales Styrenses, S. 258. ' E. Krobath, Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit. VKSt., Heft 19 (1959), S. 45 f.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2